Sein Siegeszug begann mit ersten Produktanwendungen in der Luftfahrt vor etwas mehr als 100 Jahren. Bei der Internationalen Luftfahrtausstellung 1909 in Frankfurt wurde die Magnesiumlegierung AZ mit Aluminium (Al) und Zink (Zn) thematisiert - begleitet von einem 75-PS-Adler-Luftschiffmotor mit einem Mg-Zylinderkurbelgehäuse. Es folgten Automobilanwendungen: In den 1930er Jahren geradezu sagenumwoben die Bleche des Bugatti Type „57 SC Atlantic“, charakteristisch mit den Fügesicken des Electron „Aerolithe“ (eine Mg-Legierung der IG Farben), und dann die Motor- und Getriebegehäuse für den VW-Käfer. Mehr als 20kg Magnesium war in jedem von Ferdinand Porsche konstruierten Fahrzeugen und es machte Volkswagen noch bis 1974 mit fast 50.000t im Jahr zum weltweit größten Magnesium-Gießer. Eine erste Magnesium-Renaissance brach sich in den 1990er Jahren Bahn. Die Anforderungen, Energie einzusparen und den Kraftstoffverbrauch zu senken, nahmen zu und die politischen Forderungen nach weniger CO 2-Emissionen pro gefahrenem Kilometer stiegen. So war es auch die Zeit der ersten „3-Liter-Autos“ (pro 100km). Bekanntlich sind drei von vier Terme der Fahrwiderstandsgleichung massedeterminiert und 100kg weniger Gewicht münden bei einem Mittelklasse-Fahrzeug in etwa 0,3l/100km geringeren Verbrauch. Viele Mg-Gussteile fanden ihren Weg in Serienfahrzeuge, allen voran Getriebegehäuse, meistens in AZ91. Die Gewichtsreduzierungen gegenüber dem schon leichten Aluminium betrugen bis zu 26 Prozent. Grenzen der Machbarkeit konnten mit dem ersten „1-Liter-Auto“ ausgetestet werden, sein Mg-Spaceframe mit großen Gussteilen in AM50 verhalf dem insgesamt 290kg leichten 2-Sitzer zum Rekord.
Leichtbau mit Magnesium
Beginnt nun eine weitere Magnesium-Renaissance? Das kann erwartet werden, denn die Forderungen nach reduzierten CO 2-Emissionen sind dominant geworden: 95g/km bis 2020. Dabei macht die Hybridisierung die Autos zunächst nicht leichter - und die erwartete Elektrifizierung erst recht nicht. Bei Energiedichten von 150 bis 200Wh/kg für die Li-Ionen-Batterie wird mit mehreren 100kg Akkumulator-Gewicht zu rechnen sein. Leichtbau ist somit angesagter denn je: denn es geht um Fahrdynamik und Reichweite. Im Stadtverkehr ist bei einer um 20 Prozent reduzierten Fahrzeugmasse eine Reichweitenerhöhung von rund 22 Prozent möglich; bei hohen Geschwindigkeiten (Artemis Motorway) etwa acht Prozent. Und es geht auch um Kosten! Im Vergleich zum Leichtbauwerkstoff CFK (Carbon-faserverstärkter Kunststoff), bei dem zunehmend die Hürden für eine kostenattraktive Fertigung in Großserie thematisiert werden, sticht Magnesium mit neuen Legierungs- und Verfahrensentwicklungen inzwischen in wettbewerbsfähige Regionen vor. Vergleicht man die Entwicklung von Al- und Mg-Legierungen, so fällt auf, dass nur eine Handvoll technisch gängiger Legierungen bei Mg in Gebrauch waren. Die wichtigsten Leistungsträger waren MgAlZn, MgAlSi, MgAlMn oder MgAlRE-Legierungen (Si = Silizium, Mn = Mangan, RE = seltene Erden). Neue Legierungsentwicklungen für Anwendungen bei erhöhten Temperaturen haben den Einsatzbereich erweitert, zum Beispiel mit den kriechfesteren MRI-Legierungen (MgAlMnCaRE; Ca =Calcium) oder der Sr-legierten (Sr = Strontium) fertigungstechnisch anspruchsvolleren AJ52. Neben den Innovationen für Gußlegierungen verfügt man inzwischen auch über solche für Strangpress-Profile oder Bleche. Walzen ist das eingeführte Verfahren für die Blechherstellung. Die Mikrostruktur der Mg-Bleche ist üblicherweise sehr fein, homogen und rekristallisiert. Diese Halbzeuge erlauben eine rationellere Herstellung der Halbzeuge in geeigneten Verfahren wie dem neuen Gießwalz-Prozess: Das Dünnband wird nach dem Erstarren der Schmelze zwischen den Walzen kontinuierlich zum Blech weitergefertigt.
