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Sind Erbsen die Proteinquelle der Zukunft?

Bild: iStock, temmuzcan
20.02.2017

Wir essen heute anders als vor 50 Jahren. Zum einen sorgen der immer hektischere Alltag und neue Produktionsmethoden für den Umbruch. Zum anderen legen die Menschen heute gesteigerten Wert auf eine gesunde Ernährung. Wie die Lebensmittelbranche auf diese Entwicklungen reagiert, lesen Sie hier.

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Vegan, bio, gluten- und laktosefrei: Ernährung ist kompliziert geworden. Allergiker haben besondere Ansprüche, aber auch Superfoods für Gesundheitsbewusste sind stark gefragt. Zudem muss es im Alltag oft fix gehen – schnelle (Fertig-)Gerichte verkaufen sich wie geschnitten Brot. Und eine letzte Rahmendbedingung, die die Nahrungsmittelindustrie berücksichtigen muss: Die Weltbevölkerung wächst – es muss also Nahrung für immer mehr Menschen verfügbar sein. Das alles hat Konsequenzen für die Nahrungsmittelindustrie.

Nestlé ist in seiner Zukunftsstudie „Wie is(s)t Deutschland 2030?“ mit rund 1.000 Teilnehmern der Frage nachgegangen, wie die Ernährung der Zukunft aussehen wird. Viele werden 2030 zu Hause gut schmeckende und gesunde Fertiggerichte und unterwegs hochwertige Snacks zu sich nehmen. Essen wird in der Regel eher geliefert als selbst gekocht, zumal Wohnraum in den Städten teurer und damit die Küchen kleiner werden. Sie dienen meist nur zur schnellen Nahrungsaufbereitung.

Ernährung als Statussymbol

Parallel spielt das Thema Gesundheit eine große Rolle: Mehr als 50 Prozent der Studienteilnehmer stellen sich eine Zukunft vor, in der eine gesunde Ernährungsweise und Ressourcenschonung kombiniert sind. Ernährung könnte sogar zum Statussymbol und Ausdruck unseres persönlichen Lebensstils werden. „Ernährung wird zunehmend zu einer Frage der Weltanschauung. Die Verbraucher wünschen sich daher von der Lebensmittelindustrie und dem Handel Produkte und Services, die den individuellen Bedürfnissen und Wertvorstellungen entsprechend zu einer nachhaltigen und gesunden Ernährung beitragen", sagt Hartmut Gahmann, Head of Corporate Communications Nestlé Deutschland.

Das verlangt nach neuen Konzepten und neuen Rohstoffen. „Schonende Produktionsprozesse, die möglichst viele natürliche Strukturen, Eigenschaften und Stoffe erhalten, gewinnen mehr an Bedeutung. Verbraucher möchten wieder zurück zu den Wurzeln und lehnen stark verarbeitete Produkte ab“, betont Jonathan Scharf, Qualitätsmanager von Euroduna Food Ingredients. „Besonders interessant ist hierbei die Fermentation. Eine Fermentation von bisher nicht fermentierten Rohstoffen mit speziellen Kulturen kann das Einsatzgebiet eines Rohstoffes sehr erweitern, erhält wesentlich mehr wertvolle Nährstoffe und wird als natürlich angesehen.“ Erbsenprotein zum Beispiel wird traditionell mit Säuren extrahiert. Für Bio-Qualitäten ist dies jedoch nicht zulässig. Daher wurde der Produktionsprozess bei Euroduna so umgestellt, dass das Protein mithilfe von Bakterien freigelegt und anschließend zentrifugiert werden kann. Allerdings ist der Entwicklungsaufwand sehr hoch.

