Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Ist der Auslöser des Streits eine zukunftsträchtige Technologie, ist jedoch eine gemeinsame Lösung ratsam. Die Unternehmen Knick und Endress+Hauser, die 2009 um ein Sensor-Stecksystem stritten, bei dem Messdaten und Speisespannung induktiv übertragen werden, haben sich deshalb für eine Partnerschaft entschieden. Beide Unternehmen hielten wichtige Patente für die Technologie. Um sie jedoch voranzubringen, einigten sich die Wettbewerber schließlich. Diese Einigung markierte den Durchbruch für das induktive Sensor-Stecksystem Memosens.
Kontaktlos und robust messen
Das System wurde entwickelt für pH- und Redox-Werte, Leitfähigkeit und Gelöstsauerstoff. Damit ist es für Branchen wie Chemie, Petrochemie, Pharma, aber auch für die Lebensmittel- und Getränkeindustrie geeignet. Die Intelligenz steckt dabei direkt im Sensor, wo digitale Messdaten gespeichert werden können. Im Gegensatz zu den Systemen anderer Hersteller ist Memosens nicht proprietär, sondern technologieoffen. Das kommt dem Wunsch vieler Kunden entgegen, zwischen verschiedenen Herstellern wählen zu können.
Zwar sind Protokoll und Anschluss normiert, im Sensorteil steckt aber Know-how von Knick. Für das Unternehmen ist die Technologie heute wichtiger denn je: „Memosens ist unser Treiber, rund 80 Prozent der Sensoren, die wir heute verkaufen, sind digital oder mit Memosens ausgestattet“, erklärt Dr. Dirk Steinmüller, Vice President Business Development bei Knick (siehe Interview auf Seite 12). Dennoch sei die Technologie bei vielen Kunden noch nicht bekannt. Dr. Steinmüller sieht darin aber eher einen Vorteil als ein Problem: „In diesem Fall hilft uns die kontaktlose Kupplung mit Bajonettverschluss, deren Vorteile unmittelbar einleuchten.“
Die Kontaktlosigkeit erlaubt eine perfekte galvanische Trennung. Da kein metallischer Kontakt vorhanden ist, müssen Kunden keine Korrosion fürchten. Auch Feuchtigkeit oder Schmutz, etwa in Applikationen wie in der Zuckerindustrie, beeinflussen das Messergebnis nicht. Auch wenn die
Memosens-Technologie rauen Umgebungsbedingungen trotzt, ist es Knick gelungen, die Standzeit der Glassensoren zu erhöhen, obwohl sich die eigentliche Sensortechnik nicht verändert hat. Als Grund führt Dr. Steinmüller eine veränderte Wartungsphilosophie an. Trat früher ein Problem am Sensor auf, wurde dieser meist vor Ort getauscht. Memosens erlaubt es den Kunden aber, die Sensoren im Labor vorzukalibrieren. Sie werden dort systematisch in idealer Lösung gelagert, was zu einer Regenerierung führt. Die Sensoren können anschließend wieder im Prozess eingesetzt werden. „Dies ist bereits prädiktives Vorgehen. Man wartet nicht, bis der Sensor am Wochenende oder in der Nachtschicht ausfällt, sondern tauscht regelmäßig vorgewartete Sensoren und braucht vor Ort auch keinen hochqualifizierten PAT-Ingenieur“, sagt Dr. Steinmüller.
Zwar schätzt er, dass Industrie 4.0 erst in einigen Jahren flächendeckend in der Prozessindustrie ankommen wird. Erste Ansätze in Richtung Predictive Maintenance sind aber mit der Vielzahl an Daten, die Memosens-Sensoren liefern, bereits jetzt möglich. „Wenn die Belastungsmatrix zeigt, dass der Sensor durch Temperatur oder pH-Wert stark belastet ist, können über den sogenannten adaptiven Kalibrier-Timer die Kalibrierintervalle verkürzt werden. Die Entscheidung überlassen wir aber dem Kunden“, führt Dr. Dirk Steinmüller ein Beispiel an. Noch wichtiger als Diagnostik ist seiner Meinung nach, dass ein Sensor zuverlässig funktioniert. „Den Sensorzustand kann man nur durch Kalibrieren beurteilen,“ erklärt er.
Aufschluss darüber geben Steilheit und Nullpunkt, die gemessen werden. „Online geht das leider noch nicht, das wäre ein Traum“, sagt der Vice President Business Development. Momentan muss der Sensor ausgebaut und in eine Pufferlösung gegeben werden. Mit dem Unical-System von Knick wäre es prinzipiell aber möglich, diesen Vorgang zu
automatisieren. Automatisiert oder manuell: Die Ermittlung des Sensorzustands ist wichtig, denn ein Sensor, der einwandfrei funktioniert, aber signalisiert, dass er verschlissen ist, verursacht unnötige Kosten. Muss dennoch ein Sensor ausgetauscht werden, bietet Memosens den Vorteil, dass nur der Sensor selbst erneuert werden muss, da Sensor, Kabel und Messumformer getrennt sind.
Die Geschichte geht weiter
Wie die Memosens-Technologie in fünf Jahren aussehen könnte, ist für Dr. Dirk Steinmüller schnell beantwortet: „Sehr ähnlich. Das Grundprinzip der Kontaktlosigkeit wird nicht angetastet.“ Auch der Sensor wird sich nicht wesentlich verändern. Dafür könnten neue Messparameter und Schnittstellen wie Profinet oder OPC UA hinzukommen. Zudem könnte
Prädiktion weiter an Bedeutung gewinnen. Auch auf der Messumformerseite plant Knick bis zur Achema 2018 einige Neuentwicklungen unter dem Memosens-Dach. Ketty Casonato, Product Manager Process Analytics bei Knick, erklärt: „Aus Platzgründen haben wir mit MemoRail eine kompakte Version des Messumformers entwickelt, an den ein oder zwei Sensoren angeschlossen werden können.“ Dieses System eignet
sich für die Hutschienenmontage mit Busausgang. Alle Ausgangssignale laufen in einer zentralen Leitstelle zusammen „Wir wollen damit mehr Kunden wie Anlagenbauer oder Systemintegratoren bedienen, bei denen Geräte mit Bedienfeld und Display nicht nötig sind“, sagt die Produktmanagerin.
Außerdem bringt Knick dieses Jahr den Kompakttransmitter MemoTrans auf den Markt, bei dem die Transmittertechnik deutlich miniaturisiert wurde. „Wir verzichten hier auf ein klassisches Gerät im Wand- oder Schalttafelgehäuse mit Display und Bedienfeld“, führt Casonato aus. Der Zweileiter-Transmitter speichert die messstellenspezifischen Parametrierdaten direkt und überträgt sie über das 4…20 mA/HART-Ausgangssignal ans Leitsystem. Die Daten lassen sich direkt über das Leitsystem oder bequem über Smartphones oder Tablets abrufen. Damit ergänzt Knick seine klassischen Transmitterbauformen. Geplant ist zudem die Verbindung von Vierleitertechnik und Bluetooth. „Damit wird es möglich, via App und Smartphone oder Tablet direkt mit den Geräten zu kommunizieren.“ Memsosens wird Knick also weiterhin
begleiten – ohne Streit, dafür mit viel Potenzial.