Verfahrenstechnik Durch dick und dünn

Bild: Ekato
06.02.2015

Rührreaktoren für hochviskose Medien finden ihren Einsatz in der Lebensmittel-, Pharma- und Chemieindustrie. Sie gelten als verfahrenstechnisch und mechanisch anspruchsvolle und schwer auszulegende Apparate. Die weit verbreiteten Ankerrührer sind hier nicht immer die richtige Lösung. Ein flexibles Rührsystem bietet viele Vorteile, wie zum Beispiel eine totzonenfreie Vermischung.

Ein optimal gestaltetes Reaktorsystem muss die vielen verfahrenstechnischen Anforderungen erfüllen, die sich aus dem jeweiligen Herstellprozess ergeben. In den meisten industriellen Anwendungen handelt es sich dabei um Aufgabenstellungen wie eine definierte Mischgüte zu erreichen, vorgegebene Heiz- und Kühlzeiten einzuhalten oder auch eine reproduzierbare Produktqualität zu erzielen. Auch das Produkt ausreichend zu entgasen oder einzelne Komponenten zu verdampfen, kann das Ziel sein. Anspruchsvolle Rühraufgaben ergeben sich, wenn man dünnflüssige Medien oder Feststoffe in die zähe Phase einmischen muss. Die bei hochviskosen Fluiden häufig zu beobachtenden Fließanomalien, wie zum Beispiel ausgeprägte Fließgrenzen, Strukturviskosität oder das Arbeiten über einen breiten Viskositätsbereich mit Übergängen zwischen turbulenter und laminarer Strömung erfordern geeignete Auslegungsmodelle.

Daneben muss man bei der Planung des Reaktorsystems sekundäre Anforderungen betrachten, die wesentlich durch die mechanische Gestaltung des Reaktorsystems beeinflusst werden: Investitions- und Betriebskosten, Restmengen, Verschmutzungsgrad und darauf abgestimmte Reinigungssysteme, aber auch Aspekte wie eine hohe Raum-Zeit-Ausbeute und gegebenenfalls eine breite Einsatzflexibilität in Mehrzweckanwendungen.

Bei der verfahrenstechnischen Auslegung steht das Rührwerk des Reaktors im Vordergrund: Rührsysteme, die wandfern in der Behältermitte arbeiten, können Fluide zwischen 20.000 und maximal 40.000 mPas in der Regel noch homogenisieren. Sie erreichen aber ihre Grenzen, wenn es um eine effiziente Wärmeübertragung zwischen der Behälterwand und dem Rührgut geht. Neben mangelnder Wärmeübertragung kommt es aufgrund geringer oder ganz fehlender Strömungsgeschwindigkeit an der Behälterwand im schlimmsten Fall zu Anbackung und Überhitzung des Produkts.

Überhitzen vermeiden

Wandnahe Rührsysteme sind daher stets die sichere Wahl des Verfahrensingenieurs, wenn zähfließende Produkte geheizt oder gekühlt werden. Im Spalt zwischen der Behälterwand und dem Rührorgan erzeugen wandgängige Rührsysteme ausreichende Scherung, die einen produktschonenden Wärmeübergang zwischen der Behälterwand und dem Rührgut ermöglicht. Das in Wandnähe erwärmte Produkt wird anschließend in wandferne Zonen gefördert, um eine möglichst homogene Temperaturverteilung des Reaktor­inhalts einzustellen.

Typische wandgängige Rührorgane wie Anker-, Rahmen- und Wendelrührer (Abb. S. 29) finden sich in fast allen industriellen Branchen und Anwendungen bei der Verarbeitung hochviskoser Produkte wieder. Der weit verbreitete Ankerrührer fördert das Produkt im laminaren Bereich allerdings nur kreisförmig entlang der Behälterwand und praktisch nicht in axialer Richtung. Dadurch kommt es zu sehr langen Misch- und Dosierzeiten für Zugabestoffe und einer ungenügenden axialen und radialen Durchmischung. Im hochviskosen Medium besser geeignet ist der Wendelrührer, dessen Mischeffizienz und Leistungseintrag aber im Übergangsbereich zu niedrigen Viskositäten deutlich sinkt. Im Übergang zu turbulenter Strömung versetzt der Wendelrührer den gesamten Behälterinhalt in Rotation. Die zuvor genannten Aspekte werden im betrieblichen Alltag oft übersehen und schaffen ein großes Potenzial für Optimierungen.

