In Branchen wie der Automobilindustrie gehört der Einsatz von Virtual-Reality-Systemen (VR) schon längst zum Alltag. Im virtuellen Raum sind bereits Fahrzeuge zu sehen, die noch in der Konstruktionsphase und weit davon entfernt sind, in Produktion zu gehen. Mehr und mehr entdeckt in jüngster Zeit aber auch der Maschinenbau die Vorteile und Chancen, die in diesen Systemen liegen. Das liegt mit daran, dass die hierfür notwendigen Investitionen durch Weiterentwicklungen kontinuierlich gesunken sind.
Durch eine Abfüllmaschine „fliegen“
Erste Einsatzgebiete von VR-Systemen sind oftmals auf Messen, an denen Kunden damit anschaulich neue technische Entwicklungen präsentiert werden. Wenn die Interessenten einmal mit einer speziellen 3D-Brille durch eine Abfüll- und Verpackungsmaschine „geflogen“ sind, sind sie in der Regel beeindruckt. So jedenfalls die Erfahrung des süddeutschen Spezialmaschinenherstellers Bausch+Ströbel, der sich seit 2013 eingehend mit dieser Technologie beschäftigt.
Anders als in 3D-Filmen werden die Anwender industriell eingesetzten Virtual-Reality-Lösungen interaktiv in die virtuelle 3D-Umgebung integriert. Sie können mit einem realistischen, aus CAD-Daten generierten Produktmodell im Maßstab 1:1 in Echtzeit interagieren, um beispielsweise Montagesequenzen zu simulieren oder die Erreichbarkeit von Bedienelementen zu überprüfen.
VR während des gesamten Projektverlaufs
Dies eröffnet Möglichkeiten für den Spezialmaschinenbau, die weit über den Einsatz als Marketinginstrument hinausgehen. Bei Bausch+Ströbel wird Virtual Reality in der Zwischenzeit während der gesamten Projektlaufzeit eingesetzt.
Das beginnt auch hier mit der Wahl der richtigen Anlage. Das Unternehmen stellt Abfüll- und Verpackungsmaschinen für die pharmazeutische Industrie her. Da das Angebotsspektrum sehr groß und die Maschinen in der Regel speziell auf die Bedürfnisse des einzelnen Kunden zugeschnitten sind, ist es selten möglich, einem Kunden ein für ihn passendes Modell in der Realität zu zeigen. Dank Virtual Reality gibt es jetzt aber einen Ausstellungsraum, in dem alle verfügbaren Anlagen gezeigt werden können.
Der für VR-Lösungen notwendige technische Aufwand ist in den vergangenen Jahren gesunken. Zwar werden nach wie vor ein möglichst leistungsstarker Rechner, ein Projektor (Beamer), eine spezielle Leinwand, 3D-Shutter-Brillen sowie Tracking-Systeme und deren Eingabegeräte benötigt. Der Markt bietet aber inzwischen auch portable Lösungen, die finanziell für kleinere und mittelständische Unternehmen interessant sind und darüber hinaus weitere Einsatzmöglichkeiten bieten als etwa nur den Einsatz auf Messen oder direkt beim Kunden.
Der Beamer projiziert die jeweilige Anlage auf eine Leinwand und der Betrachter kann mit einer speziellen 3-D-Brille an verschiedene Bereiche der Maschine gehen, diese von oben, von unten betrachten. Die Perspektive des Bildes wird pausenlos neu für den jeweiligen Blickwinkel des Betrachters berechnet. Im Gegensatz zur Realität hat der Betrachter außerdem die Möglichkeit, Schnitte durch die Maschine durchzuführen oder, wie eingangs erwähnt, durch die Maschine „zu fliegen“, sie quasi aus dem Blickwinkel eines zu befüllenden Vials zu betrachten. Das sind Möglichkeiten, die nicht nur in der ersten Entscheidungsphase, sondern tatsächlich während des gesamten Projektverlaufs genutzt werden können.
Schon zu Beginn der Konstruktionsphase kann die geplante Anlage in Originalgröße dargestellt werden. Auf Wunsch wird sie auch gleich virtuell in den Raum gestellt, für den sie vorgesehen ist, sodass etwa Versorgungsleitungen optimal eingebunden werden. Hierfür muss der Kunde lediglich den Grundriss des vorgesehenen Raumes zur Verfügung stellen, der in vielen Fällen bereits in digitaler Form vorliegt.
Schon in dieser sehr frühen Phase kann auch virtuelles Bedienpersonal an die Anlagen gestellt werden. So wird mit einfachen Mitteln geprüft, ob die Bediener später in angenehmer Haltung ihrer Arbeit nachgehen können oder mit Handschuheingriffen alle wichtigen Teile der Maschine erreichen.
