Verfahrenstechnik Der „Vormischer“

11.09.2013

Wer an leckeren Kuchen denkt, dem kommt vielleicht zuerst Mutti in den Sinn - oder Dr. Oetker. Dort sorgt Artur Bogatzki in der Produktionsabteilung für köstliche Ergebnisse, wenn Hausfrau oder Hausmann „seine“ Backmischung daheim schließlich in den Ofen schiebt.

Was ist nochmal ein Vormischer? Eine Anlage, die einem Mischer vorgeschaltet ist. Genau. Doch im Inhouse-Sprachgebrauch bei Dr. Oetker bezeichnen alle einen Mann als „Vormischer“, der sich offensichtlich ganz wohl damit fühlt. Vorarbeiter Artur Bogatzki ist Experte für Backmischungen. Seit er 1987 seine Lehre als Fachkraft für Lebensmitteltechnik begonnen hat, ist er im Werk Oerlinghausen nahe Bielefeld tätig. Der Nordrhein-Westfale arbeitete nach seiner Ausbildung eine Zeit lang für das Labor, bis vor 14 Jahren eine Stelle als Vorarbeiter bei den Backmischungen frei wurde. Dort ist er bis heute geblieben. Das mag für passionierte Hobby-Bäcker nicht gerade nach Traumjob klingen. Bogatzki sagt ganz unkompliziert: „Ich bin da einfach reingekommen und es hat mir immer Spaß gemacht.“ Egal, ob in einer Backmischung eine Zutat fehlt, eine Maschine unplanmäßig steht oder Mehl falsch dosiert wurde, als erstes muss der Vorarbeiter ran. Bei Problemen koordiniert er die relevanten Abläufe und setzt sich mit dem Labor, der Abfüllabteilung oder der Produktionsleitung in Verbindung. Außerdem kontrolliert er die Reinigungsprotokolle und die dazugehörigen Abläufe und verbessert diese gegebenenfalls. Zu Bogatzkis Team gehören 18 Mitarbeiter; die meisten von ihnen haben eine Ausbildung als Bäcker genossen. Wie eine Backmischung hergestellt wird, ist leicht erklärt. „Wir lagern die Hauptzutaten Mehl und Zucker in vier Silos. Von da aus führen Leitungen in die Vorratsbehälter. Je nachdem was wir mischen möchten, rufen wir das entsprechende Rezept auf; die Waagen starten einen Automatikmodus und ziehen selbstständig alle benötigten Zutaten ein.“ Nur die „Handkomponenten“, wie Backpulver, Aromen, und Emulgatoren, fügen die Mitarbeiter per Hand hinzu.

Mischung ist nicht gleich Mischung

So einfach Backmischungen für den Verbraucher sind, so anspruchsvoll sind sie teilweise in der Herstellung. „Bei Mischungen wie den Wolken muss man sich schon konzentrieren, wegen der vielen Handkomponenten.“ Wolken, das sind besonders luftige und lockere Kuchen, die mit Sahne statt mit Butter zubereitet werden. „Aber es gibt auch andere Sorten, wo wir nur wenige Zutaten hinzufügen müssen und dann einmal im Kreis drehen“, schmunzelt Bogatzki. Zudem gibt es Mischungen, denen neben dem Backgrundteigpulver weitere Komponenten in Extrapäckchen beigelegt werden, wie Puderzucker oder Glasur. Der Puderzucker wird direkt bei Dr.Oetker gemacht, alle Schokoteile werden hingegen zugekauft. Wie viele verschiedene Backmischungen produziert werden, kann der Vorarbeiter nicht genau sagen, „aber um die 40 sind es bestimmt - oder sogar mehr.“Fragt man nach dem Trend in der Backbranche, antwortet Bogatzki wie aus der Pistole geschossen: „Schokolade“. Die neue Schoko-Range wurde letztes Jahr eingeführt: Choco Lava, Royal Chocolat und Chocolat Deluxe. Wem läuft bei diesen Produktbezeichnungen nicht das Wasser im Mund zusammen? Diese drei Küchlein basieren auf einem anderen Konzept als die herkömmlichen Backmischungen. „Ein normaler Kuchen hat viele Stücke und ist für mehrere Personen gedacht“, führt der Vorarbeiter aus. „Die Haushalte werden immer kleiner, in einer Singlewohnung ist eine klassische Kaffeetafel nicht mehr zeitgemäß. Die neuen Schokokuchen sind eher für die kleinere Runde gedacht.“ Man muss eben mit der Zeit gehen. Die Ideen für neue Backkreationen kommen zwar vom Produktentwicklungsteam, doch für die technische Umsetzung müssen die Produktionsexperten ran. Bogatzki: „Wir begleiten die neue Kreation nur vom Technischen her. Das heißt, wir arbeiten zusammen mit der Entwicklung aus, wie die Produktreihenfolge oder der zeitliche Ablauf aussehen soll.“ Bereits vor der ersten Produktion gibt es eine Vielzahl von Tests. In Marktforschungen wird festgestellt, ob das Produktkonzept bei den Verbrauchern ankommt. Nur dann wird die Idee weiter verfolgt. Auch in der Sensorikabteilung von Dr.Oetker werden zahlreiche Versuche durchgeführt. Doch Sensorik hat dort wenig mit Technik zu tun: Hier stehen Aspekte wie Geschmack, Geruch, Konsistenz und Optik im Vordergrund. Die Versuchsküche validiert die Zubereitungsanleitung, prüft also, wie die Zubereitung im normalen Haushalt funktioniert. Zu diesem Zweck gibt es dort etwa 50 Backöfen, zahlreiche Handrührgeräte und andere Utensilien wie in einer normalen Küche - nur eben mehr davon. In Reihenversuchen wird herausgefunden, ob die Backmischung auch mit fettarmer oder mit H-Milch funktioniert. „So wird garantiert, dass der Verbraucher den Kuchen auch wirklich zubereiten kann.“

