„Die Bestrebungen der EU, die CO2-Emissionen rasch zu reduzieren, sind sicherlich sehr zu begrüßen. Allerdings sollte man sich beim Erreichen dieser erstrebenswerten Ziele nicht durch Technologieverbote leiten lassen, sondern die Umweltauswirkungen auf der Grundlage einer korrekten und systematischen Analyse zuverlässig bestimmen. Sinnvoller wäre es, dass man zukünftig die für die jeweilige Anwendung am besten geeignete Antriebstechnologie verwendet“, so Prof. Dr. Ulrich-Peter Thiesen und Dipl.-Ing. Ingo Behr vom Labor Verbrennungsmotoren des Fachbereichs Informatik und Ingenieurwissenschaften der Frankfurt University of Applied Sciences.
In einem gemeinsamen Statement klären die Wissenschaftler über wesentliche Fakten auf und plädieren für „technologische Offenheit statt technologischer Monokultur“.
Im Bereich der kleinen Leistung bis etwa 50 kW ist die leichte Elektromobilität beziehungsweise das reine Elektrofahrzeug (BEV - Battery Electric Vehicle) gut geeignet. Die verwendeten Lithium-Ionen-Akkus in Kombination mit Elektromotoren haben mit Werten von bis zu 80 Prozent gegenüber modernen Pkw-Dieselmotoren mit einer Effizienz von bis zu 40 Prozent einen etwa doppelt so hohen Wirkungsgrad. Die Betriebsdauern dieser Fahrzeuge müssen allerdings sehr groß sein, um den höheren CO2-Anteil bei der Produktion auszugleichen.
Re-Fuels für leistungsstarke Motoren
Traktoren, Erntemaschinen, schwere Bau- beziehungsweise Arbeitsmaschinen und Nutzfahrzeuge werden aber in der Regel mit einer hohen Dauerleistung von mehr als 100 kW betrieben, und im Höchstleistungsbereich der Hochseeschifffahrt sind sogar Antriebsleistungen von bis zu 45.000 kW üblich.
In diesen Anwendungsbereichen sind die Antriebsmaschinen auch zukünftig auf Energieträger mit einer hohen Energiedichte angewiesen. Mit flüssigen Kraftstoffen kann diese Anforderung realisiert werden, weshalb sogenannte Re-Fuels eine notwendige Lösung für CO2-neutrale Antriebe darstellen. Der Begriff „Re-Fuels“ bezeichnet allgemein Kraftstoffe, die auf der Grundlage von Erneuerbaren Energien hergestellt werden. Das sind neben Wasserstoff auch wichtige flüssige Kraftstoffe, nämlich synthetisch hergestellte Kohlenwasserstoffe (E-Fuels) und nachhaltige Biokraftstoffe (Advanced Biofuels).
Vorteilhaft bei Re-Fuels ist die Rückwärtskompatibilität, also die Tatsache, dass bestehende Infrastrukturen der Energiespeicherung und der Energieverfügbarkeit sofort und weiterhin genutzt werden können. Im Gegensatz dazu sind beim Aufbau einer strombasierten Infrastruktur verstärkte CO2-Emissionen unvermeidlich.
Grüner Wasserstoff und Ammoniak
„Grüner“ Wasserstoff kann unter einem hohen Druck von heute bis zu 700 bar gasförmig gespeichert werden oder alternativ mittels Haber-Bosch-Verfahren chemisch an Stickstoff gebunden zu Ammoniak NH3 reagieren. Zur besseren Speicherung wird das Ammoniak anschließend mit einem vergleichsweise geringen Druck von weniger als 9 bar verflüssigt.
Im Höchstleistungsbereich der Schifffahrt setzt man verstärkt auf Ammoniak, da ein Bunkern in den vorhandenen Infrastrukturen der Seehäfen möglich ist und NH3 als Brennstoff sowohl in den bewährten robusten Gas-Verbrennungsmotoren als auch in zukünftigen elektrischen Antrieben mit Brennstoffzellen verwendet werden kann.
