Smart Traffic & Mobility Akzeptanz von gesteuertem Laden

Außenansicht einer CarConnectBox: Die Ladestation wurde speziell für das gesteuerte Laden entwickelt.

Bild: Jonas Gonel, Julia Rohrsen/Enercity; Leibniz Universität Hannover
17.08.2015

Ein laufender Feldversuch mit 40 Elektrofahrzeugen belegt, dass die Fahrzeugbesitzer bereit sind, ihr Ladeverhalten der schwankenden Einspeisung von Solar- und Windstrom anzupassen. Durch entsprechend konzipierte Geschäftsmodelle lassen sich die Fahrzeugbesitzer zu systemstabilisie­rendem Verhalten bewegen.

Im vom Bund geförderten Schaufenster Elektromobilität Niedersachsen werden Geschäftsmodelle entwickelt, mit denen die Ladezeitpunkte von Elektrofahrzeugen systemstabilisierend gesteuert werden sollen. Das Einbinden von Fahrzeugen in ein Virtuelles Kraftwerk wird zusätzlich erprobt.

Im Projekt „Demand Response – das Auto als aktiver Speicher und Virtuelles Kraftwerk“ fand sich ein Konsortium aus dem Energieversorger Enercity der Stadtwerke Hannover, Energiewissenschaftlern des Instituts für Energieversorgung und Hochspannungstechnik der Leibniz Universität Hannover und von Sozialwissenschaftlern aus dem Institut für Transportation Design der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig (HBK) zusammen.

Das Projekt untersucht fachübergreifend technische Möglichkeiten und die Akzeptanz der Fahrzeugbesitzer gegenüber der Steuerung der Ladevorgänge durch den Energieversorger.

Ladevorgänge steuern

Dazu werden in einem 15-monatigen Feldversuch Ladevorgänge messtechnisch erfasst und die Ladezeiten gesteuert. In Betracht kommen Fahrzeuge aller Hersteller, ohne Änderungen an den Fahrzeugen selbst vorzunehmen. Erreicht wurde dies durch eine eigens entwickelte Ladestation namens CarConnectBox (CCB), die in Kleinserie gebaut und bei den Projektteilnehmern installiert worden ist. Die CCB dient als Bindeglied zwischen den Fahrzeugen sowie dessen Nutzern und dem Energiemarkt.

Der Fokus in diesem Forschungsprojekt liegt auf dem Nutzerverhalten. Daher wurde in die Ladestation ein Touchscreen-Display integriert, über das der Nutzer direkt an der Ladestation ein vorgegebenes Ladeprogramm auswählen und die Eigenschaften des Programms einsehen kann. Parallel dazu kann der Nutzer die Ladestation auch über eine speziell entwickelte App mit dem Handy bedienen.

Die Hauptsteuerung der CCB wird durch eine speicherprogrammierbare Steuerung (SPS) sichergestellt. Ein UMTS-Modem stellt eine verschlüsselte Verbindung über das Internet zu einem Leitsystem her. Die Leitwarte von Enercity ist ebenfalls über einen geschützten VPN-Zugang (Virtual Private Network) an den Server angebunden, von hier können die Ladezeiten der Fahrzeuge vorgegeben werden. Die kontinuierlich gemessenen Messwerte sowie Nutzeraktivitäten werden in der zentralen Datenbank zur späteren Analyse gespeichert.

Die Ladesysteme der Elektrofahrzeuge verhalten sich herstellerspezifisch stark unterschiedlich. Dies führt schon beim normalen Ladevorgang an öffentlichen oder privaten Ladesäulen oftmals zu Problemen, mit denen die Nutzer konfrontiert werden. Das zeitlich gesteuerte Laden der Elektrofahrzeuge erfordert demnach mehr als das Einschalten des Stroms. Aufgrund des unterschiedlichen Fahrzeugverhaltens war eine individuelle Programmierung der Ladestationen für die verschiedenen Fahrzeugtypen erforderlich.

Feldversuch mit vier Versuchsphasen

Für die Teilnehmergruppe aus dem Raum Hannover wurden gezielt Personen ausgewählt, die sich bereits vor dem Feldversuch ein eigenes Elektroauto entweder privat oder gewerblich angeschafft hatten. Die Stichprobe bildet somit einen Querschnitt der derzeitigen Elektrofahrzeugbesitzer ab.

Auf Grundlage des messtechnischen Erfassens der Ladevorgänge, der Auswahl von drei unterschiedlichen Ladeprogrammen sowie der Befragung der Teilnehmer wurde und wird noch immer das Nutzerverhalten und die Akzeptanz gegenüber gesteuertem Laden analysiert.

Die erste 18-wöchige Projektphase, in der die Nutzer wie gewohnt ohne finanzielle Zusatzanreize – jedoch schon über die CCB – laden sollten, lieferte zunächst Referenzwerte für die anschließenden Projektphasen. Die häufigsten Ladezeitpunkte lagen im klassischen Maximum der täglichen Strom-Lastkurve zwischen 18 und 20 Uhr.

Das Laden fand also vermehrt in dem Zeitraum im Tagesverlauf statt, zu dem die Stromnachfrage der Haushalte ohnehin schon am höchsten ist. Wenn in einigen Jahren die von der Bundesregierung angestrebte Million Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen unterwegs ist, ist also ohne eine Steuerung der Ladevorgänge mit höheren Lastspitzen in den Abendstunden zu rechnen.

