Potentiell gefährdet sind alle Bereiche, in denen sich Gase, Dämpfe, Nebel oder Stäube ansammeln können, die mit Luftsauerstoff oder anderen Oxidationsmitteln explosionsartige Gemische bilden. Die Errichtung und der Betrieb von Anlagen, bei denen solche Stoffe entstehen können, erfordern ein hohes Maß an Sicherheitsvorkehrungen, da ein Ausfall solcher Anlagen neben hohen wirtschaftlichen Verlusten auch weitreichende Folgen für Personen und Umwelt haben kann. Dies fordert auch die Richtlinie 1999/92/EG und richtet sich an den Betreiber beziehungsweise den Arbeitgeber. Dieser hat gemäß dieser Richtlinie die Pflicht, die Explosionsgefahr seiner Anlage zu beurteilen und er muss sicherstellen, dass alle Mindestvorschriften eingehalten werden. Auch die Einteilung der explosionsgefährdeten Bereiche in Zonen, die Kennzeichnung dieser Bereiche und alle Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten im Explosionsschutzdokument zu dokumentieren, gehört zu seinen Aufgaben.
In Deutschland wird die europäische Richtlinie 1999/92/EG durch die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) und die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) in nationales Recht umgesetzt. Die technischen Richtlinien für die Betriebssicherheit (TRBS) und für Gefahrstoffe (TRGS) konkretisieren die jeweiligen Verordnungen. Sie geben den Betreibern Hinweise zur Gefährdungsbeurteilung und empfehlen Schutzmaßnahmen für die jeweilige Zündquelle.
Gefährdungsbeurteilung bei Ex-Anlagen mit der Zündquelle „Blitzschlag“
Der Grund einer Gefährdungsbeurteilung ist das Auffinden von Zündquellen und die Beurteilung des Wirksamwerdens in den jeweiligen Ex-Bereichen. Eine mögliche Zündquelle kann ein direkter Blitzschlag sein beziehungsweise die induktiven und kapazitiven Auswirkungen dieses hohen Impulsstromes auf den eigensicheren Messkreis.
Die TRGS 723 beschreibt unter 5.8 die Zündquelle „Blitzschlag“. Hierbei werden bei der Gefährdungsbeurteilung dieser Zündquelle folgende Hinweise gegeben:
„Ein Blitzschlag ist eine atmosphärische Entladung zwischen Wolke und Erde. Hierbei treten am Einschlagpunkt sehr hohe Temperaturen auf. Die hohen Ströme führen zu Erwärmungen und Potentialverschiebungen entlang der Ableitung.“
„Ein Blitzschlag kann sowohl durch einen direkten Einschlag, aber auch durch die Auswirkungen eines Einschlags in größerer Entfernung explosionsfähige Atmosphäre entzünden.“
Sowohl direkte Blitzeinschläge als auch Blitzeinschläge in weiterer Entfernung zur Anlage, können zu Gefährdungen in der Anlage führen.
„Aufgrund von Potentialdifferenzen zu angrenzenden Anlagenteilen sind Funkenentladungen oder Überschläge möglich.“
„In Metallteilen in der Umgebung der Ableitwege kommt es aufgrund kapazitiver und induktiver Kopplung zu Strömen und Potenzialverschiebungen.“
„Die Auswirkungen von Blitzeinschlägen, die in großer Entfernung in Versorgungsleitungen (Kabel und Rohrleitungen) erfolgen, sind zu berücksichtigen, soweit sie Rückwirkungen auf den explosionsgefährdeten Bereich haben“.
Die Schadensquellen S3 und S4 nach DIN EN 62305-2 beschreiben die direkten und indirekten Blitzbeeinflussungen auf alle eingeführten metallenen Leitungen. Diese können von der Ferne hohe Zündenergie in den Ex-Bereich einführen.