Unter E-Fuels versteht man Kraftstoffe, die unter Verwendung elektrischen Stroms aus Wasser und CO2 hergestellt werden. Wird der Strom zur Erzeugung der E-Fuels vollständig aus erneuerbaren Energien gewonnen und das erforderliche CO2 aus der Atmosphäre oder aus Biomasse entnommen, können Verbrennungsmotoren mit E-Fuels klimaneutral betrieben werden.
Der Nachteil ist, dass bei der Herstellung dieser E-Kraftstoffe bei der eingesetzten Fischer-Tropsch-Synthese derzeit circa 50 Prozent der ursprünglich eingesetzten Stromenergie verloren geht. Dies könnte aber bei einer dezentralen Produktion von E-Fuels in naher Zukunft erheblich geringer werden. Der zusätzliche Bedarf an elektrischer Energie bei der Erzeugung von E-Fuels, im Vergleich zu einer direkten Nutzung im BEV, wäre unkritischer, wenn weltweit einfacher günstigere Standorte mit einer bis zu viermal höheren Effizienz bei der Anwendung von Photovoltaik und Wind (im Vergleich zu durchschnittlichen europäischen Standorten) genutzt werden könnten.
Re-Fuels reduzieren CO2-Emissionen der Bestandsfahrzeuge
Nachhaltige Biokraftstoffe, die in der 2. Generation nicht mehr in der Konkurrenz zu Lebensmitteln stehen und außerdem auch durch die Aufbereitung von biologischen Abfälle erzeugt werden können, sind durch die heutige siebenprozentige Beimischung in fossilem Dieselkraftstoff gut eingeführt und stellen zukünftig im lokalen Einsatz zum Beispiel. in der Land- und Forstwirtschaft oder im Baubereich eine wertvolle Ergänzung dar.
Bestandsfahrzeuge, die heute fast ausschließlich mit fossilen Kraftstoffen betrieben werden, können durch den Betrieb mit nachhaltigen Re-Fuels ganz erheblich zu einer schnellen CO2-Absenkung beitragen. Nur auf diese Weise ist es möglich, dass auch die auf dem Markt befindlichen Fahrzeuge ihren Beitrag zur Klimaneutralität leisten. Mit einem intelligenten Mix verschiedener Technologien von BEV und Re-Fuels kann eine optimale Reduktion der gesamten CO2-Emissionen erzielt werden.
Viele gesellschaftlich wichtige Transportlösungen beispielsweise bei Feuerwehr-, Rettungs- und Krankenfahrzeugen hängen von Verbrennungsmotoren ab. Bei diesen Bestandsfahrzeugen wäre mit Re-Fuels unverändert die ständige Dienstbereitschaft sichergestellt.
CO2-Reduktion braucht alle verfügbaren Technologiepfade
Weiterhin kann auch ein Hybrid-Antriebsstrang, also eine Kombination von Verbrennungs- und Elektromotor, mit CO2-Emissionen von deutlich unter 100 g CO2/km zu einer Halbierung der heute bei Pkw üblichen Mittelwerte beitragen. Hybridtechnologie-Strategien können ebenfalls im Bereich der land- und forstwirtschaftlichen Fahrzeuge und der Baumaschinen zukünftig Standard sein, um einerseits die Wirtschaftlichkeit zu steigern beziehungsweise die CO2-Emissionen zu reduzieren und andererseits praktischerweise die gute Regelbarkeit von elektrischen Antrieben auszunutzen.
Ein Blick, wie ihn die EU auf die Fahrzeuge wirft – from Tank to Wheel (vom Tank zum Rad) –, greift erheblich zu kurz, da sowohl die CO2-Belastung der Stromerzeugung als auch die der Produktion des Fahrzeugs unbeachtet bleiben. Emissionen treten bei den verschiedenen Antriebstechnologien in unterschiedlichen Lebenszyklusphasen auf. Wie gut eine Technologie ist, hängt stets von der Gesamtbilanz über den gesamten Lebenszyklus eines Fahrzeugs ab, also von der Erzeugung bis zur Wiederaufbereitung.
Eine nachhaltige und schnell verfügbare Reduktion von CO2 braucht alle verfügbaren Technologiepfade bei gleichmäßiger Förderung aller Optionen durch die Politik.