Das Thema Elektromobilität ist langsam auch in Deutschland etabliert. Jedoch sind Stromversorgung zum E-Auto und smarte Ladetechnik gefragt. Können Sie uns kurz erklären, wie ABB hier helfen kann?
Ralf Krumm:
ABB ist ein durchgängiger End-to-End-Anbieter vom Mittelspannungsanschluss bis zum Ladestecker. Wir bieten neben den klassischen Elektrotechnikkomponenten auch digitale Lösungen, die letztlich nötig sind, um die Ladeinfrastruktur dann im Verteilnetz effizient zu integrieren. Konkret geht es darum, dass man in Ortsnetzstationen den Zustand des Netzes, Lastkurven, Spannungsniveaus überwachen können sollte, um dann auch seitens des Energieversorgers die Lastsituation aktiv zu optimieren.
Sie bieten also ein ganzheitliches Konzept an: von der Stromerzeugung, zu den Netzen, bis hin zur Ladesäule. Was benötigen Sie, um eine solche Ladeinfrastruktur aufzubauen?
Ulrich Aschenbroich:
Grundsätzlich hilft es, wenn der Kunde ein Konzept hat und weiß, wohin er sich in Zukunft entwickeln möchte. Für ein oder zwei Ladesäulen ist meistens noch Platz im Verteilerkasten. Wenn er jedoch ausbauen möchte, ist es sinnvoll, direkt ans Mittelspannungsnetz zu gehen. Hierfür müssen wir natürlich wissen, wo die benötigte Leitung entlang geht und wie hoch die Investitionskosten in diesen Mittelspannungsnetzanschluss sein werden. Des Weiteren ist es von Vorteil den Netzbetreiber zu kennen, um die technischen Anschlussbedingungen zu bestimmen und den Netzanschluss auslegen zu können. Und wir müssen das Ladekonzept des Kunden kennen. Also wie ist die ungefähre Verweildauer an diesem Standort? Möchte er ein Schnellladekonzept wie an der Tankstelle mit möglichst kurzer Ladedauer? Und viele weitere Fragen. Dann stricken wir für den Kunden das perfekte Konzept.
Wie stark ist die Zusammenarbeit mit Automobilherstellern? Gibt es ein Bestreben a la Tesla, dass man Super-Charger aufbaut?
Ulrich Aschenbroich:
Das Supercharger-Netzwerk von Tesla hat einen entscheidenden Nachteil: Es ist nur für Tesla nutzbar. Wir sind hingegen für alle gängigen Automarken offen, die sich an die ISO- und DIN-Standards halten, sodass an unserer Ladeinfrastruktur jedes Automobil laden kann. Hier arbeiten wir mit Unternehmen wie zum Beispiel Ionity und Shell zusammen, um ein Schnellladenetzwerk über Europa aufzubauen. Was die Zusammenarbeit mit den Automobilherstellern angeht: Entwicklungsseitig arbeiten wir sehr stark mit den unterschiedlichsten Unternehmen zusammen. In unserem Testzentrum in Delft fahren regelmäßig die Prototypen ein und testen dann, wie die Fahrzeuge an der ABB-Ladeinfrastruktur laden, um sicherzustellen, dass der Ladevorgang für den Endkunden funktioniert, wenn dieser an der Ladesäule steht.
Und welche Ladesysteme haben Sie im Programm?
Ulrich Aschenbroich:
Es geht los bei der 3,7 Kilowatt AC-Wallbox, wir gehen dann hoch bis circa 22 Kilowatt Ladeleistung. Weiter geht es im DC-Bereich – hier von der 24-Kilowatt-DC-Wallbox bis hoch zur 600 Kilowatt Pantografen-Schnellladelösung für Elektrobusse. Dazwischen gibt es unsere 50kW-Ladegeräte Terra 53/Terra 54. An den Bundesstraßen und Schnellstraßen sind wir bei 150 bis 350 Kilowatt.
Wie sieht es mit der Ladeinfrastruktur in Städten aus? Hier ist es ja ein bisschen kniffliger eine Infrastruktur aufzubauen, oder?
Ralf Krumm:
Grundsätzlich haben Sie da erst mal recht. Die Herausforderungen in der Stadt sind andere. Zum einen gibt es weniger Freiflächen, um eine Infrastruktur aufzubauen. Wir haben auf der anderen Seite natürlich auch in den Städten Autos, die nicht alle an der Straße, sondern meist in Parkhäusern und Tiefgaragen parken. Und in diese Bereiche müssen wir mit den AC- oder auch mit DC-Wallboxen rein.