Magnesium für neue Fahrzeugkonzepte
Würden alle gegenwärtig schon gezeigten Mg-Bauteile in einem virtuellen Fahrzeug zusammengefasst, käme man leicht auf 60 bis 90kg Bauteilgewicht. Was aber ist zu tun, um solche Anteile langfristig für eine Großserienproduktion zu erschließen?Der Stoffleichtbau allein bietet hier kaum noch Chancen. Vielmehr gilt es, Strategien der Teile- und der Funktionsintegration in neue konzeptionelle Lösungen zu integrieren und damit Kostenvorteile aufzutun. Die im Institut für Fahrzeugkonzepte in Stuttgart gewählte Entwicklungsmethodik zielt beispielsweise darauf ab, die Potenziale einer Bauweise bereits in einer frühen Konzeptphase abzuschätzen, ob und wo zum Beispiel eine Mg-Druckgussbauweise gegenüber einer Stahl-Schalenbauweise wettbewerbsfähig ist. Als Kriterien können etwa das Gewichtspotenzial, die gewichtsspezifischen Bauteilkosten von Anbauteilen oder verbindungstechnische Randbedingungen dienen. Weitere können aus dem Toleranzmanagement oder der Teilelogistik kommen. Mit Hilfe von Erfahrungswerten zu Leichtbaupotenzialen verschiedener Werkstoffe und der damit verbundenen Kosten wird ermittelt, welche Gewichtsreduzierung zu welchem Preis realisierbar ist. Dies schafft die Basis für eine Neukonzept-Entscheidung oder eine Konzept-Modifikation auf der Evolutions-Roadmap unterschiedlicher Bauweisen und ihrer Schlüsseltechnologien.
Beispiele für leichte Mg-Fahrzeugbauteile
Umgesetzt wurde diese Entwicklungsmethode am Beispiel eines hochintegrierten A-Säulenknotens, der pro Fahrzeugseite bis zu 20 Einzelteile der Referenzstruktur (Golf) in einem Bauteil zusammenfasst. Neben strukturellen Aufgaben in der Schweller- und Dachholm-Anbindung, einer integrierten Federbeinaufnahme, integriert dieses Bauteil auch Funktionen, die im klassischen Karosseriebau in Form von Einlegern akustische Resonanzräume abdichten. Das Referenzgewicht der Stahlschalenbauweise halbierte sich in diesem Strukturbereich von 22 auf 11kg in Mg-Druckgussbauweise. Als Stoff wird im Konzept die Legierung AM 50 verwendet, deren Dehngrenze zwischen 110 und 130MPa liegt. Die Bruchdehnung hängt stark von lokalen Wandstärken und Verarbeitungsparametern ab und liegt konservativ bei mindestens sieben Prozent. Ein weiteres Beispiel, die Potenziale von Mg-Bauteilen durch eine geeignete Bauweise optimal zu nutzen, zeigt die Federbeindomstruktur des EU-Projekts „SuperLightCar“. Dort ist nicht nur der Federbeindom, sondern auch der umliegende Strukturbereich methodisch auf Integrations- und Leichtbaupotenziale entwickelt worden, um dann 12 Stahl-Blechteile des Referenzfahrzeuges in einem Gussbauteil zu vereinen. Die gewählte Bauweise führt zu einer reduzierten Masse von 63 Prozent, was für das Gesamtfahrzeug einer Massereduktion von 9,4kg entspricht. Konzeptionell neu ist neben der intensiven Integration von Blechkleinteilen die Bauteil-Erstreckung in den crashbelasteten Bereich des vorderen oberen Längsträgers. Durch geeignete Bauteilgestaltung ist die Crashsicherheit gegenüber der Referenz sogar leicht gesteigert. Als Werkstoff kommt die Legierung AM50 zum Tragen, die gegenüber den Legierungsalternativen AZ91 und AM60 die höheren Bruchdehnungen aufweist. Das hohe Integrationspotenzial von Druckgussbauteilen empfiehlt sich im strukturellen Bereich für große, komplexe Zusammenbauten wie Vorderwagen, Türen oder Heckklappen. Die Fähigkeiten der Druckgießer, solche Bauteile dünnwandig und mit guten mechanischen Eigenschaften herzustellen, sind beträchtlich gewachsen. Beispiel dafür ist die Heckklappe des E-Klasse T-Modells. Das Mg-Innenteil aus AM50 (MC-21220) wiegt 7,4kg und die Gewichtseinsparung der Al/Mg-Bauweise gegenüber einer Stahlversion beläuft sich auf 5,3kg. Mg-gerecht versteift mit dünnen Stegen ist auch die Serienlösung eines Heckrahmens für den Audi R8. Bei Abmessungen von 860 x 460 x 132mm wiegt das Rohbauteil 1844g. Das aus AZ91 in Vakuumdruckguss hergestellte Bauteil spart Gewicht und Kosten gegenüber einer Profil- und Blechbauweise. Cockpit-Querträger haben sich im Allgemeinen für Premiumfahrzeuge und SUVs durchgesetzt, hier helfen Gusskonzepte, sehr herausfordernde Bauraumbedingungen zu meistern. Stetig mehr finden sich auch Front-End-Träger, die aus Magnesium dann besonders vorteilhaft sind, wenn neben der Montageträger- auch gleichzeitig Strukturfunktionen im Rohbau übernommen werden.