In explosionsgefährdeten Bereichen besteht also nicht nur Gefahr durch die Auswirkungen des direkten Blitzeinschlags, sondern auch die Gefährdung durch die elektromagnetische Wirkung des Blitzstroms auf die Installation der elektrischen Anlage und durch eingeführte metallene Installationen (zum Beispiel Kabel). Bei gleichzeitigem Vorhandensein einer explosionsfähigen Atmosphäre (zum Beispiel an den Anschlussklemmen im Gehäuse eines eigensicheren Betriebsmittels) kann die bei einem Überschlag frei werdende Zündenergie jederzeit zum Brand oder zu einer Explosion führen.
Aus diesem Grund ist es enorm wichtig für die Sicherheit der Gesamtanlage, ein in sich geschlossenes und aufeinander abgestimmtes und sehr detailliertes Schutzkonzept zu realisieren. Das sogenannte Blitz-Schutzzonen-Konzept wird in der DIN EN 62305-4 behandelt und ist die Basis für den Aufbau eines Blitzschutzsystems im Ex-Bereich. Besonders gefährdet durch die Induktionswirkung des Blitzstromes sind Kabel und Leitungen. Sehr häufig sind im Ex-Bereich eigensichere Messkreise anzutreffen. Hier werden zwar Anforderungen an den Blitzschutz von eigensicheren Kreisen im Abschnitt 12.3 der Norm DIN EN 60079-14 aufgeführt, aber für die Beherrschung von Überspannungen in einer explosionsgefährdeten Anlage stellt die DIN EN 62305-4 den Stand der Technik dar.
Eingekoppelte Blitzteilströme und induzierte Überspannungen in MSR-Kreise
Werden Gefährdungen durch Blitzeinwirkungen (TRGS 723 mit Unterstützung der Risikoanalyse nach DIN EN 62305 – 2) festgestellt, dann müssen alle Geräte, Schutzsysteme und Komponenten aller Kategorien durch geeignete Blitz- und Überspannungsschutzmaßnahmen geschützt werden. Sehr wichtig ist dabei, dass Blitzeinschläge außerhalb der Ex-Zonen 0 / 1 oder 20 / 21 keine schädlichen Auswirkungen auf diese haben.
Bilder 4a-4d zeigen mögliche galvanische Blitzeinkopplungen. Die elektromagnetischen Einkopplungen treten zusätzlich noch in Erscheinung und können weitere gefährliche Überspannungen induzieren.
Installationsanforderungen bezüglich atmosphärischer Entladungen (Blitzschlag)
Die DIN EN 60079-14 verweist bei Blitzgefährdung direkt auf Maßnahmen entsprechend der Normenreihe DIN EN 62305 Teil 1 – 4. Ein Gesamtkonzept nach zur Planung von Blitzschutzsystemen im Ex-Bereich berücksichtigt umfassend:
Das Ermitteln der Einschlagspunkte mit dem Blitzkugelverfahren (R = 30 m gem. TRGS 723) und das Bewerten, ob es bei den jeweiligen Einschlagspunkten zu gefährlichen Einkopplungen in die Ex-Bereiche kommen kann.
Den Aufbau eines äußeren Blitzschutzsystems, mindestens LPL II, bestehend aus Fangeinrichtungen, Ableitungen, Erdungsanlage, Blitzschutzpotentialausgleich und Trennungsabstand
Die zeichnerische Darstellung der Blitzschutzzonen sowie der Ex-Zonen (bestenfalls mit einem 3D-Zeichnungstool wie zum Beispiel Dehnplan)
Die Bewertung der elektromagnetischen Einkopplung des äußeren Blitzschutzsystems in Leiterschleifen (eigensichere Messkreise inklusive offener Kabelschirme) mit Hilfe der DIN EN 62305-4
Das Einleiten von Schutzmaßnahmen gegen die Wirkung des elektromagnetischen Blitzimpuls (LEMP) durch ein LEMP-Schutzsystem (LPMS). Eine individuelle Kombination dieser LEMP-Schutzmaßnahmen sind Erdung, Potentialausgleich, räumliche Schirmung, Leitungsführung und –schirmung und ein koordinierter SPD-Schutz.
