Smart Traffic & Mobility Schneller ans Ziel


Freie Fahrt: In Zukunft sollen genaue Verkehrs-Vorhersagen Staus minimieren.

06.02.2013

Zur Rush Hour in der Stadt unterwegs? Das macht keinen Spaß. Eine Echtzeit-Verkehrsvorher­sage prognostiziert Verkehrsaufkommen und Fahrtgeschwindigkeiten bis zu vier Stunden im Voraus. So können Städte rechtzeitig reagieren - etwa durch gezielte Ampelschaltungen.

Mehr als jeder zweite Mensch weltweit lebt heute bereits in der Stadt oder in Ballungsgebieten. In der Bundesrepublik sind es - dem Portal "Tatsachen über Deutschland" zufolge - sogar schon ganze 89 Prozent. Auch die Pkw-Dichte nimmt kontinuierlich zu - eine große Herausforderung für die Verkehrsinfrastrukturen. Eine Lösung kann die Echtzeit-Vorhersage zur Verkehrsentwicklung sein, die Städte dabei unterstützt, Verkehrsbehinderungen auf ein Minimum zu reduzieren. An einem so genannten Real Time Traffic Forecast (RTTF) arbeiten Experten des Forschungsinstituts C-Lab, einer Public Private Partnership des IT-Dienstleisters Atos und der Universität Paderborn.

Vorausschauend Planen mit Echtzeit-Prognosen

Im Februar 2012 startete das Projekt mit ersten Tests in Berlin. Bereits jetzt wird das Potenzial deutlich, das das Konzept bietet, um Städte zu entlasten. Für die Projektinitiatoren Atos, Siemens und VMZ Berlin Betreibergesellschaft ist das ein großer Schritt in Richtung echtzeitbasiertes Verkehrsmanagement. Großstädte wie San Francisco haben bereits ihr Interesse signalisiert.

Die Echtzeit-Prognosen zeigen sowohl das Verkehrsaufkommen als auch die Fahrtgeschwindigkeiten bis zu vier Stunden im Voraus. Städte und Kommunen können darauf reagieren und etwa Standardaufgaben wie die Ampelwartung so organisieren, dass damit einhergehende Verkehrsbehinderungen möglichst gering bleiben. Das System sieht außerdem einen Navigationsdienst vor, der dem Verkehrsteilnehmer einen Routenvorschlag unterbreitet, welcher nicht nur die aktuelle, sondern auch die voraussichtliche Verkehrssituation berücksichtigt. In der Praxis bedeutet das: Der Fahrer gibt den Abfahrtsort sowie das geplante Ziel ein und erhält für einen gegenwärtigen oder zukünftigen Fahrtzeitpunkt die beste Route unter Berücksichtigung der jeweilig gültigen Verkehrslage. Darüber hinaus lassen sich die Daten für weitergehende Auswertungen nutzen, etwa für Rückschlüsse auf den CO2-Ausstoß.

Das System trainiert sich selbst

Die Verkehrsdaten stellt die Verkehrsmanagementzentrale (VMZ) aus dem Datenbestand ihrer 1200 Messpunkte zur Verfügung, die sie in der Hauptstadt betreut. 800 davon befinden sich auf den Stadtautobahnen, 400 auf den innerstädtischen Straßen. Für die Testphase haben die Experten aus dem C-Lab 100 dieser Messpunkte ausgewählt, um auf deren Basis den Echtzeitdatenfluss der einzelnen Sensoren zu simulieren.

Im Gegensatz zu Google Maps oder anderen Services, die Hochrechnungen oder aktuelle Staumeldungen zur Verfügung stellen, wertet der Forecast des C-Lab neue Messdaten zum Zeitpunkt ihres Eintreffens aus und erstellt für alle der 100 Mess-punkte eine detaillierte Vorhersage für die nächsten vier Stunden. Dabei kommen zwei wesentliche Messgrößen zum Tragen: zum einen die gefahrenen Geschwindigkeiten am jeweiligen Messpunkt, zum anderen die Anzahl der Fahrzeuge, die diese Stelle pro Stunde passieren. Um den Werteverlauf für die nächsten vier Stunden prognostizieren zu können, wird im Minuten-Takt eine Prädiktion beider Messgrößen erstellt.

Mithilfe dieses Systems werden nicht nur Pauschalaussagen wie Stau oder zähfließender Verkehr getroffen, sondern die genaue Verkehrsdichte auf den Straßen bestimmt. So kann der Verkehrsstatus exakt abgeleitet werden.

Bisher verfügbare Verkehrsprognosen weisen Abweichungen von bis zu 40 Prozent auf. Das Projektteam konnte die Diskrepanz der Geschwindigkeitsvorhersage im Mittel schon jetzt auf sieben Prozent verringern. Und in Zukunft werden die Vorhersagen noch präziser. Das Verkehrsvorhersage-Modell passt sich an die jeweils vorherrschende Verkehrssituation an, indem es sich durch die gemessenen Verkehrsdaten selbst trainiert. Das bedeutet: Je länger das System in Betrieb ist, desto exakter werden die Ergebnisse, da sich die Technologie mit der wachsenden Anzahl an eingespeisten Daten aus den Messpunkten und deren Analyse und Korrelation stetig verbessert. So kann eine konstant hohe Vorhersagegenauigkeit erzielt werden. Zudem ist in einer späteren Projektphase die Anbindung an einen Web-Service des VMZ angedacht. Mit dessen Hilfe können die Echtzeitdaten dann direkt ausgelesen werden.

Städteplanung der Zukunft: das City-Cockpit

Die Verkehrsvorhersage-Technologie RTTF ist Teil des Projekts "City Cockpit". Neben dem Verkehrsmanagement spielen die Felder eine Rolle, die für die Steuerung und Planung von Städten wichtig sind: Wassermanagement, Energiemanagement, Notfallmanagement und Nachhaltigkeitsmanage-ment. Ziel dieses Projektes ist es, alle Daten und Ergebnisse sowie mögliche Einflussfaktoren und Zusammenhänge bereichsübergreifend zu erkennen und zu nutzen, um dadurch eine ganzheitliche Sicht auf Städte zu erlangen.

Der Real Time Traffic Forecast stellt den ersten großen Schritt in Richtung Zukunft dar, da mit Hilfe des intelligenten, vorausschauenden Systems Verkehrsmanagement und Notfallmanagement gemeinsam abgedeckt werden können: Anhand der Verkehrsdaten könnte beispielsweise ein Krankenwagen in das verkehrstechnisch am schnellsten erreichbare anstatt in das nächstgelegene Krankenhaus mit freien Kapazitäten geleitet werden, um Verkehrsbehinderungen zu umgehen.

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