Herausforderung Kosten und Lebenszyklus
Beim oben beschriebenen A-Säulenknoten liegen die Mehrkosten pro eingespartem Kilogramm, ohne Berücksichtigung von vorteilhaften Montage- und Logistikeffekten, unterhalb von 3 Euro. Das ist ein sehr wettbewerbsfähiger Wert, auch wenn man bedenkt, dass Aufwände für notwendige Korrosionsschutzmaßnahmen bereits beinhaltet sind. Das Multimaterial-Konzept aus dem vorstehend erwähnten SLC-Projekt resultiert in Leichtbaukosten von weniger als 8 Euro/kg für eine Großserienfertigung der Golf-Referenz. Neben der Kostenforderung steht heute und in Zukunft das gesamte Produkt-Lebensdauerverhalten auf dem Prüfstein. Neue Bauweisen werden ohne vorteilhaftes Life Cycle Assessment (LCA) nicht mehr einzuführen sein. Bekanntlich sind dabei Herstellungs-, Nutzungsphase und Wiederverwendung zu unterscheiden und zu bilanzieren. Magnesium ist dabei im Vergleich zu anderen Werkstoffen im Vorteil, jedenfalls wenn die richtigen Verfahren zu seiner Herstellung und Prozessierung gewählt werden. Richtig in diesem Sinne heißt: energieeffiziente Verfahren und Energieträger, die auf erneuerbaren Quellen beruhen. Aus einer LCA-Studie für die IMA (International Magnesium Association) ist zu entnehmen, dass Aluminium- und Magnesium-Bauteile gegenüber einer Stahl-Referenz mit höheren Emissionswerten aus der Herstellung in die Nutzungsphase gehen. Die Leichtbaukomponenten erreichen jedoch einen „Break-Even-Point“ während der Nutzungsphase des Autos. Und Magnesium ist dann unschlagbar, wenn die Herstellung mit modernen Elektrolyseverfahren und zum Beispiel mit Wasserkraft und ohne Schutzgas SF6 prozessiert wird.
Weiterer FuE-Bedarf
Beim Verwenden von Blechen ist die schlechte Kaltverformbarkeit der im hdp-Gitter (hexagonal dichteste Packung) erstarrenden Mg-Legierungen eine Herausforderung. Jedoch können beginnend bei 220 bis 230°C zusätzliche Gleitebenen im Gitter aktiviert werden, was dann zu guter Verformbarkeit führt. Mit geeigneten Fügeverfahren, automatisierten Schweißverfahren lassen sich nun anspruchsvolle Blechbauweisen verwirklichen. Bei GM soll das Warmformverfahren zu formstabilen und steifen Bauteilen führen, entwickelt ist eine Mg-Innenversteifung für einen großen Kofferraumdeckel.
Literatur
[1] Friedrich, H.E. und Mordike, B.L. (Hrsg.): Magnesium Technology, Springer, Berlin (2006)
[2] Aghion, E. und Eliezer, D. (Hrsg.): Magnesium 2000, Proc. 2nd Israeli Int. Conf. on Magnesium Science and Technology, MRI Ltd., Beeh-Sheva (2000)
[3] Friedrich, H.E. und Beeh, E. und Kriescher, M.: Kostenattraktiver Leichtbau in der Vorderwagenstruktur, ATZ Produktion, Vieweg, Wiesbaden (2008)
[4] Kopp, G. und Beeh,E. und Goede, M. und Rafflenbeul, L. und Stehlin, M.: SuperLightCar - Leichtbau in der Fahrzeugkarosserie durch Multi-Material-Design, 9. Int. Stuttgarter Symposium, Stuttgart (2009)
[5] Ehrenberger, S.: Magnesium LCA, World. Conf. IMA, San Francisco (2012)