Was bedeutet Produktionsplanung eigentlich? Es ist davon auszugehen, dass in den meisten Unternehmensbereichen von Industrieunternehmen Planungen stattfinden, deren Ergebnis Einfluss auf die Produktionsausführung in den Werken findet.
Das Vorgehen und die dahinterliegenden Prozesse unterscheiden sich dabei deutlich: Angefangen von einer Grobplanung, die sich zu aller erst einmal hauptsächlich auf Finanzkennzahlen und Umsätze der einzelnen Produktgruppen bezieht bis hin zur konkreten Feinplanung und Einplanung einer ganz konkreten Maschine in der nächsten Schicht mit einen tatsächlich verfügbaren Werker und seinen Werkzeugen.
Planungsarchitektur
Jeder Planungsprozess wird von einem oder mehreren Systemen, Tools oder auch nur Excel-Tabellen unterstützt. Um die passende Software für einen konkreten Planungsprozess zu finden, bietet es sich an, das Unternehmen in seine Prozess-Architektur zu zerlegen.
Feinplanungs-Tools, wie beispielsweise das Production Planning & Detailed Scheduling (PP/DS) des Advanced Planning & Optimization (APO), befinden sich zwar nicht direkt im ERP-System, sondern müssen über eine eigene Schnittstelle (hier: die Standardschnittstelle Core Interface, CIF) erst angebunden werden. Darüber kann dann auf die für die Feinplanung wichtigen Daten, wie etwa Termine oder auch Stücklisteninformationen, zugegriffen werden. Dadurch werden Änderungen, welche direkt im ERP-System erfasst werden, direkt auch an das Feinplanungstool gemeldet.
So wird dieses etwa einen Alarm auslösen, wenn sich ein Kunde sein Wunschlieferdatum nach vorne zieht. Über ein eigenes Regelwerk in dem Feinplanungstool, was beispielsweise Heuristiken zur Rüstoptimierung oder auch der Losgrößenplanung beinhaltet, kann dann automatisch auf die Veränderung im ERP-System reagiert werden.
Ein Ergebnis könnte dann beispielsweise sein, dass eine Verschiebung des Auftrags nach vorne nicht möglich ist, weil dann die Produktionskampagne eines Vorproduktes ineffizient verändert werden müsste. Da diese Form der Planung Informationen und Daten verschiedener Unternehmensbereiche, beispielsweise dem Vertrieb, der Lagerhaltung und dem Einkauf verbindet, spricht man auch von einer horizontalen Integration.
Fein- und Einplanung
Einen Einblick auf die tatsächliche und gegenwärtige Situation im Werk selbst, mit all seinen Maschinen und Mitarbeitern, Werkzeugen und Beständen in den Produktionsbereichen, hat das Feinplanungs-Tool in der Regel nicht. Eine vertikale Integration hinein in den sogenannten Shopfloor besteht nicht, was nicht als Schwäche des Systems verstanden werden sollte, sondern vielmehr dem System-Design entspricht.
In diesem produktionsnahen Bereich kommen Einplanungs- oder Schichtplanungstools, wie beispielsweise die SAP-Lösung REO (Resource Orchestration) zum Einsatz. Diese Tools stehen mit den Machine Execution Systemen (MES) im direkten und ständigen Austausch und bekommen von dort automatisierte Informationen von den Maschinen selbst.
So kann beispielsweise die produzierte Menge gemeldet werden, genauso wie Zeiten und die Anzahl an Fehlteilen. Künstliche Intelligenz kann über Geräusche oder Fehlermuster erkennen, dass die Maschine selbst in ein Problem hineinläuft und diese Information an das MES – und damit auch an das Einplanungstool – senden.
Waren die Feinplanungs-Tools immer dann stark, wenn es um die horizontale Integration zwischen den Unternehmensbereichen ging, so spielen die Einplanungstool ihren Vorteil dann aus, wenn es um die vertikale Integration bis zur Maschinenebene geht: Welche Maschine läuft gerade ausgelastet und welche hat freie Kapazitäten, weil ein vorhergehender Auftrag ausgefallen ist? Welche Anlage wiederum steht gerade unerwartet, weil ein Techniker ein Softwareupdate einspielen muss? Welcher Mitarbeiter hat sich gerade krankgemeldet? Und welche Aufträge mit einer hohen Priorität wurden gerade eben im ERP-System für die Fertigung freigegeben?
Gefahr erkannt – Gefahr gebannt
Die Kenntnis welches Planungs-Tool für welche Planung das richtige ist und wie diese zusammenspielen, ist die eine Sache, doch wie wird diese Kenntnis dann auch nutzbar gemacht?
Oftmals stehen für eine derartige Implementierung langfristige und komplexe Einführungsprojekte auf dem Plan. Implementierungsprojekte wiederum bergen aber durchaus auch ein Projektrisiko, das Einführungen scheitern, weil entweder die Funktion doch nicht passt beziehungsweise die Anwendung von der Belegschaft schlichtweg nicht akzeptiert wird oder technische Schnittstellen fehleranfällig sind.
Doch hier haben zumindest Einplanungstool einen entscheidenden Vorteil, gerade gegenüber den Feinplanungstools: Sie befinden sich am Rand der Systemlandschaft und architektonisch nicht im Zentrum der hochintegrierten ERP-Prozesse. Daher bietet sich für Einplanungstools die Einführung einer Cloud-Lösung an, wie sie beispielsweise für das erwähnte SAP REO angeboten wird.
Damit werden Planungsprozesse und Systemlandschaft in erster Linie nur ergänzt und erweitert. Die bestehenden Prozesse dabei aber nicht berührt.
Die Einführung einer solchen Einplanungslösung stellt daher kaum ein Projektrisiko dar: Alle Prozesse würden auch dann noch wie gewohnt laufen, wenn die Lösung nicht genutzt wird. Wird sie aber genutzt, können hohe Optimierungspotentiale auf dem Kurzfristhorizont der Produktionsplanung gehoben werden: Weniger ungeplante Stillstände, weil Maschinen ohne Auftrag dastehen oder ein Mitarbeiter mit seinem Werkzeug oder seinen Qualifizierung fehlt.
Vor allem eine Cloud-Lösung bietet hier noch weitere Vorteile: Ein Cloud-System muss nicht installiert, gewartet und gepatcht werden. Es ist ein Service, eine Dienstleistung, deren Wartung der Anbieter für seine Kunden übernimmt und der Funktionsumfang kontinuierlich zunimmt. Somit deutlich weniger Hürden, genau jetzt zu starten.
Trebing & Himstedt ist Partner beim INDUSTRY.forward Summit 2022 am 02. Juni in Berlin.