Fast 40 Prozent des Energieverbrauchs in Deutschland entfallen laut Bundeswirtschaftsministerium auf den Gebäudesektor. Einsparpotenzial bieten hier nicht nur Maßnahmen wie Wärmedämmung oder Energiesparfenster, sondern auch die Gebäudetechnik.
Ist sie auf dem neuesten Stand, leistet sie einen entscheidenden Beitrag zum wirtschaftlichen und umweltschonenden Betrieb eines Gebäudes. Das Fallbeispiel des Funkhaus-Neubaus von „Radio Bremen“ zeigt, was das in der Praxis bedeutet. Seit 2007 wird das gebäudetechnische Konzept dort kontinuierlich weiterentwickelt.
Moderne Technik für traditionsreichen Sender
Der gläserne Neubau im Stephaniviertel im Bremer Stadtzentrum ist eines der modernsten Funkhäuser in Europa. Das spiegelt sich neben der Medientechnik für Funk, Fernsehen und Internet auch in der Gebäudetechnik wider: Im Neubau wurden moderne Technologien wie Brennwertkessel, Quantum-Kältemaschinen, Brunnenkühlung, Betonkernaktivierung und Wärmerückgewinnung implementiert.
Die Anlagen werden über das Gebäudeautomationssystem Desigo von Siemens bedarfsgerecht geregelt und können sowohl von Arbeitsplätzen im Haus als auch per Online-Fernzugriff gesteuert werden. Die Mess-, Steuer-, und Regeltechnik ist auf die Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik (HLK-Technik) abgestimmt. Mit mehreren tausend Datenpunkten wurde zusätzlich auch die Basis für den Aufbau eines umfangreichen Monitoringsystems zur Absicherung eines energieeffizienten Betriebs geschaffen.
Durch das zusätzlich integrierte Zählkonzept ist außerdem die Transparenz für weitere effizienzsteigernde Maßnahmen sichergestellt. Im Energiemonitoring und -Controlling (EMC) laufen diese Werte und Zählerdaten zusammen und können zu aussagefähigen Berichten über Energieverbrauch, Kosten und Emissionen verarbeitet werden. So werden Energiesparerfolge dokumentiert und weitere Optimierungspotenziale deutlich.
Energieeffizienz-Potenziale ausschöpfen
Obwohl das neue Funkhaus an der Weser auch beim Thema Energieeffizienz auf dem neuesten Stand der Technik ist, bietet es Möglichkeiten, Potenziale weiter auszuschöpfen.
Das gilt vor allem in Hinblick auf wechselnde Nutzungen: Die Gebäude sind sehr dynamisch. So wird beispielsweise die Produktionstechnik der TV-Studios umgestaltet, oder der Pächter des Restaurants benötigt ein anderes Anforderungsprofil an das Klimatisierungsverfahren. Mit dem Gebäudeautomationssystem kann der Gebäudebetreiber diese Dynamik abbilden und neue HLK-Messpunkte in die Steuerung einbinden.
Das EMC unterstützt dabei, tagesaktuell den Ist- und Sollzustand der Anlagen auszuwerten. Die Gebäudemanager können mit dem EMC-Tool selbst Reports generieren – etwa zum Strom- und Gasverbrauch der letzen Tage, Wochen und Monate. Auf dieser Grundlage lassen sich Maßnahmen zur weiteren Steigerung der Energieeffizienz erarbeiten. Beispiel dafür sind die Anpassung der Solltemperaturen an den Bedarf, eine veränderte Einstellung von Luftklappen oder ein angepasster Regelalgorithmus. Durch die kontinuierliche Optimierung mit Hilfe von EMC konnte beispielsweise der Gasverbrauch im Jahr 2009 im Vergleich zum Vorjahr um 14 Prozent gesenkt werden.
Kühlen mit Wänden und Boden
Einen wesentlichen Beitrag zur Effizienz bei der Energieerzeugung und -verteilung leisten besonders drei Maßnahmen: die Betonkernaktivierung, die Brunnenkühlung und der Einbau einer Wärmepumpe. Die Betonkernaktivierung wurde bereits in der Bauphase des Neubaus integriert. Hierfür sind in Gebäudeelementen Rohre verlegt, durch die Wasser fließt. Dadurch können Decken oder Wände Energie speichern und Räume kühlen oder heizen.
Die Betonkernaktivierung gilt im Vergleich zu herkömmlichen Heizsystemen als besonders kosten- und energieeffizient, da sie nicht nur zur Unterstützung der vorhandenen Heizkörperflächen dient, sondern auch ein Einsparpotenzial bei Heizkörpern erzielt.
Als alternative Kühl- und Wärmequelle nutzt der Sender eine Brunnenkühlung. Über vier Brunnen wird 16 Grad Celsius kühles Grundwasser mit Hilfe von Wärmetauschern in das Gebäude geleitet. Das Wasser wird mit seinen thermischen Eigenschaften beispielsweise zur Kühlung der zentralen Geräte- und Technikräume genutzt.
Im Sommer wird es außerdem zur Unterstützung der Vorkühlung und im Winter zur Erwärmung der Außenluft für das Lüftungssystem eingesetzt. So wird beispielsweise im Sommer über die Deckenkühler im Raum die Wärme der Raumluft an das Wasser abgegeben und durch das Kühlverfahren der Brunnenkühlung abgeführt. Eine energieintensive Klimatisierung ist deshalb meist nicht notwendig.
Die Mischung macht‘s
Eine effektive Maßnahme ist gerade im Winter die Kombination von Wärmerückgewinnung und Brunnenkühlung: Die angesaugte kalte Außenluft wird mit Brunnenwassertemperatur angewärmt und führt so ohne höheren Energieaufwand zu einer erhöhten Zuluft-Temperatur in der Raumlufttechnik. Es muss dann nur noch die Differenz zur gewünschten Zuluft-Temperatur mechanisch nachbeheizt werden.
Das erwärmte oder weiter gekühlte Wasser wird anschließend ohne Belastungen für die Umwelt über Wärmetauscher in die Weser zurück geleitet, die nur wenige Meter entfernt vom Funkhaus fließt. Durch diese natürliche Quelle für Kühlung und Wärme kann der Sender Kosten für Strom und Gas sparen.
Wärmepumpe bringt zusätzlich Einsparungen
Der Einbau einer Wärmepumpe wurde im Sommer 2014 abgeschlossen. Die neue Wärmepumpe hilft dabei, Wärme und Kälte gleichzeitig bedarfsgerecht und ohne Verluste im Stephani-Haus zu verteilen. Eine Wärmepumpe erzeugt parallel Wärme und Kälte. Bei vielen Anwendungen wird jedoch nur die Wärme verwendet und die Kälte ungenutzt an die Umwelt (Grundwasser oder Außenluft) abgegeben.
Bei der Lösung für Radio Bremen nutzt die Wärmepumpe gleichzeitig die Wärme für die Beheizung der Büroräume und die Kälte für die Kühlung der Serverräume. Zusätzlich wird dadurch die Abschaltung der Hauptkälteanlage über die Wintermonate möglich, um so die Brunnentechnik zu schonen und Energie zu sparen. Auch hier kann durch das EMC die technische Veränderung und die daraus resultierende Energieeffizienz abgebildet und ausgewertet werden.