Nachstehendes Fallbeispiel (Siehe Bild 5) soll dies exemplarisch zeigen. Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass zum Schutz gegen direkte Einschläge in das eigensichere System und in den explosionsgefährdeten Bereich (Zone 0, 1) ein Blitzschutzsystem LPS mit der Blitzschutzklasse II errichtet worden ist, welche auf den entsprechenden Gefährdungspegel LPL II einer vorausgegangenen Gefährdungsbeurteilung basiert. Der eigensichere Messkreis ist in LPZ 0B (LPZ: Lightning Protection Zone; siehe Tabelle 1) installiert.
Das Beispiel erläutert ein mögliches Verfahren zum Schutz von eigensicheren Messkreisen gegen die direkten und indirekten Auswirkungen eines Blitzeinschlages. In Bild 5 ist eine typische Installation eines eigensicheren Messkreises bestehend aus einer Kombination eines zugehörigen elektrischen Betriebsmittels (Ex-i Trennbarriere), eigensichere Kabelinstallation, einem Temperaturtransmitter und den jeweils notwendigen Überspannungsschutzgeräten (SPDs) dargestellt. Die Trennbarriere befindet sich im MSR-Schrank in der Leitwarte (nicht explosionsgefährdeter Bereich).
Der Temperaturtransmitter mit dem Fühlerelement ist direkt am Tank mit brennbarer Flüssigkeit montiert. Das Fühlerelement befindet sich direkt in Ex-Zone 0, der Transmitter selbst ist in Ex-Zone 1 montiert und mit seinem Metallgehäuse direkt, sicher und dauerhaft mit dem metallenen Tank verbunden. Das geschirmte eigensichere Kabel verbindet die beiden Betriebsmittel miteinander. Die Messwarte und auch der Tank sind in eine vermaschte Erdungsanlage (Maschenweite ungefähr 20 x 20 m) eingebunden.
Damit ein Schutz gegen alle blitzbedingten Schadenswahrscheinlichkeiten der elektrischen Betriebsmittel (Leitwarte als auch im explosionsgefährdeten Bereich) aufgebaut werden kann, müssen zwei SPDs in den eigensicheren Stromkreis integriert werden. Ein SPD zum Schutz der Trennstufe in der Leitwarte und ein SPD zum Schutz des Transmitters am Tank. Das SPD am Tank verhindert auch gleichzeitig einen gefährlichen Funkenüberschlag vom Tank zur Fühlerleitung und dient zusätzlich dem Explosionsschutz. Mit den SPDs werden nicht nur die Signaladern, sondern auch die unbenutzten Adern sowie die offenen Kabelschirme beschalten. Somit kann im Normalbetrieb kein Ausgleichsstrom fließen. Beim Auftreten von gefährlichen Überspannungen wird das offene Kabelende über das SPD mit dem Potentialausgleich verbunden und eine offene Funkenbildung verhindert.
Überspannungsschutz für MSR-Kreise
Wie im oben gezeigten Beispiel beschrieben, sind Überspannungsschutzgeräte (SPDs) ein wesentlicher Teil des Blitzschutzkonzepts und tragen somit erheblich zur Sicherheit von Anlagen in der Prozesstechnik bei. Gerade bei MSR-Kreisen müssen die Geräte bestimmte Anforderungen erfüllen, um zum einen eine adäquate Schutzwirkung zu erzielen zum anderen aber auch das Signal selbst nicht unzulässig zu beeinflussen. Ein weiterer Aspekt ist der Einsatz von Überspannungsschutz in Ex geschützten Anlagenkreisen (zum Beispiel eigensichere Kreise). Hier sind entsprechende Zulassungen und Konformität zu geeigneten Zündschutzarten Voraussetzung. Mit den Schutzgeräten Blitzductorconnect und Dehnpipe bietet Dehn ein umfangreiches und aufeinander abgestimmtes Portfolio von Überspannungsschutzgeräten.
