Dr. Martin Schichtel, Kraftblock Wärmewende in der Industrie

Martin Schichtel promovierte in Chemie an der Universität des Saarlandes. Er arbeitete 20 Jahre in der Materialentwicklung, etwa in der Keramik. 2014 gründete er Kraftblock zusammen mit Susanne König, um mit einem nachhaltigen und kostengünstigen Hochtemperatur-Speicher die Industrie zu dekarbonisieren und die Energiewende zu ermöglichen.

Bild: Kraftblock
21.10.2024

Das Wort Energiespeicher ist in aller Munde. Dabei geht es nicht nur um die kurzfristige Netzstabilisierung durch Batteriespeicher, sondern vielmehr um die nachhaltige Nutzung überschüssiger Wärmeenergie in der Industrie. Die Hochtemperaturspeicher spielen in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle. Deshalb die Frage: Mechanisch, chemisch, thermisch – was macht Hochtemperaturspeicher in der Industrie zu einer Schlüsseltechnologie für die Energiewende?

Die Industrie steht vor einer entscheidenden Herausforderung: den steigenden Energiebedarf mit der Notwendigkeit, Umweltbelastungen zu reduzieren, in Einklang zu bringen. Eine vielversprechende Lösung für dieses Dilemma könnten Hochtemperaturspeicher sein, die das Potenzial haben, die industrielle Wärmeversorgung grundlegend zu verändern. Diese Technologie ermöglicht es, überschüssige Energie effizient zu speichern und so den Übergang zu nachhaltigeren Energiekonzepten zu unterstützen. Derzeit ist die Industrie stark von fossilen Brennstoffen abhängig, um den hohen Energiebedarf zu decken, da über 50 Prozent des gesamten Energiebedarfs eines Landes auf Wärme entfallen. Diese Wärme wird überwiegend durch fossile Brennstoffe wie Öl, Gas und Kohle erzeugt. Besonders herausfordernd ist die Umstellung auf erneuerbare Wärmequellen, da viele industrielle Prozesse hohe Temperaturen erfordern, die bisher schwer durch nachhaltige Energien abgedeckt werden können. Hochtemperaturspeicher könnten hierbei entscheidend helfen, indem sie Energie bei Überschuss oder niedrigen Preisen speichern und bei Bedarf nutzen, was zu einer erheblichen Reduzierung des Einsatzes fossiler Brennstoffe führt.

Die anhaltende Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen ist das Hauptproblem der industriellen Wärmeerzeugung. Dies ist vor allem für industrielle Prozesse kritisch, bei denen hohe Temperaturen benötigt werden. In der Metallverarbeitung und bei der Herstellung von Keramik werden Temperaturen benötigt, die derzeit nur schwer durch erneuerbare Energiequellen zur Verfügung gestellt werden können. Hochtemperaturspeicher bieten hier einen entscheidenden Lösungsansatz. Sie ermöglichen es, überschüssige Energie aus unterschiedlichen Quellen wie Abwärme oder erneuerbaren Strom effizient bei bis zu 1.300 °C zu speichern und zu einem späteren Zeitpunkt zu nutzen. Durch die Speicherung von Wärme können diese Systeme dazu beitragen, die Elektrifizierung ökonomischer zu gestalten und den Energieverbrauch zu optimieren. Die praktische Anwendung von Hochtemperaturspeichern zeigt sich besonders deutlich in zwei Gruppen von Industrien: So lassen sich in energieintensiven Industrien, wie Keramik, Stahl und Glas durch die Integration eines Hochtemperaturspeichers erhebliche Einsparungen bei den Energiekosten erzielen. Der Speicher nimmt überschüssige Wärme aus Abgasen während der Produktionszeiten auf und gibt diese Wärme zu einem späteren Zeitpunkt im selben oder einem anderen Prozess wieder ab. Dies reduziert den Primärenergieverbrauch und verringert die Notwendigkeit, zusätzliche fossile Brennstoffe zu verbrennen.

Viele Prozesse, etwa das Vorheizen von Gas und Luft oder das Trocknen von Keramikwaren lassen sich auch elektrifizieren. Das ist auch die Lösung für die zweite Gruppe – Industrien wie Lebensmittel, Papier und Chemie, in denen Abwärme weniger interessant ist, die Prozesstemperaturen jedoch fast ausschließlich über Elektrifizierung erreicht werden können. Hier nimmt der Hochtemperaturspeicher erneuerbaren Strom zu günstigen Zeiten und wandelt ihn in Wärme um. Diese Wärme ersetzt dann den fossilen Kessel für Dampf, Thermalöl oder Heißluft. Das wird beispielsweise in einer Lebensmittelfabrik von PepsiCo gebaut, in der Kartoffelchips frittiert werden.

Hochtemperaturspeicher bieten zudem ein hohes Maß an Flexibilität. Sie können sowohl Wärme aus erneuerbaren Quellen wie Solarthermie oder Windkraft als auch Abwärme speichern. Diese Flexibilität ist besonders wertvoll, da erneuerbare Energiequellen oft nicht kontinuierlich zur Verfügung stehen, der Wärmebedarf in der Industrie aber konstant hoch bleibt. Durch die Speicherung überschüssiger Wärme kann der Bedarf an fossilen Brennstoffen reduziert und die Energieversorgung effizienter gestaltet werden. Dadurch werden nicht nur die Betriebskosten gesenkt, sondern auch die Umweltbilanz der Industrie verbessert. Die Leistungsfähigkeit von Hochtemperaturspeichern beruht auf ihrer Fähigkeit, Wärme bei extrem hohen Temperaturen zu speichern und bei Bedarf wieder abzugeben. Diese Eigenschaft ist besonders wertvoll für industrielle Prozesse, die eine kontinuierliche und zuverlässige Wärmeversorgung benötigen. Der modulare und skalierbare Aufbau der Speicher ermöglicht eine einfache Integration in bestehende Energiesysteme. Sie können je nach Bedarf an unterschiedliche Prozessanforderungen angepasst und erweitert werden. Neben ihrer hohen Leistungsfähigkeit zeichnen sich Hochtemperaturspeicher durch eine beachtliche Lebensdauer aus. Ein gut entwickeltes System kann Temperaturen von bis zu 1.300 °C speichern und ist für eine Lebensdauer von bis zu 40 Jahren ausgelegt. Diese Lebensdauer macht Hochtemperaturspeicher zu einer langfristig rentablen Lösung, insbesondere vor dem Hintergrund der notwendigen Umstellung auf erneuerbare Energien.

Hochtemperaturspeicher besitzen somit das Potenzial, eine Schlüsselrolle bei der Transformation des Wärmesektors zu spielen. Sie bieten eine effiziente Möglichkeit, Wärme zu speichern und zu nutzen. Dadurch kann der Verbrauch fossiler Energieträger und die CO2-Emissionen reduziert werden. Der Wärmebedarf in der Industrie steigt. Daher ist die stetige Weiterentwicklung und Integration dieser Speichertechnologien von zentraler Bedeutung, um die Klimaziele zu erreichen. Durch den Einsatz dieser Technologien können Unternehmen nicht nur ihre Betriebskosten deutlich senken, sondern auch einen wichtigen Beitrag zu einer nachhaltigen und umweltfreundlichen Energiezukunft leisten.

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