In den weiteren Projektphasen haben die Nutzer die Möglichkeit, ihr Fahrzeug nicht sofort laden zu lassen, sondern sich an Ladeprogrammen zu beteiligen, die dem Energieversorger einen immer höheren Freiheitsgrad bei der Steuerung der Ladezeiten geben. In jeder Versuchsphase kommt ein Programm hinzu, sodass die Nutzer in der letzten Versuchsphase zwischen dem sofortigen Laden und drei gesteuerten Ladeprogrammen wählen können.

Das Auswählen der gesteuerten Ladeprogramme wird jeden Tag mit einer Prämie belohnt. Die Prämienhöhe steigt mit zunehmender Flexibilität, die die Nutzer dem Energieversorger zur Verfügung stellen. Sie wird in den unterschiedlichen Projektphasen jeweils neu angepasst. Darüber hinaus werden die Teilnehmer in jeder Projektphase befragt, um die einflussnehmenden Akzeptanzfaktoren identifizieren und für die Entwicklung zukünftiger Geschäftsmodelle berücksichtigen zu können.

Vorgegebene Ladezeiten entlasten Lastspitze

In der zweiten Projektphase hatten die Nutzer die Entscheidungsmöglichkeit, entweder das Fahrzeug wie gewohnt sofort zu laden oder zu fest vorgegebenen Ladezeiten durch den Energieversorger laden zu lassen. Diese Zeiten wurden so gelegt, dass in der Regel entweder die Sonne scheint oder aber wenig Strom nachgefragt wird – 11 bis 15 Uhr und 22 bis 6 Uhr. In dieser Versuchsphase konnte gezeigt werden, dass die Nutzer eine hohe Akzeptanz gegenüber den fest vorgegebenen Ladezeiten haben. Der Ladebeginn der Fahrzeuge wurde überwiegend auf den Zeitpunkt um 22 Uhr verschoben. Dadurch konnte die abendliche Lastspitze verringert werden.

In der dritten Phase können die Ladezeiten täglich wechseln. Sie werden jeweils am Vortag aus den prognostizierten Einspeiseleistungen von Wind- und Solar-Strom abgeleitet. Ab einer bestimmten prognostizierten Einspeiseleistung werden die Car-Connect-Boxen zum Laden freigeschaltet. Eine Mindestladezeit von drei Stunden wird in jeder Nacht garantiert.

Die verfügbaren Ladezeiten werden den Nutzern jeweils am Vortag ab 15:30 Uhr über das Display an den Ladeboxen mitgeteilt, sodass sie diese mit ihren Mobilitätsbedürfnissen abgleichen können. Auch dieses noch flexiblere Lademodell wird von den Nutzern sehr gut angenommen, endgültige Ergebnisse liegen noch nicht vor.

E-Fahrzeuge im Virtuellen Kraftwerk

In der vierten Projektphase wird ein Lademodell getestet, welches noch höhere Flexibilität von den Nutzern erfordert. Hierbei werden Restriktionen erprobt, die die Bereitschaft der Fahrzeugnutzer zur Teilnahme am Regelenergiemarkt zeigen sollen. Die Nutzer können beim Einstecken des Fahrzeugs über das Display an der Ladestation oder das Handy einen Zeitpunkt in der Zukunft sowie den zu diesem Zeitpunkt gewünschten Ladestand des Akkus auswählen – zum Beispiel: morgen um 7 Uhr 50 Prozent Ladestand.

Bis zu diesem Zeitpunkt steht es dem Energieversorger offen, wann das Fahrzeug geladen wird. Eine Entladung sollte theoretisch auch möglich sein, kann aber derzeit auf Grund der fehlenden technischen Voraussetzungen der Fahrzeuge noch nicht umgesetzt werden.

Die Elektrofahrzeuge werden in dieser letzten Versuchs­phase auch in ein Virtuelles Kraftwerk eingebunden, um die optimierte Steuerung der Ladevorgänge entsprechend den Anforderungen des Regelenergiemarktes zu untersuchen.

Standards und Geschäftsmodelle benötigt

Die Steuerung der Ladevorgänge mit der CCB erfolgt ohne technische Änderungen an den Fahrzeugen. Aufgrund der verschiedenen Ladesysteme hat sich die Kommunikation mit den Fahrzeugen für das gesteuerte Laden allerdings als komplex herausgestellt. Hier könnte eine Standardisierung das Einbinden von Elektrofahrzeugen in flexible Energiemärkte wie den Regelenergiemarkt vereinfachen.

Zudem müssten auch die energiewirtschaftlichen Marktregeln angepasst werden, sodass ein netzdienliches Verhalten in Haushalten überhaupt bilanziert werden kann. Hierfür werden nach Auswertung aller erhobenen Daten zukünftige Geschäftsmodelle speziell für Elektrofahrzeugnutzer entwickelt.

Bildergalerie

  • Kommunikationsinfrastruktur: Ein UMTS-Modem in der Ladebox stellt die Verbindung zum Leitsystem über das Internet her. Die Leitwarte ist über einen VPN-Zugang an den Server angebunden.

    Kommunikationsinfrastruktur: Ein UMTS-Modem in der Ladebox stellt die Verbindung zum Leitsystem über das Internet her. Die Leitwarte ist über einen VPN-Zugang an den Server angebunden.

    Bild: Enercity

  • Ladeprofil in der Referenzphase und bei festen Ladezeiten: Die Kurven zeigen, dass Elektrofahrzeugnutzer ihr Ladeverhalten zugunsten einer Lastverschiebung anpassen.

    Ladeprofil in der Referenzphase und bei festen Ladezeiten: Die Kurven zeigen, dass Elektrofahrzeugnutzer ihr Ladeverhalten zugunsten einer Lastverschiebung anpassen.

    Bild: Enercity

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