Nicht billiger, sondern besser produzieren

Das zeigt: Viele Anbieter wollen nicht billiger produzieren, sondern hochwertiger. Und sie wollen ballaststoffhaltigere, proteinhaltigere oder einfach gesündere Nahrungsmittel auf den Markt bringen. Nestlé beispielsweise experimentiert bereits mit einem Schokoriegel, der lecker süß ist, aber weniger Zucker enthält. Forscher von Nestlé haben herausgefunden, wie man Zucker anders strukturieren kann, während ausschließlich natürliche Inhaltsstoffe genutzt werden. Obwohl so deutlich weniger Zucker in der Schokolade ausreicht, nimmt die Zunge noch immer nahezu dieselbe Süße wahr. Dieser neue, sich schneller auflösende Zucker wird es Nestlé ermöglichen, den Zuckergehalt in den Süßwaren signifikant zu verringern – bei gleichbleibend gutem Geschmack. Damit soll es möglich sein, Zucker in Süßigkeiten um bis zu 40 Prozent zu reduzieren. Nestlé patentiert diese Entdeckung und wird den neuen Zucker bei einer Reihen von Produkten aus dem Süßwarensegment ab 2018 nutzen. Außerdem arbeitet Nestlé daran, die Nährstoffprofile seiner Produkte zu verbessern, indem Zucker, Salz und gesättigte Fette reduziert und Vitamin-, Mineral- und Vollkorngehalt gesteigert werden. Andere Hersteller forschen an einem Ballaststoff aus der Tomate, der Hefeextrakt ersetzen könnte. Denn Tomaten enthalten Glutaminsäure, eine Aminosäure mit geschmacksgebender Komponente, die den Eigengeschmack von Produkten hervorhebt. Glutaminsäure ist nicht zu verwechseln mit Glutamat, einem Salz der Glutaminsäure.

Erbse – Protein mit Zukunft

Eine grüne Zukunft prophezeit man auch der Erbse. Erbsenprotein ist ein wunderbarer Ersatz für Sojaprodukte, auf die viele Menschen allergisch reagieren oder den Geschmack ablehnen. Es ist günstig und steht (noch) nicht auf der EU-Allergenliste. Zudem wird die Erbse in der EU angebaut und muss daher nicht aus Übersee importiert werden. Dreht man das Erbsenprotein durch einen Extruder, also eine Art Fleischwolf, erhält man eine fleischähnliche Konsistenz, die als Grundlage für kreative vegetarische und vegane Produkte funktioniert.

Doch es gibt auch Nachteile, erklärt Jonathan Scharf: „Erbsenprotein schmeckt meistens leicht bitter und kommt bei Weitem nicht an die Funktionalität von Sojaprotein heran. Das gleiche gilt auch für das Lupinenprotein.“ Auch Reisprotein schneidet schlecht ab: Es ist relativ teuer und hinterlässt teilweise ein sandiges Gefühl auf den Zähnen. Und so spielt weiterhin Soja mit Abstand die wichtigste Rolle, auch wenn es weiterhin ein negatives Image hat. Völlig zu Unrecht, wie Jonathan Scharf beteuert. „In der EU spielt das sogenannte Gen-Soja im Lebensmittelbereich überhaupt gar keine Rolle. Ich kenne keinen Produzenten, der Gensoja in diesem Bereich einsetzen würde. Wir bei Euroduna Food stellen strenge Qualitätsanforderungen an unsere Lieferanten. Alle unsere Soja-Produkte sind ohne Gentechnik, also mit unter 0,1 Prozent GMO unterhalb der Nachweisgrenze.“

Vegan hat sich (noch) nicht durchgesetzt

Ob der vegane Trend andauert, da sind sich die Experten uneins: Bei Euroduna glaubt man, „dass sich der Trend zu gesunden und veganen Produkten weiter fortsetzen wird. Die Menschen achten sehr genau darauf, was auf der Zutatenliste steht. Weniger Kohlenhydrate (Zucker), mehr Eiweiß, weniger Fleisch, mehr vegan.“ Die GfK beurteilt die Lagen anders: Der Trend zu veganen „Vleisch“-Produkten jedenfalls flaut aktuellen Zahlen der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) zufolge seit Sommer 2016 wieder ab. Viele Menschen haben vegetarische Fleischwurst oder Sojaschnitzel aus Neugier probiert, aber nachdem die Verbraucherzentralen und die Medien inzwischen auch kritisch auf die Zusatzstoffe in veganen Fleischersatzprodukten hinweisen, wechseln viele Verbraucher wieder zu Fleisch zurück. Der einst boomende Markt köchelt auf Sparflamme.

