Bei der durch das Unglück von Fukushima beschleunigt vorangetriebenen Energiewende steht Deutschland als Vorreiter besonders auf dem Prüfstand, denn immerhin dient das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) bislang über 60Staaten als Vorbild. Zwar ist es hierzulande schick geworden, das Erreichen der gesetzten Ziele in Frage zu stellen, unbestreitbar jedoch zählt der Übergang zu einer nachhaltigen Energieversorgung angesichts des angestrebten Ressourcen-schonenden Wachstums zu den größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Das Vorhaben der Bundesregierung, das Versorgungssystem bis 2050 zu mindestens 60 Prozent auf regenerative Quellen umzustellen kann nur gelingen, wenn es intelligent als auch zuverlässig und sicher durchgeführt wird. Laut der Potenzialstudie „Erneuerbare Energien 2020“ soll bis in acht Jahren ein Anteil der erneuerbaren Energien am Endenergieverbrauch in Höhe von 28 Prozent bei vertretbarem Flächenbedarf erreichbar sein - deutlich mehr als das Ziel der Bundesregierung. Knapp die Hälfte des benötigten Stroms könnte mit erneuerbaren Energien gedeckt werden, bei der Wärmeversorgung 25 und bei der Mobilität 22 Prozent.
Den Verbrauch senken
Doch ob erneuerbare Energien, Ausbau der Übertragungs- und Verteilnetze, Smart Grid oder Elektromobilität: Grundvoraussetzung sind energieeffiziente Lösungen. Folglich versprechen sich die Hersteller von elektronischen Bauelementen und Geräten durchaus zu Recht ein kräftiges Wachstum von diesen Märkten. Im Energiepaket der Bundesregierung spielt Energieeffizienz sogar eine entscheidende Rolle: Bis 2020 will die Bundesregierung immerhin den Stromverbrauch im Vergleich zu 2008 um zehn Prozent mindern, der Primärenergieverbrauch soll um 20 Prozent sinken. In der Praxis wird das (bislang in der EU unverbindliche) 20-Prozent-Ziel indessen verfehlt. Bei den derzeitigen Maßnahmen sind lediglich 13 Prozent Energieeinsparung bis 2020 erreichbar. Der aktuelle Aktionsplan ist zu kompliziert, zudem geht im Förderwirrwarr der Ministerien der Überblick verloren. Während die Preise für die endlichen Energiequellen Öl, Erdgas und Kohle kontinuierlich ansteigen, stehen Sonne, Wind, Wasserkraft, Erdwärme und Bioenergie dauerhaft und zu langfristig kalkulierbaren Kosten zur Verfügung. In den letzten 15 Jahren sind erneuerbare Energien bereits um etwa die Hälfte günstiger geworden; bis 2020 strebt die Branche eine weitere Kostensenkung von 40 Prozent an. Wann die Schwelle der Rentabilität erreicht ist, hängt von höchst divergierenden Annahmen für die Kostenentwicklung der fossilen Energieversorgung ab.
Einsparungen in Milliardenhöhe
Bis 2030 wird die weltweite Stromerzeugung um zwei Drittel zunehmen und anderen Energieträgern Konkurrenz machen. Windräder, Solarparks und Blockheizkraftwerke werden die Rolle konventioneller (fossiler) Energieträger übernehmen. Da muss jedoch zunächst stark investiert werden; das Maximum der Ausgaben in Deutschland dürfte nach Meinung des Fraunhofer-Instituts im Jahre 2015 mit ungefähr 17 Milliarden Euro erreicht sein. Doch danach sinken die Kosten beträchtlich - zwischen 2010 und 2050 lassen sich allein bei Strom und Wärme Kosten von insgesamt 730 Milliarden Euro einsparen. Die Energieversorgung im Jahre 2050 muss auf einem breiten regenerativen Energiemix basieren. Aufgrund der geografischen Lage Deutschlands sind dabei die Potenziale der Biomasse und des Wasserstoffs mit 17 beziehungsweise 16 Prozent am höchsten, die der Wasserkraft mit nur einem Prozent am geringsten. Neben heimischen regenerativen Energien wird vermutlich auch der Import von preiswertem Solarstrom aus sonnenreichen Regionen zu einer sicheren und kostengünstigen Energieversorgung beitragen.
