Nächste Stufe der Sensorik Chipfreie, drahtlose elektronische „Haut“ hergestellt

Das Gerät empfängt und überträgt Signale drahtlos ohne sperrige Chips oder Batterien.

Bild: Forscher des MIT
23.08.2022

Ein neues Gerät des MIT erfasst und überträgt drahtlos Signale, die mit dem Puls, dem Schweiß und der UV-Belastung zusammenhängen, ohne sperrige Chips oder Batterien.

Sensoren, die am Körper getragen werden können, sind mithilfe der drahtlosen Technologie, die es ermöglicht, die Glukosekonzentration, den Blutdruck, die Herzfrequenz und das Aktivitätsniveau einer Person zur weiteren Analyse nahtlos vom Sensor auf das Smartphone zu übertragen, allgegenwärtig.

Die meisten drahtlosen Sensoren kommunizieren heute über eingebettete Bluetooth-Chips, die ihrerseits von kleinen Batterien gespeist werden. Doch diese herkömmlichen Chips und Stromquellen sind wahrscheinlich zu sperrig für die Sensoren der nächsten Generation, die immer kleinere, dünnere und flexiblere Formen annehmen.

Jetzt haben MIT-Ingenieure eine neue Art von tragbarem Sensor entwickelt, der drahtlos kommuniziert, ohne integrierte Chips oder Batterien zu benötigen. Ihr Entwurf eröffnet einen Weg zu chipfreien, drahtlosen Sensoren.

Eigenschaften von Galliumnitrid zunutze machen

Bei dem Sensordesign des Teams handelt es sich um eine Art elektronische Haut oder „E-Skin“ – eine flexible, halbleitende Folie, die sich wie ein elektronisches Klebeband an die Haut anschmiegt. Das Herzstück des Sensors ist ein ultradünner, hochwertiger Film aus Galliumnitrid, einem Material, das für seine piezoelektrischen Eigenschaften bekannt ist, das heißt, es kann sowohl ein elektrisches Signal als Reaktion auf mechanische Belastung erzeugen als auch als Reaktion auf einen elektrischen Impuls mechanisch vibrieren.

Die Forscher fanden heraus, dass sie sich die bidirektionalen piezoelektrischen Eigenschaften von Galliumnitrid zunutze machen und das Material gleichzeitig für Sensorik und drahtlose Kommunikation verwenden können.

In ihrer neuen Studie stellte das Team reine, einkristalline Proben von Galliumnitrid her, die sie mit einer leitenden Goldschicht verbanden, um jedes ein- oder ausgehende elektrische Signal zu verstärken. Sie zeigten, dass das Gerät empfindlich genug war, um als Reaktion auf den Herzschlag einer Person sowie auf das Salz in ihrem Schweiß zu vibrieren, und dass die Vibrationen des Materials ein elektrisches Signal erzeugten, das von einem Empfänger in der Nähe gelesen werden konnte. Auf diese Weise konnte das Gerät Sensordaten drahtlos übertragen, ohne dass ein Chip oder eine Batterie benötigt wurde.

„Chips benötigen viel Strom, aber unser Gerät könnte ein sehr leichtes System ohne stromhungrige Chips ermöglichen“, sagt der korrespondierende Autor der Studie, Jeehwan Kim, außerordentlicher Professor für Maschinenbau und Materialwissenschaft und -technik und leitender Forscher im Forschungslabor für Elektronik. „Man könnte es wie einen Verband um den Körper legen und in Verbindung mit einem drahtlosen Lesegerät auf dem Mobiltelefon den Puls, den Schweiß und andere biologische Signale drahtlos überwachen.“

Zu Kims Co-Autoren gehören die Erstautorin und ehemalige MIT-Postdoktorandin Yeongin Kim, die jetzt Assistenzprofessorin an der University of Cincinnati ist, die Co-Autorin Jiyeon Han von der koreanischen Kosmetikfirma Amorepacific, die zur Motivation der aktuellen Arbeit beigetragen hat, Mitglieder der Kim-Forschungsgruppe am MIT sowie weitere Mitarbeiter an der University of Virginia, der Washington University in St. Louis und mehreren Institutionen in Südkorea.