Ulrich Aschenbroich:
Die Herausforderung in der Stadt ist sicherlich auch die Lademöglichkeit, wenn Sie über keinen eigenen Stellplatz verfügen. Da gibt es zwei Alternativen, entweder man baut AC-Ladepunkte an den Bordsteinen, oder man schafft in der Stadt Schnellladeparks, wo man während eines Einkaufes für 20 Minuten sein Auto mit 100 bis 200 Kilometer Reichweite, je nach Fahrzeugtyp, versorgen kann. Hier muss man sich jedoch die Infrastruktur der Stadt ansehen: Wie viel Leerrohre sind da? Wie ist grundsätzlich die Infrastruktur in dieser Stadt aufgebaut? Ist es ein eher neueres Wohnviertel, wo zum Beispiel Steckdosen im Boden von vorneherein berücksichtigt wurden? Oder sind es eher gewachsene Infrastrukturen, wo man Tankstellen oder größere Parkplätze mit Schnelllademöglichkeiten der Größe 50 kW ausstatten muss?
Wie ist das Interesse von Industrieunternehmen an E-Flotten? Wittern Sie hier auch Geschäft?
Ulrich Aschenbroich:
Bei ABB steht die E-Flotte kurz vor dem Start. Die Dienstwagen sollen vorzugsweise elektrisch sein und mit unserer AC-Wallbox in der heimischen Garage geladen werden. Insgesamt sind wir bei Dienstwagenflotten im AC-Bereich. Für uns interessanter ist der Lebensmittelhandel und andere Handelsunternehmen. Genauer der letzte Kilometer von den Zentrallagern hin zum Kunden, wo dann in Zukunft auch elektrische LKW, elektrische Lieferwagen fahren werden. Hier reden wir über deutlich kürzere Verweildauern an den Standorten. Im Optimalfall kommt der Transporter hin, wird beladen und geht wieder auf seine nächste Versorgungstour. Das heißt, in dieser Zeit muss dann die Batterie möglichst schnell geladen werden, sodass wir hier wieder im DC-Bereich liegen und uns da durchaus ein Geschäft versprechen. Wir sind mit Handelsunternehmen bereits in der Konzeptentwicklung und starten ganz früh in der Beratung, um das Unternehmen und uns bestmöglich zu positionieren.
Amazon macht da gerade groß Werbung, dass sie rein elektrische Lieferfahrzeuge möchten.
Ulrich Aschenbroich:
Amazon ist ein ganz, ganz heißer Kandidat. Hierfür haben wir auch ein Start-up gekauft, was sich mit der Entwicklung von Softwarelösungen für E-Fleet und für das Management von E-Fleets beschäftigt. Wir haben Amazon als Kooperationspartner gewonnen und treiben gemeinsam diese Entwicklung voran.
Zum Abschluss noch eine Frage: Wo sehen Sie die Mobilität in den nächsten fünf Jahren?
Ralf Krumm:
Die Vielfalt der elektrischen Fahrzeuge wird in den nächsten Jahren stark zunehmen. Die meisten Autokonzerne haben sich hundertprozentig dazu bekannt. Es ist zu erwarten, dass wir eine echte, richtige Auswahl bekommen. Und was ich vor allen Dingen auch schon seit Jahren vorher gesagt habe: Die Weiterentwicklung in der Batterietechnologie und in der Effizienz der Antriebe führt dazu, dass mittlerweile sehr brauchbare Reichweiten erzielt werden, sodass die Praktikabilität der Fahrzeuge immer weiter steigt. Auf der anderen Seite haben wir natürlich ein kleines Henne-Ei-Problem: Fahrzeuge mit der längsten Reichweite sind nur dann praktikabel nutzbar, wenn es eine hinreichend gute Ladeinfrastruktur gibt. Und somit gibt es keine Alternative, als den Ausbau voran zu treiben. ABB wirkt hier sehr stark mit. Ich habe gerade gelesen, der Washington State will 2030 aus dem Verbrennungsmotor rausgehen, Kalifornien 2035. Viele Automobilhersteller, auch aus Deutschland, kündigen an, keine neuen Verbrennungsmotoren mehr zu entwicklen. Und somit gehe ich davon aus, dass elektrische Fahrzeuge zumindest in der mittleren Frist die Technik der Wahl sein werden.
Ulrich Aschenbroich:
Die Zukunft wird elektrisch sein. Ich habe auch seit dem ersten April meinen vollelektrischen Dienstwagen in der Garage stehen, habe noch keine eigene Ladesäule, freue mich jedoch auf meine eigene Wallbox, die im Sommer kommt. Insgesamt werden wir im individualen PKW-Verkehr elektrische Fahrzeuge in Zukunft sehen. Auch im Öffentlichen Personennahverkehr, wenn wir über die Elektrifizierung von Busflotten reden, gibt es das klare Commitment hin zu Elektrobussen. Es gibt sehr erfolgreiche Verkehrsunternehmen wie in Hamburg, die aktuell schon sehr viele Elektrobusse betreiben, wo wir mit zu den Ausrüstern gehören und das erste vollelektrische Busdepot mit Value Added Services installiert haben. Also demzufolge, es wird eine rosige Zukunft werden, was die Elektromobilität angeht.