Kuchenduft aus dem Betriebslabor

Ist die Idee soweit ausgereift, dass sie in eine erste Probeproduktion gehen kann, ist Bogatzki gefragt. „Etwa 1.000 Päckchen werden als Handelsmuster produziert. Diese Menge fahren wir auf den Anlagen in kleinster Dosierung. Schon in dieser Phase können wir Schlüsse ziehen, wie sich das Produkt verhält.“ Direkt nach der Herstellung prüft das Betriebslabor jede einzelne Mischung, um festzustellen, ob sie in Ordnung und damit auch die Gelinggarantie gegeben ist. Dazu wird jeweils eine Einheit, also die im Handel übliche Menge, ins Labor gebracht und dort gebacken. Wenn ein Fehler festgestellt wird, wird entschieden, wie mit der Mischung weiter zu verfahren ist. Bogatzki erklärt: „Wenn tatsächlich ein Fehler, etwa eine vergessene Handkomponente, vorliegt, sagt das Labor, wie wir damit zu verfahren haben. Ich koordiniere das dann.“ Kontinuierlich besser werden - eine Maxime auch bei Dr.Oetker? „Natürlich“, sagt Bogatzki. „Es wird immer wieder investiert, immer was verbessert. Vor einigen Jahren wurde zum Beispiel die ganze Anlage umgebaut und alles Mögliche modernisiert. Es sind große Filter dazu gekommen; nun ist die Arbeit weniger staubintensiv.“ Generell gibt es bei Dr.Oetker ein Ideenprogramm, das alle Bereiche betrifft. Merkt ein Mitarbeiter im Joballtag, dass bei einem der Arbeitsschritte Potenzial für eine Vereinfachung besteht, kann er diesen Vorschlag schriftlich einreichen. Zahlreiche Ideen werden auch umgesetzt. „Ein Hubwagen wurde beispielsweise entwickelt, der direkt eine Waage integriert hat, damit man sich einen Arbeitsschritt sparen kann“, berichtet Artur Bogatzki. Auf die stetige Entwicklung in seinem Unternehmen ist er auch persönlich sehr stolz: „Der Fortschritt, der hier stattgefunden hat und stattfindet, das ist eigentlich das, was ich mit Dr. Oetker verbinde.“Mit einem Lächeln erzählt der „Vormischer“: „Besonders spannend fand ich das Förderprogramm, das bis letztes Jahr lief. Dort ging es um persönliche Mitarbeiterführung. Das ist etwas, das man auch aus dem Arbeitsleben mit ins Private nimmt.“ Wünsche fürs Privatleben? Er bleibt bescheiden: „Was würde ich tun wenn ich unbegrenzt Zeit hätte? Die Frage hat sich noch nie gestellt.“ An eine große Reise wäre bei ihm jedenfalls nicht zu denken „Mit zwei kleinen Kindern fällt das dann doch schwer“, erklärt er. Dass Bogatzki nach all den Jahren immer noch so zufrieden mit seinem Beruf ist, liegt seiner Meinung nach an dem weit gefächerten Aufgabenspektrum. „Angefangen vom Labor über die Herstellungspläne, Überwachung der Förderanlagen oder die Begleitung neuer Produkte - das macht mir Spaß. Auch etwas Neues zu entdecken oder zu testen. Ab und zu klappt�??s nicht, aber deswegen gibt es eben Menschen hinter den Maschinen.“Bei all dem professionellen Umgang mit Backmischungen hat Bogatzki doch auch seine Lieblingsmischung: Marmorkuchen. „Der ganz klassische Marmorkuchen. Das ist meins. Und wenn man ehrlich ist, guckt man schon ein bisschen nach den Backmischungen, wenn man im Supermarkt ist.“ Er lacht verschmitzt. „Wenn die Leute dann wirklich eine von denen im Wagen haben, die wir im Prozess begleitet haben, denke ich mir: Kauft noch eine!“

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