Ziele in Gefahr
Zwar sind die bisher installierten etwa 22.000 Windräder (mit einer Nennleistung von rund 28.000 MW) ein guter Anfang, doch gemeinsam mit Biomassekraftwerken, Solarstromanlagen und Wasserkraft werden derzeit erst rund 20 Prozent des in Deutschland erzeugten Stroms nachhaltig gewonnen. Damit ist man noch weit entfernt von den für das Jahr 2020 angepeilten 35 Prozent aus regenerativen Quellen, geschweige denn von einer Vollversorgung mit Ökostrom. Die Kosten für Windstrom sinken ständig. Außerdem sind immer mehr Windenergieanlagen steuerlich abgeschrieben und können günstigeren Strom erzeugen. Windenergie oder Wasserkraft sind in einer Vollkostenrechnung, die auch externe Kosten mit einbezieht, bereits heute häufig preiswerter als konventioneller Strom. Die externen Kosten und Folgen des Klimawandels oder der Schadstoffemission werden bisher in den Kosten für Strom aus fossilen Energieträgern nicht abgebildet.
Hoffnung für Photovoltaik
Bei der Solartechnologie dominiert die Photovoltaik (PV) mit 95 Prozent Marktanteil; sie verspricht ein weiteres großes Kostenreduktionspotenzial von mehr als 50 Prozent innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre, ist aber derzeit noch viel teurer als fossile Energien. Bislang sind die Preise allerdings stetig gesunken, nicht zuletzt infolge ständiger Verbesserung des Wirkungsgrads. 2011 hatten Förderungskürzungen zwar eine deutliche Abkühlung zur Folge, doch werden weiterhin Wachstumsraten von jährlich 5 bis 15 Prozent erwartet. Deutschland führt den weltweiten PV-Markt 2011 (36,3 Milliarden US-Dollar 2010) an, vor Italien, den USA und China (deren prozentualer Anteil von 2004 zu 2010 von 7 auf 45 anstieg).
Netze müssen intelligenter werden
Mit dem Ausbau der regenerativen und dezentralen Stromproduktion nehmen künftig Leistungsschwankungen im Stromnetz zu. Verbraucher und Erzeuger müssen in den Netzen mehr und intelligenter kommunizieren. Deshalb werden Technologien für intelligente und robuste Versorgungsnetze entwickelt. Dem Stromnetz steht ein gigantischer Ausbau bevor, der von der Stromerzeugung und dem Transport durch Hochspannungsleitungen bis zur Photovoltaikanlage auf dem Terrassendach reichen wird. Windräder an der Küste und Solarstromanlagen in Süddeutschland erfordern den Aus- und Umbau des deutschen Übertragungsnetzes - eine große technische Herausforderung. Ein Überschuss an Stromerzeugungsleistung von mehr als 2.500 MW ist vor allem im Norden festzustellen, Bedarf an zusätzlicher Stromleistung besteht in der Mitte und im Süden, und der Netzausbau infolge nicht übertragbarer Leistungen zwischen den Regionengrenzen ist außer im unteren Süden überall erforderlich.
Mammut-Projekt Netzausbau
Die großen Netzbetreiber planen drei milliardenschwere, hochmoderne Stromautobahnen. Immer größere Mengen Strom müssen jetzt über weite Strecken transportiert werden. Dafür ist HGÜ (Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung) am besten geeignet. Wegen der Kosten für die Umrichter lohnt sich HGÜ an Land aber erst ab einer Strecke von rund 600Kilometern. Unter Wasser gelten andere Zahlen, Hochseewindparks werden deshalb per bereits per HGÜ verbunden. Die Umsetzung des Energiewirtschaftsgesetzes EnWG, der Ruf nach Energieeinsparung und Energieeffizienz wie auch der Atomausstieg und der verstärkte Einsatz von erneuerbaren Energien haben weitreichende Änderungen beim Betrieb der Stromnetze zur Folge. Im Mittelpunkt steht dabei die intelligente Vernetzung von Erzeugern, Speichern und Verbrauchern in so genannten intelligenten Stromnetzen oder Smart Grids. Sie optimal zu nutzen, setzt aber nicht nur intelligente Zähler voraus (bis 2020, fordert die EU, müssen vier von fünf Haushalten mit einem Smart Meter ausgestattet sein), sondern auch fernsteuerbare Haushaltsgeräte und Smart Homes.