Zusammenhang von nematischer Ordnung und Supraleitern Erforschung von unkonventionellen Supraleitern

Anna Böhmer hat an der RUB die Professur für experimentelle Festkörperphysik inne.

Bild: RUB, Marquard
19.04.2022

In manchen Materialien nehmen Elektronen einen ungewöhnlichen Zustand ein, die sogenannte nematische Ordnung. Dieses erst kürzlich entdeckte Verhalten haben Forscher mittlerweile in mehreren Supraleitern beschrieben. Bislang mangelt es jedoch an hochauflösenden Methoden, um solche nematischen Supraleiter erforschen zu können. Das könnte sich nun ändern.

Sowohl Supraleitung als auch nematische Ordnung basieren auf besonderen Elektronenzuständen. In Supraleitern tun sich Elektronen zu speziellen Paaren zusammen, was dazu führt, dass der elektrische Widerstand vollständig verschwindet. Bei der nematischen Ordnung verlieren die Elektronen ihre Kugelsymmetrie und bevorzugen eine bestimmte Orientierung.

„Das Phänomen der Supraleitung ist seit 100 Jahren bekannt, aber trotzdem sind viele Aspekte immer noch rätselhaft“, sagt Anna Böhmer, Experimentalphysikerin an der Ruhr-Universität Bochum. Noch rätselhafter ist für Forscher die Kombination aus Supraleitung und nematischer Ordnung: Warum treten nematische Ordnung und unkonventionelle Supraleitung oft zusammen auf? Gibt es einen gemeinsamen Mechanismus, der sowohl nematische Ordnung als auch Supraleitung hervorruft?

Geeignete Methoden fehlen

Noch fehlt es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern an Verfahren, um nematische Supraleitung erforschen zu können. Dabei könnten elastische Eigenschaften helfen. Denn ein Material, das kurz vor dem Übergang in die nematische Phase steht, lässt sich besonders leicht in der nematischen Richtung dehnen. Die mechanische Steifigkeit bietet also eine Möglichkeit, die Tendenz zu nematischer Ordnung auszumessen.

Klassische Dehnungsmessungen haben jedoch eine zu geringe Auflösung für diesen Zweck. Andere Verfahren, die auf Messungen der Schallgeschwindigkeit basieren, sind für die Materialien nicht geeignet, weil die Proben oft zu klein oder nicht perfekt genug sind.

Im Rahmen ihres Grants verfolgt Anna Böhmer daher einen neuen Ansatz. Sie möchte die elastische Verformung mit der sogenannten kapazitativen Dilatometrie bestimmen. Diese hat eine besonders hohe Auflösung. „Wir können damit erkennen, wenn sich eine drei Millimeter lange Probe um Bruchteile von Ångström verändert“, erklärt Böhmer. „Das ist so, als ob das höchste Gebäude der Welt von 830 m Höhe um die Dicke eines Spinnwebefadens kleiner werden würde.“

Zwei Supraleiter im Blick

Böhmer plant mit ihrem Team zwei verschiedene Materialklassen zu untersuchen, in denen nematische Ordnung und Supraleitung wechselwirken. Auch von neuartigen Supraleitern möchte die Gruppe die nematischen Eigenschaften bestimmen.

„Damit werden wir neue Einsichten in das jahrzehntealte Gebiet der unkonventionellen Supraleitung gewinnen“, sagt Böhmer. Der experimentelle Ansatz, den die Forscherin erprobt, soll sich aber auch auf andere Fragen der experimentellen Festkörperphysik und der Materialwissenschaften übertragen lassen.

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