Verletzliche Importseite Deutschland in der Halbleiterlieferkette

Europa hat Marktanteile bei Maschinen zur Halbleiterherstellung (21 Prozent) sowie bei Materialien und Wafern (14 Prozent), während diese auf den beiden wertschöpfungsstärksten Stufen Halbleiterdesign (8 Prozent) und Herstellung im engeren Sinne (7 Prozent) relativ niedrig ausgeprägt sind.

Bild: iStock, SweetBunFactory
02.08.2024

Die internationale Halbleiter-Wertschöpfungskette ist auf Effizienz ausgelegt. Dabei zählt zur Wertschöpfungskette mehr als die Auftragsproduktion fortschrittlichster Mikrochips in Taiwan, auf die sich oft die Aufmerksamkeit richtet. Europa hat laut EU-Kommission nennenswerte Marktanteile bei Maschinen zur Halbleiterherstellung (21 Prozent) sowie bei Materialien und Wafern (14 Prozent), während diese auf den beiden wertschöpfungsstärksten Stufen Halbleiterdesign (8 Prozent) und Herstellung im engeren Sinne (7 Prozent) vergleichsweise gering ausfallen.

Auch wegen des Risikos geoökonomischer Fragmentierung stellt sich die Frage nach der Resilienz dieser internationalen Liefer- und Wertschöpfungskette. Dafür, wie verletzlich Deutschland in der Halbleiter-Lieferkette ist, bietet die direkte Einbindung in den internationalen Handel einen ersten Anhaltspunkt.

Deutschland ist bei Halbleitern kein reiner Nettoimporteur

Naturgemäß wird die Zusammensetzung des internationalen Handels durch die Position in der Wertschöpfungskette bestimmt. Für Deutschland lohnt sich der Blick ins Detail:

  • Sowohl den höchsten Handelswert (Summe von Ex- und Importen) als auch den höchsten Nettoimportwert, mit dem die Einfuhr die Ausfuhr übersteigt, weist im Jahr 2023 die Kategorie Speicher und Prozessoren auf. Dies ist vorwiegend auf die Unterkategorien von Prozessoren und Schaltungen zurückzuführen. In einzelnen Unterkategorien wie integrierten Multichipschaltungen – verwendet in vielen Bereichen wie beispielsweise in der Automation, im Automotive-Bereich, in der Mikro- und Optoelektronik – exportiert Deutschland jedoch mehr als es importiert.

  • Bei Halbleiterbauelementen, die den zweitgrößten Handelswert aufweisen, sind es Solarzellen und -panel, die den Nettoimport treiben. Den höchsten Handelswert innerhalb dieser Gruppe weisen jedoch Transistoren (eingesetzt unter anderem als elektronische Schalter) mit einer Verlustleistung von mehr als 1 W auf; hier exportiert Deutschland auch mehr als es als importiert.

  • Maschinen der hochwertigen Technik sind im Allgemeinen eine Stärke der deutschen Volkswirtschaft. Tatsächlich weist Deutschland bei Maschinen zur Herstellung von Halbleitern und ähnlichem in allen Teilgruppen einen Exportüberschuss auf. Der Handelswert fällt jedoch deutlich hinter den anderen beiden Warengruppen zurück.

Halbleiter-Importmärkte sind stärker konzentriert und dominiert durch außereuropäische Herkunftsländer

Üblicherweise wird davon ausgegangen, dass höher konzentrierte Märkte ein höheres Risiko aufweisen, da dann im Fall einer Angebots- oder Nachfragestörung weniger Ausweichmöglichkeiten bestehen. Für vier der sechs übergeordneten Warengruppen ist die Länderkonzentration im Durchschnitt bei der Einfuhr höher als bei der Ausfuhr. Bei zwei dieser Gruppen – bei Halbleiterbauelementen sowie Halbleiteraufzeichnungsträgern – weist Deutschland zudem substanzielle Nettoimporte auf. Das Bild hoher Importkonzentration bestätigt sich bei detaillierter Betrachtung. Bei 44 der 54 betrachteten Güterkategorien sind die Importmärkte stärker konzentriert als die Exportmärkte.

Wird zudem das Ausmaß der Konzentration berücksichtigt, zeigt sich bei Maschinen sowohl auf der Ex- als auch der Importseite eine im Durchschnitt hohe Konzentration (HHI>2000), was die starke Spezialisierung abbilden dürfte. Insgesamt zeigt sich auch hier wieder die Verletzlichkeit der Importseite im Detail.

Während nur sieben der Warengruppen auf der Exportseite eine hohe Konzentration aufweisen, sind es auf der Importseite 28 Warengruppen. Hinzu kommt, dass bei der Einfuhr der Anteil des größten, überwiegend außereuropäischen Importpartners oftmals größer ist als der Importanteil, der aus anderen EU-Ländern insgesamt bezogen wird.

Beim Export hingegen sind andere EU-Länder entweder in der Summe oder schon auf Einzelland ebene oft das Hauptziel. Die Ausnahme bilden wieder Maschinen und Chemie, da der Produktionsschwerpunkt für Halbleiter in Asien liegt.

Auf der Importseite der Halbleiter-Lieferkette greift der Schutz Deutschlands vor geopolitischen Risiken durch den europäischen Binnenmarkt und kurze Transportwege aufgrund regionaler Verflechtungen daher nur bedingt. Entsprechend ist es gerechtfertigt, der Widerstandsfähigkeit der Lieferketten besondere Beachtung zu schenken.

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