Ein hoher Kostendruck und der Wunsch nach Variantenvielfalt äußern sich als beachtliche Anforderungen an ein Produktionssystem: Es muss in der gleichen Zeit zunehmend mehr zu geringeren Kosten produziert werden. Wer wettbewerbsfähig sein möchte, muss seine Produktivität sukzessive steigern. Dazu sind häufig nur noch Systeme imstande, die aus intelligenten Maschinen bestehen, welche echtzeitnah kommunizieren. So können etwa kurzfristige Änderungen am Produktionsprogramm oder der Maschinenbelegung durchgeführt werden. Allerdings fehlt es den meisten Unternehmen an einer zielgerichteten Umsetzung.
Auch bei der Produktionssteuerung sind Änderungen notwendig. Mit Vernetzung, Automatisierung und Data-Analytics können herkömmliche Konzepte neu ausgerichtet werden. Künstliche neuronale Netze und cyberphysische Systeme erzeugen aufgrund höherer Datenverfügbarkeit eine neue Form der Transparenz, da künftige Situationen, wie Störungen und Engpässe, anhand von identifizierten Wirkzusammenhängen prognostiziert werden. Das Produktionssystem kann so angepasst werden, dass Fehler eigenständig gelöst werden. Sensoren erkennen kleinste Abweichungen und können Gegenmaßnahmen einleiten. So wird aus einer Produktionssteuerung eine Produktionsregelung.
In der klassischen Produktionssteuerung führt ein direkter Weg zur Problemlösung. So werden in der Praxis etwa Sicherheitsbestände vorgehalten, um Nachfragen möglichst gut zu bedienen und den Servicegrad hochzuhalten. Die fehlende Datenbasis führt zu relativ hohen Kosten, ist aber eine einfache und schnelle Planungsmöglichkeit.
Die Produktionsregelung der Zukunft sieht anders aus: Es wird nicht der direkte Weg genommen. Durch Sensorik und eine hochauflösende Datengenerierung kann das Produktionssystem selbständig situationsgerecht verschiedene Wege nutzen. Etwa bei der Maschinenbelegung: Es kann zweckmäßig sein, bestimmte Reihenfolgen zu ändern, um Maschinen besser auszulasten. Produkte können unterschiedlich eingeplant werden, und das System wählt selbständig die effizientesten Varianten aus.
Smart Data regeln die Produktion
Die Produktion von morgen wird aus dezentralen, autonomen Einheiten bestehen, die miteinander Informationen austauschen. So kann der aktuelle Zustand in immer geringeren Intervallen mit dem gewünschten Zustand verglichen werden. Abweichungen können rechtzeitig erkannt und behoben werden. Das ist nur möglich, wenn hochauflösende und echtzeitnahe Daten (Smart Data) verwendet werden. Bestehende betriebliche Anwendungssysteme sind meist noch nicht in der Lage, solche Datenmengen ganzheitlich zu verarbeiten und bedarfsgerecht zur Verfügung zu stellen. Bisher bieten vereinzelte Anwendungssysteme wie ME-Systeme einige Lösungsansätze, die jedoch nur einen Teilausschnitt betreffen. Für die künftige Produktionsregelung müssen diese Systeme weiterentwickelt und synchronisiert werden.
Industrie-4.0-Technologien können nicht von heute auf morgen vollumfänglich umgesetzt und in herkömmliche Produktionssteuerungen integriert werden. Es sind viele Schritte nötig, um zum voll digitalisierten und automatisierten Produktionssystem zu gelangen. Eine Digitalisierung der Produktion, ohne Reaktion auf Störungen und Abweichungen, ist keine Produktionsregelung im Sinne von Industrie 4.0. Die erforderlichen Schritte führen über eine transparente und prognosefähige Produktion zu einer regelungsfähigen und selbstlernenden Produktion.
Digitaler Schatten als Basis für Data Analytics
Ein erster Schritt ist die Schaffung von Transparenz innerhalb des Produktionssystems. Dies ist vor allem durch die Erfassung aller relevanten Daten wie Maschinen-, Positions- und Nachfragedaten, Ausfällen von Personal und Maschinen, Verkaufszahlen und Rückständen von Lieferanten zu bewerkstelligen. Diese Daten haben Einfluss auf die Produktion und unterstützen die Generierung eines möglichst genauen Abbildes. Der sogenannte digitale Schatten bildet die Grundlage, um echtzeitnah auf Abweichungen und Störungen zu reagieren und sie auszuregeln. Wichtig ist, dass Daten unternehmensweit aus verschiedenen Quellen erfasst werden, um ihre Plausibilität zu gewährleisten. So können eine hohe Genauigkeit garantiert und Messfehler ausgeschlossen beziehungsweise auf ein Mindestmaß reduziert werden.
Wurde durch den digitalen Schatten eine hochauflösende Datenbasis generiert, kann diese auf bestimmte Muster analysiert werden. Dadurch kann möglichen Fehlern präventiv durch Warnhinweise in Audio- oder Textform an den Maschinen oder durch Push-Nachrichten an mobile Geräte entgegengewirkt werden. Durch ein prognosefähiges System können Unregelmäßigkeiten nahezu in Echtzeit ausgeglichen werden, bevor sie zu Störungen werden.
Der dritte Schritt führt zu einer regelungsfähigen Produktion. Ein großes Problem ist dabei, dass durch zunehmende Marktdynamik, kürzere Reaktionszeiten und steigenden Kostendruck Entscheidungen immer schneller getroffen werden müssen. Bisher eingesetzte Planungs- und Steuerungslogiken können diesen Herausforderungen nicht mehr gerecht werden, da oft mit veralteten Stammdaten gearbeitet wird.
Für eine regelungsfähige Produktion müssen also Entscheidungen in Echtzeit getroffen werden. So können Änderungen an der laufenden Produktion umgesetzt werden. Letztendlich wird ein ständiger Soll-Ist-Vergleich durchgeführt, um zu überprüfen, ob die gemessenen Werte in bestimmten Sollwertkorridoren liegen und das gewünschte Produktionsergebnis noch möglich ist. Gibt es Abweichungen, entscheidet das System eigenständig, welche Korrekturmaßnahmen einzuleiten sind. Dies kann etwa die Kühlung von Maschinen betreffen. Wird eine Maschine zu heiß, würde sie eigenständig mehr Kühlflüssigkeit in das System leiten.
Selbstlernende Produktionsregelung
Die letzte Stufe einer Produktionsregelung im Sinne von Industrie 4.0 ist erreicht, wenn die Ursachen für Abweichungen nachhaltig eliminiert werden und das Produktionssystem seine Leistung dynamisch und autonom an den optimalen Betriebspunkt angleicht. Selbstlernend ist die Produktionsregelung dann, wenn die Anpassungen von Sollwerten und Zielsystemen dynamisch erfolgen. Tritt ein Ereignis ein, das es so vorher nicht gab, wird anhand älterer Fälle entschieden, wie reagiert werden muss.
Der Weg hin zur Produktionsregelung von morgen kann also nicht auf einmal getätigt werden. Unternehmen müssen sich im Klaren sein, welche Stufen bewältigt werden müssen und wie ihre Infrastruktur angepasst werden muss. Erst wenn alle Schritte umgesetzt wurden und Daten in Echtzeit erfasst und verarbeitet werden, lässt sich das volle Potenzial erschließen und die Produktionsregelung mit all ihren Vorteilen nutzen. Das FIR an der RWTH Aachen unterstützt in gemeinsamen Projekten Unternehmen auf dem Weg zur Umsetzung von I4.0-Potenzialen und bei der Erreichung einer Produktionsregelung.