Ekato bietet mit dem Paravisc ein modular aufgebautes, flexibles Rührsystem für den Einsatz sowohl im turbulenten als auch im laminaren Strömungsbereich. Die wandgängigen schräg angestellten Hauptblätter des Paravisc erzeugen eine axial und tangential gerichtete Strömung im Wandbereich des Behälters. Je nach Anwendungsfall und Rühraufgabe kann der Paravisc in verschiedenen Richtungen fördern. Können die Hauptblätter das Produkt entlang der Behälterwand nach unten drücken, wird es am Behälterboden umgelenkt und fließt entlang der Rührwelle wieder zur Oberfläche hin fließt. So wird das gesamte Behältervolumen totzonenfrei durchströmt. Durch Umkehr der Drehrichtung fördert der Paravisc das Produkt entlang der Rührwelle nach unten, zum Beispiel zum schnellen Einziehen eines Feststoffs in ein hochviskoses Medium oder zum Austragen des Produkts aus dem Behälter. Die nach oben offene Bauweise des Paravisc erlaubt zudem den Einbau eines innenliegenden Stromstörers, der die Rotation des Rührguts bei niedrigviskosen Prozessschritten verhindert.

Wandabstreifer verbessern die Wärmeübertragung

Bei der mechanischen Gestaltung des Rührsystems sind wesentliche Parameter, wie zum Beispiel Volumen, Druck, Temperatur und auch der einzusetzende Werkstoff durch das Herstellverfahren fest vorgegeben. Eine Vielzahl weiterer mechanischer Gestaltungsparameter wird aber durch Ingenieure bei Ekato auf die Rühraufgabe hin optimiert: So hat zum Beispiel die Spaltbreite zwischen Rührorgan und der Behälterwand einen deutlichen Einfluss auf die Heiz- und Kühlzeiten. Zusätzliche Wandabstreifer verbessern die Wärmeübertragung nochmals deutlich. Derartige Ausführungen stellen jedoch hohe Anforderung an Behältertoleranzen und Antriebsleistung. Die damit verbundenen höheren Kosten sind somit sehr sorgsam gegen den verfahrenstechnischen Nutzen abzuwägen.

Die häufig anzutreffende Zugabe von Additiven auf die Produktoberfläche ist in der Regel ungünstig, führt zu langen Einmischzeiten oder zu produktschädlichen, lokalen Überkonzentrationen der dosierten Substanz. Die Zugabe erfolgt also besser über Einspeiserohre in eine Zone hoher Scherung unter dem Flüssigkeitsspiegel. Die mechanische Berechnung der notwendigen Einbauten wie Dosierlanzen und die genaue Lage des optimalen Dosierpunkts erfordern jedoch die Kenntnis der wirkenden hydraulischen Kräfte, der lokalen Scherung und auch des Strömungsprofils. Diese ergeben sich wiederum aus einer strömungstechnischen Berechnung. Ähnliches gilt für die geometrische Gestaltung und mechanische Berechnung eines innenliegenden Stromstörers.

Eine optimale Ausbeute kann man nur dann erzielen, wenn das Produkt auch möglichst vollständig aus dem Behälter ausgeräumt wird. Das ist bei hochviskosen Medien aber nur durch eine Zwangsförderung möglich und erfordert deshalb eine durchdachte Anpassung des Bodenankertyps an die Behälterbodengeometrie und das Fließverhalten des auszutragenden Produkts. Der optimal gestaltete Rührreaktor für hochviskose Medien ist somit stets das Ergebnis einer sorgfältigen Analyse der Anforderungen und bestens aufeinander abgestimmter verfahrenstechnischer und mechanischer Gestaltungsparameter.

Bildergalerie

  • Typisch wandgängige Rührorgane wie Ankerrührer (l.), Wendelrührer (m.) und der Ekato Paravisc.

    Typisch wandgängige Rührorgane wie Ankerrührer (l.), Wendelrührer (m.) und der Ekato Paravisc.

    Bild: Ekato

Firmen zu diesem Artikel
Verwandte Artikel