Reine Resonanz

Die Gruppe von Kim hat zuvor eine Technik entwickelt, die so genannte Remote-Epitaxie, mit der sie ultradünne, hochwertige Halbleiter schnell aus mit Graphen beschichteten Wafern herauswachsen und abziehen kann. Mit dieser Technik haben sie verschiedene flexible, multifunktionale elektronische Filme hergestellt und erforscht. In ihrer neuen Studie verwendeten die Ingenieure dieselbe Technik, um ultradünne einkristalline Schichten aus Galliumnitrid abzulösen, das in seiner reinen, defektfreien Form ein hochempfindliches piezoelektrisches Material ist.

Das Team wollte einen reinen Galliumnitridfilm sowohl als Sensor als auch als drahtlosen Kommunikator für akustische Oberflächenwellen verwenden, die im Wesentlichen Vibrationen über den Film sind. Die Muster dieser Wellen können die Herzfrequenz einer Person anzeigen, oder, noch subtiler, das Vorhandensein bestimmter Verbindungen auf der Haut, wie zum Beispiel Salz im Schweiß.

Die Forscher stellten die Hypothese auf, dass ein auf die Haut aufgeklebter Sensor auf der Basis von Galliumnitrid eine eigene Resonanzschwingung oder -frequenz aufweisen würde, die das piezoelektrische Material gleichzeitig in ein elektrisches Signal umwandeln würde, dessen Frequenz ein drahtloser Empfänger registrieren könnte. Jede Veränderung des Hautzustands, zum Beispiel durch eine erhöhte Herzfrequenz, würde die mechanischen Schwingungen des Sensors und das elektrische Signal, welches er automatisch an den Empfänger sendet, beeinflussen.

„Wenn sich der Puls ändert, Chemikalien im Schweiß enthalten sind oder die Haut ultravioletter Strahlung ausgesetzt ist, können all diese Aktivitäten das Muster der akustischen Oberflächenwellen auf dem Galliumnitridfilm verändern“, erklärt Kim. „Und die Empfindlichkeit unseres Films ist so hoch, dass er diese Veränderungen aufspüren kann.“

Übertragung von Wellen

Um ihre Idee zu testen, stellten die Forscher einen dünnen Film aus reinem, hochwertigem Galliumnitrid her und paarten ihn mit einer Goldschicht, um das elektrische Signal zu verstärken. Sie brachten das Gold in Form von sich wiederholenden Hanteln auf – eine gitterartige Anordnung, die dem normalerweise starren Metall eine gewisse Flexibilität verleiht. Das Galliumnitrid und Gold, das sie als eine Art elektronische Haut betrachten, ist nur 250 nm dick – etwa 100 Mal dünner als ein menschliches Haar.

Sie brachten die neue elektronische Haut an den Handgelenken und im Nacken von Freiwilligen an und verwendeten eine einfache Antenne, die in der Nähe gehalten wurde, um die Frequenz des Geräts drahtlos zu registrieren, ohne den Sensor selbst zu berühren. Das Gerät war in der Lage, Veränderungen der akustischen Oberflächenwellen des Galliumnitrids auf der Haut der Freiwilligen zu erkennen und drahtlos zu übertragen, die mit ihrer Herzfrequenz zusammenhängen.

Das Team koppelte das Gerät auch mit einer dünnen ionensensitiven Membran – einem Material, das selektiv ein Zielion anzieht, in diesem Fall Natrium. Mit dieser Erweiterung konnte das Gerät wechselnde Natriumwerte erkennen und drahtlos übertragen, wenn ein Proband sich an ein Wärmekissen hielt und zu schwitzen begann.

Die Forscher sehen ihre Ergebnisse als einen ersten Schritt auf dem Weg zu chipfreien, drahtlosen Sensoren und stellen sich vor, dass das aktuelle Gerät mit anderen selektiven Membranen gekoppelt werden könnte, um andere lebenswichtige Biomarker zu überwachen. „Wir haben die Natriummessung gezeigt, aber wenn man die Sensormembran ändert, kann man jeden beliebigen Ziel-Biomarker wie Glukose oder Cortisol, das mit dem Stresslevel zusammenhängt, erkennen“, sagt Co-Autor und MIT-Postdoc Jun Min Suh. „Es ist eine ziemlich vielseitige Plattform.“

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