Smart Traffic & Mobility Aerodynamik: Nicht nur für heiße Schlitten

Wider den Luftwiderstand: Deutsche Rodler testen ihre Schlitten im BMW-Windkanal

Bild: BMW
07.04.2014

Über sparsame Motoren und Leichtbau redet die ganze Welt. Die oft vergessene Aerodynamik bietet jedoch noch großes Potenzial zur Verbrauchsreduzierung – und das mit einem guten Kosten-Nutzen-Verhältnis.

Für die Aerodynamik hatte der berühmte Konstrukteur Enzo Ferrari nur Spott übrig: „Aerodynamik ist für Leute, die nicht wissen, wie man Motoren baut.“ Im Prinzip hatte er recht: Mit ausreichend Leistung lässt sich jeder noch so hohe Luftwiderstand überwinden. So erreicht ein großer Gelände­wagen wie der BMW X5 mühelos 200 km/h. Um diese Geschwindigkeit zu halten, werden allerdings permanent 90 kW Antriebsleistung benötigt. Grund genug für Dr. Rolf Neuendorf, der bei BMW die Aerodynamik für mittlere und große Fahrzeuge verantwortet, auch an kleinen Details zu arbeiten. „Schon winzige Veränderungen an den Rückleuchten sparen 1 kW Antriebsleistung ein.“ Die Summe der Details führt bei der neuen Generation des X5 zu einer beachtlichen Verringerung des Luftwiderstands cx (in Längsrichtung) auf 0,31 – bei der ersten Generation betrug der Wert noch 0,35. Nach Angaben von BMW ist das Fahrzeug damit das beste seiner Klasse.

Die Absenkung ist dabei nur zu 50 Prozent auf Veränderungen an der Außenhaut – also der Karosserieform – zurückzuführen. Beispielsweise wurde der Heckeinzug so gestaltet, dass der Strömungsabriss geringer ausfällt. Zweitgrößter Faktor ist eine neue Generation der Kühlluft-Klappensteuerung an der Fahrzeugfront. Sie öffnet die beweglichen Lamellen abhängig von Fahrzustand und den Motortemperaturen nur, wenn tatsächlich Kühlung benötigt wird.

In der Diskussion um den Luftwiderstand steht traditionell die Außenhautgestaltung im Vordergrund. Zu Unrecht, meint Marcus Bollig, bei BMW für „Efficient Dynamics“ verantwortlich. Denn die steht nur für 40 Prozent des Gesamt-Luftwider­standes; allein die Räder und die Radhäuser verantworten weitere 30 Prozent, gefolgt vom Unterboden mit 20 Prozent und den Funktionsöffnungen – zum Beispiel dem Kühler – mit 10 Prozent. „Optimiert man an allen Stellen, kann Aerodynamik ein sehr attraktives Instrument zur Verbrauchsreduzierung sein“, so Bollig. Sie stünde nicht im Wettbewerb mit dem Leichtbau, sondern ergänze diesen.

Leichtbau versus Aerodynamik

Ein wenig anders sieht dies Professor Jochen Wiedemann von der Universität Stuttgart. Der Aerodynamik-Experte, an dessen Institut Wunibald Kamm schon 1938 ein Automobil mit einem Luftwiderstandsbeiwert von nur 0,23 entworfen hatte, rät dazu, die Kosten für Maßnahmen von Leichtbau und Aerodynamik mit­einander zu vergleichen. Der Leichtbau sei zwar effektiv, aber nicht unbedingt effizient. „Je stärker elektrifiziert ein Fahrzeug ist, desto mehr verliert der Leichtbau an Wirksamkeit.“ Hintergrund für seine Aussage: Die Masse eines Fahrzeugs ist energetisch von geringerem Nachteil, wenn beim Bremsen ein möglichst hoher Teil der Bewegung zur Strom­erzeugung genutzt werden kann.

Zudem tritt Wiedemann der Überzeugung entgegen, dass Aerodynamik nur für jene Geschwindigkeitsbereiche relevant ist, die in der offiziellen Verbrauchsmessung nach NEFZ (Neuer Europäischer Fahrzyklus) nicht erreicht werden. „Ein leichtes Stadtfahrzeug wie der Smart profitiert schon im NEFZ und als Verbrenner besonders stark von der Aerodynamik, während eine strömungsgünstige, aber schwere Oberklasselimousine stärker auf den Leichtbau anspricht.“

Auch Wiedemann plädiert dafür, sich bei der Optimierung des Widerstandes nicht ausschließlich auf die Außenhaut zu konzentrieren, zumal Maßnahmen hier oft im Konflikt mit Kundenwünschen stehen. Deutlich wird dies am Ein-Liter-Auto von Volkswagen, das der idealen Form recht nahekommt. Um die Stirnfläche gering zu halten, sitzen die Passagiere leicht versetzt. Die Außenspiegel sind durch Kameras ersetzt, deren Bild auf Displays im Innenraum widergegeben wird – eine kosten­intensive Maßnahme, die zudem vom Fahrer eine gewisse Eingewöhnung verlangt.

Adaptive Aerodynamik

In Sportwagen werden immer häufiger Aerodynamikmaßnahmen realisiert, die man dem Auto im Stillstand gar nicht ansieht. Meist geht es vor allem darum, den Abtrieb zu verbessern beziehungsweise den Auftrieb zu vermindern. Als Vorreiter darf der Porsche 911 Turbo gelten, dessen gewaltiger Heckflügel in den siebziger Jahren polarisierte. In der aktuellen Modellgenera­tion sind die Front- und die Heckspoiler jeweils dreistufig ausgeführt. Abhängig von der Fahrgeschwindigkeit beziehungsweise dem gewählten Fahrmodus verändert sich die Geometrie der Anbauteile. Im „Performance“-Modus erreicht der 911 Turbo so einen Anpressdruck von 132 Kilo – das ermöglicht eine um zehn Prozent höhere Querbeschleunigung. Der dafür installierte technische Aufwand ist hoch, allerdings sehen Experten trotzdem Potenzial, solche adaptiven Karosseriebauteile langfristig auch für sportliche Limousinen oder SUVs einzusetzen. So könnte das erhöhte Querführungspotenzial genutzt werden, um etwas schmälere und damit rollwiderstandsärmere Reifen einzusetzen.

Manchmal sind es deutlich unspektakulärere Maßnahmen, die signifikante Verbesserungen zur Folge haben. In einem von der Forschungsvereinigung Automobiltechnik durch­geführten Projekt fand die Universität Stuttgart heraus, dass sich der Luftwiderstand verschiedener Reifenfabrikate um bis zu drei Prozent unterscheiden kann – bei gleicher Reifendimension. Unter Umständen kann also eine Aerodynamikverbesserung sogar ohne Mehrkosten erreicht werden. Kein Wunder also, dass angesichts der strenger werdenden CO2-Grenzwerte nahezu alle Automobilhersteller und Dienstleister in die Aufrüstung ihrer Windkanäle investieren.

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