Die Produktserie Blitzductorconnect besteht aus Überspannungsschutzgeräten zur Hutschienenmontage. Sie sind in unterschiedlichen Typvarianten verfügbar und schützen zwei Einzeladern mit gemeinsamem Bezugspotential (unsymmetrische Schnittstellen) oder eine erdpotentialfrei betriebene Doppelader (symmetrische Schnittstelle).
Die Ableiter sind als kompakte oder teilbare Variante verfügbar. Die teilbare Variante ist modular aufgebaut mit einem Basisteil, an dem die Anschlussleitungen installiert werden und einem austauschbaren Schutzmodul, in dem sich die Schutzelemente befinden. Die Verdrahtung der Anschlussleitungen erfolgt über Push-In Anschlusstechnik, was die Installation der Ableiter einfach und zeitsparend macht. Weder Werkzeug noch sonstige Fixiermaßnahmen werden benötigt.
Die integrierte Trennfunktion bietet eine platz- und zeitsparende Alternative zur Trennklemme. Im Wartungsfall oder bei einer Fehlersuche kann so eine gezielte Unterbrechung des Signalkreises vorgenommen werden. Durch gedrehtes Einstecken des Ableitermoduls in das Basisteil wird der Signalkreis ohne Werkzeugeinsatz geöffnet und eine Signaltrennung hergestellt. Somit kann der Ableiter als Alternative zur Rangierklemme als Eingangsklemme ohne zusätzlichen Platzbedarf im Schaltschrank installiert werden.
Um eine Überlastung feststellen zu können, sind die Ableiter mit einer integrierten Statusanzeige ausgestattet, die ohne Fremdspannung jederzeit schnell und eindeutig Auskunft über den Zustand des Ableiters gibt. Gleichzeitig ist es möglich die Ableiter einfach in ein Überwachungssystem einzubinden. Dabei wird zusätzlich zu den Ableitern ein Fernmelde-Set installiert. Damit können bis zu 50 Ableiter kontinuierlich überwacht werden und über einen Fernmeldekontakt kann das System leicht in bestehende Monitoring-Systeme (zum Beispiel über programmierbare Steuerungen) eingebunden werden.
Zum Einsatz in eigensicheren Messkreisen (Ex i) sind Ableiter mit entsprechender Zündschutzart und Zulassung (ATEX, IECEx) verfügbar. Generell sind die Ableiter als kombinierte Blitzstrom- und Überspannungsableiter ausgeführt. Mit ihrem hohen Ableitvermögen und niedrigen Schutzpegeln sowie einer minimalen Baubreite von 6 mm erreichen sie eine optimale Schutzwirkung auf geringstem Platzbedarf.
Zum Schutz von Feldgeräten stehen dem Anwender Überspannungsschutzgeräte der Gerätefamilie Dehnpipe zur Verfügung. Sie zeichnen sich durch robuste Verarbeitung aus und können im Außenbereich eingesetzt werden (Edelstahlgehäuse, Schutzart IP 67). Sie werden einfach an eine Kabelverschraubung am Feldgerät montiert. Zur Installation im Ex-Bereich sind je nach Anforderung, Geräte in eigensicherer Ausführung (Ex i) oder in druckfester Kapselung (Ex d) verfügbar.
Zusammenfassung
Eine Gefährdung von chemischen und petrochemischen Anlagen durch eine Blitzentladung und der daraus resultierenden elektromagnetischen Beeinflussung wird in der Praxis oft nicht ganzheitlich bewertet, was aber seit Juli 2019 in der TRGS 723 verlangt wird. Bei der Verwirklichung des Blitz-Schutzzonen-Konzeptes bereits bei der Planung und Ausführung unter Berücksichtigung von Ex-Bereichen lassen sich die Risiken einer Funkenbildung durch Direkteinschlag oder Entladen von leitungsgebundenen und induzierten Störenergien auf eine sicherheitstechnische und auch wirtschaftlich vertretbare Größe reduzieren. Die verwendeten SPDs müssen sowohl die Anforderungen des Explosionsschutzes, die Koordinationsbedingungen als auch die Anforderungen resultierend aus den Betriebsparametern der MSR-Kreise erfüllen.