Die schrumpfenden Umsatzzahlen betreffen aber weder Mangos noch Kartoffeln oder Nüsse – es geht allein um Kreationen wie Fleischsalat und Bratwurst ohne Fleisch, also hochgradig synthetisch verarbeitete Produkten, die ihre fleischähnliche Struktur und ihren Fleischgeschmack nur mit Hilfe von Aromen und Geschmacksverstärkern bekommen. Aminsosäure, Antioxidantien, Farbstoffe, Enzyme, Proteine, Kräuter und Gewürze: Sie machen Lebensmittel und Fertigprodukte lange haltbar und reichern sie mit Geschmack an. Zudem helfen sie, Produktionskosten oder Produktionszeit zu sparen. Dabei empfiehlt es sich, von seinen Lieferanten ein systematisches Qualitäts- beziehungsweise Hygienemanagementsystem zu fordern. Als Grundlage dafür können anerkannte Regelwerke wie DIN ISO 9001 ff, IFS, EU-Öko-Verordnung DE-ÖKO-005 und BRC dienen.

Lieferantensuchmaschine Food-Ingredients

Um einen passenden Lieferanten zu finden, kann man die Lieferantensuchmaschine für Lebensmittelzutaten unter www.food-ingredients.com bemühen. Hier finden sich 3.650 B-to-B-Lieferanten und 46.816 Zusatzstoffe von Aminsosäuren, Antioxidantien, Kakaoprodukten, Farbstoffen, Enzymen, Proteinen und Kräutern und Gewürzen für den industriellen Bedarf. Die Datenbank gibt an, woher die Zusatzstoffe kommen und wo der Hersteller seinen Sitz hat. Doch beliebt sind die Zusatzstoffe beim Endverbraucher nicht. Eine Studie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, die von der Ernährungsindustrie in Auftrag gegeben wurde, hat gezeigt: Rund zwei Drittel der Deutschen plädieren für eine Ernährungsampel. 68,8 Prozent der Befragten würden Verzehrempfehlungen nicht als Bevormundung empfinden. Und sogar Schockbilder aus der Massentierhaltung würden akzeptiert: 58 Prozent wären nicht dagegen, wenn die Verpackungen tierischer Produkte Abbildungen zeigen müssten, die die Haltungsbedingungen von Nutztieren dokumentieren, also etwa Fotos von Legehennen auf Eierschachteln.

Höhere Qualität ja – doch zugleich sind die Konsumenten nur selten bereit, für bessere Qualität bei Nahrungsmitteln mehr zu bezahlen. Wie Hinnerk Ehlers von Frosta verrät, ist es für den Tiefkühlspezialisten immer noch schwer, den Unterschied zu konventioneller Tiefkühlkost transparent zu machen. 2003 begann Frosta seine Produktion umzustellen und komplett auf Zusatzstoffe und Aromen zu verzichten. Auch Milchpulver und andere pulverisierte Zutaten hat Frosta aus seiner Produktion verbannt. Dadurch stiegen die Produktionskosten um rund 20 Prozent. Für die Produktion bedeutet das, dass der eine oder andere Fertigungsschritt extra anfällt. Das Salz ohne Rieselhilfe, das Frosta verwendet, muss beispielsweise je nach Witterung manchmal vor dem Verarbeiten erst noch durch eine eigens dafür konstruierte Mühle rieseln. Und auch Knoblauch muss erst noch durch die Presse, bevor er in die Soße kommt. Doch das Ergebnis schmeckt besser. Und dieser Mehraufwand hat Frosta neue Kunden beschert: Der Anteil an LOHAS stieg deutlich und liegt heute bei rund 30 Prozent. LOHAS sind Menschen, deren Lebensstil von Gesundheitsbewusstsein und Nachhaltigkeit geprägt ist, meist mit höherem Einkommen. Und auch Menschen, die lieber selbst kochen und sonst keine Fertigprodukte kaufen, greifen bei Frosta hin und wieder zu.

Die Menschen wollen sich also gesünder ernähren. Und viele – wenn auch nicht alle Verbraucher wählen ihre favorisierten Produkte auch nach ethischen, sozialen oder nachhaltigen Präferenzen aus, verrät Hartmut Gahmann von Nestlé: „Der Druck auf die Unternehmen wächst, befeuert vom Wandel der Industrie- zur Netzwerkökonomie. Die Zukunftschancen liegen im engen Dialog und der Bereitschaft, die eigenen Produkte mit den Bedürfnissen der Verbraucher abzugleichen.“ Denn für viele Kunden bleibt der Wunsch nach Genuss ein wichtiges Motiv: Essen soll wertvoll und gesund sein und uns gut tun.

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