Maßgeblich zur Entschlüsselung beigetragen hat die Entwicklung eines bioinspirierten Roboters, für den das Team um Dr. Sebastian Büsse vom Zoologischen Institut die Funktionsweise des komplexen Mundwerkzeugs adaptiert hat, um die eigenen Hypothesen zu überprüfen – und dessen Technologie eine signifikante Verbesserung für agile Robotersysteme bedeuten könnte.
Bewegungsabläufe für Robotik
„Einer der großen Vorteile von bioinspirierten Robotern ist die Möglichkeit, Ideen über biologische Funktionsprinzipien zu testen, die anders sehr schwer zu überprüfen wären. Robotik funktioniert idealerweise in zwei Richtungen. Wir lernen etwas über die Biologie und entwickeln etwas technisch Anwendbares“, erläutert Büsse die Methodik hinter seinem Projekt.
Mithilfe verschiedener interdisziplinärer Analysetechniken konnte das Team zunächst die Funktionsweise der Fangmaske entschlüsseln. Berechnungen ergaben, dass ihre Muskulatur nicht über ausreichend Leistung verfügt, um die beobachteten Bewegungen ohne zusätzliche Energiespeicher auszuführen. Der Vortrieb der Mundwerkzeuge der Libellenlarven funktioniere demnach vielmehr über ein steuerbares Katapultsystem: eine innere, elastische Struktur im Libellenkopf, die wie eine Sprungfeder von einem Muskel gespannt wird. Hierbei werde die Energie des Muskels gespeichert. Die beiden Segmente der Fangmaske sind miteinander verbunden und werden durch einen gemeinsamen Mechanismus arretiert und ausgelöst.
Derartige Systeme seien im Tierreich zwar weit verbreitet und fänden sich beispielsweise bei Heuschrecken, Zikaden oder Fangschreckenkrebsen, so die Kieler Forscher. Die Besonderheit bei der Libellenlarve liege jedoch darin, dass hier erstmals ein synchronisiertes, duales Katapultsystem beschrieben sei. „Zwei Katapulte liegen in einer Struktur, können aber individuell vorgespannt werden. Sie arbeiten zusammen, um die Fangmaske präzise zu steuern“, ergänzt Alexander Köhnsen, Student und Projektbeteiligter.
Agilere Roboter
„Wir haben unsere Hypothese des komplexen Ablaufes mittels 3D-Animationen der Vorgänge visualisiert, um sie verständlicher zu kommunizieren“, so Köhnsen weiter. Dabei wurde auch deutlich, dass die unabhängige Steuerung von zwei Katapulten innerhalb eines Systems eine bessere Kontrolle bedeute. Anwendung könnte die Technologie in der Entwicklung besonders agiler Roboter finden.