Ganz entscheidend ist ein optimales Maschinendesign bei Anlagen, die mit einem Isolator ausgestattet sind und deshalb ein Eingriff in die Maschine nur über Handschuheingriffe erfolgen kann. Liegt etwas nicht in deren Reichweite, müssen die Türen geöffnet werden. Das hat lange Stillstandzeiten zur Folge, da der Innenraum des Isolators erneut sterilisiert werden muss, bevor die Produktion wieder anlaufen kann.
Alternative zu Mockups aus Holz oder Pappe
Gerade diese Erreichbarkeit ist an technischen Zeichnungen nicht immer zufriedenstellend abzuleiten, weshalb bislang in solchen Fällen Modelle der Anlagen, sogenannte Mockups, aus Holz oder Pappe hergestellt wurden. Diese Methode wird auch heute noch angewendet, doch mehr und mehr ersetzt Virtual Reality diese Mockups und bietet zudem mehr Möglichkeiten. Müssen Bedienelemente räumlich anders angeordnet werden, kann die optimale Position sofort ermittelt und die neue Position dokumentiert werden. Außerdem ist gleich ersichtlich, welche Auswirkungen das auf andere Teile der Maschine – etwa im Unterbau – hat.
Das Überprüfen und Optimieren der Maschinenkonstruktion im letzten Drittel des Konstruktionsprozesses wird durch das VR-Design-Review unterstützt. Durch die stereoskopische Darstellung ist dieser Schritt einfacher und effizienter. Es kann nicht nur überprüft werden, ob das erarbeitete Maschinendesign passt, mit wenig Aufwand können auch gleich notwendige Änderungen durchgeführt und dokumentiert werden. In dieser Phase kann außerdem eine FMEA-Studie (Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse) durch Virtual Reality erweitert werden.
Schulung am virtuellen Modell
Doch Virtual Reality bietet noch mehr: Die geplante Anlage kann nicht nur passiv betrachtet, sondern mit Hilfe eines Controllers auch unter realen Bedingungen aktiv bedient werden. Türen lassen sich öffnen, Teile können ein- und ausgebaut werden. Sogar physikalische Komponenten wie etwa Handschuheingriffe, können in das Modell integriert werden.
Diese Interaktion macht es möglich, das Bedienpersonal schon an der Anlage zu schulen, bevor diese tatsächlich in der Produktionshalle des Pharmaunternehmens steht. Hier können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Beispiel üben, wie die Maschine auf andere Packmittel umgerüstet wird oder wie Reinigungs- oder Wartungsarbeiten durchgeführt werden. Das Training kann aufgezeichnet werden und steht für künftige Trainings zur Verfügung. Dies unterstützt einen schnellen und reibungslosen Produktionsbeginn. Stereoskopische Trainings können auch direkt beim Kunden durchgeführt werden. Das Virtual-Reality-Center ist transportabel und passt leicht in ein normales Besprechungszimmer.
Bausch+Ströbel selbst nutzt Virtual Reality für die Schulung der eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – seien das Monteure, die die Montage neuer Maschinenkonzepte erlernen oder Konstrukteurinnen, die sich mit bestimmten Maschinentypen vertraut machen.
VR im Service und bei Projekten
Die Möglichkeiten der Virtual Reality sind damit aber noch immer nicht ausgeschöpft. So kann das System auch im Bereich Service eingesetzt werden, etwa wenn geplant ist, eine bestehende Anlage zu modifizieren. Hier können zusammen mit dem Kunden direkt am Modell verschiedene Möglichkeiten durchgesprochen werden. Bis hin zur Diskussion, ob bei größeren geplanten Veränderungen oder Umbauten an einer Anlage nicht doch eine Neuanschaffung wirtschaftlicher ist.
Womit wir wieder am Anfang des Produktlebenszyklus angelangt wären. Virtual Reality kann tatsächlich über die gesamte Laufzeit eines Projekts eingesetzt werden: Von der ersten Vorstellung möglicher Lösungen über die konkretere Projektplanung und das Design Review bis hin zur Schulung des Bedienpersonals und Planung von Anlagenmodifikationen.
Auch für Anlagen, die schon länger in Betrieb sind, kann VR genutzt werden. So sind etwa die Konstruktionsdaten jeder von Bausch+Ströbel gelieferten Maschine hinterlegt und können mit überschaubarem Aufwand für die Virtual Reality aufgearbeitet werden. Dass Kunden durchaus den Nutzen der VR-Technologie sehen, bewies nicht nur eine Umfrage, die das Unternehmen vor dem tieferen Einstieg in diese Technologie durchgeführt hat, sondern auch die Tatsache, dass diese Dienstleistung bei immer mehr Projekten abgerufen wird. Ein Projektteam ist permanent dabei, die Einsatzmöglichkeiten von Virtual Realitiy zu erweitern. In der Zwischenzeit ist es bereits möglich, auch Luftströmungen zu visualisieren.