Neue Wege der Mensch-Maschine-Interaktion Intelligente Haut wird zum Sensor für digitale und virtuelle Umgebungen

E-skins ahmen die Funktionen menschlicher Haut nach, stoßen jedoch aufgrund ihres hohen Energiebedarfs und komplexer Elektronik an praktische Grenzen – ein Forschungsteam am HZDR entwickelt daher eine deutlich energieeffizientere und flexiblere Alternative zur Magnetfeld-Erkennung.

Bild: publish-industry, DALL·E
27.03.2025

Mit einer Kontaktlinse durch virtuelle Welten navigieren oder das Smartphone unter Wasser steuern – was nach Science-Fiction klingt, könnte mit neuartigen E-skins bald Wirklichkeit werden. Ein Forscherteam unter Leitung des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) hat eine elektronische Haut entwickelt, die mit nur einem globalen Sensor Magnetfelder erfassen und präzise verfolgen kann. Die künstliche Haut ist leicht, transparent, luftdurchlässig – und ahmt das Zusammenspiel von menschlicher Haut und Gehirn nach.

Ursprünglich für die Robotik entwickelt, imitieren E-skins die Eigenschaften echter Haut. Sie lassen Roboter fühlen oder ersetzen verlorene menschliche Sinne. Einige erkennen sogar chemische Substanzen oder Magnetfelder. Doch die Technologie hat ihre Grenzen. Hochfunktionale E-skins sind oft unpraktisch, da sie viel Elektronik und große Batterien benötigen. „Bisherige Technologien erfassen Magnetfelder mit vielen einzelnen Sensoren und Transistoren – ähnlich den Berührungssensoren in einem Smartphone-Display. Unsere Idee war, ein System zu entwickeln, das energieeffizienter ist und besser zum Menschen und zur weichen menschlichen Haut passt“, sagt Denys Makarov vom Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung am HZDR.

Leichter, flexibler und intelligenter

Die Forschenden ersetzten daher die recht steifen und dicken Substrate, die üblicherweise die Elektronik beinhalten, durch eine wenige tausendstel Millimeter dünne, leichte und flexible Membran. Die gesamte Membran ist optisch transparent und perforiert, so dass die künstliche Haut luft- und feuchtigkeitsdurchlässig bleibt und die darunterliegende echte Haut atmen kann.

Für die Aufnahme elektronischer Bauteile wäre diese hauchdünne Unterlage jedoch nur bedingt geeignet. Die neuen E-skins arbeiten stattdessen mit einer magnetosensitiven Funktionsschicht, die als globale Sensorfläche dient und den Ursprung magnetischer Signale präzise lokalisierbar macht. Das Prinzip: Magnetfelder verändern den elektrischen Widerstand des Materials. Eine zentrale Analyseeinheit berechnet aus diesen Änderungen den Signalort. Das kommt nicht nur dem Funktionsprinzip echter Haut näher, sondern spart auch Energie.

Künstliche Haut, fast menschliche Wahrnehmung

„Solch großflächige magnetosensitive Smart Skins gab es bisher nicht“, sagt Pavlo Makushko, Doktorand am HZDR und Erstautor der Studie. „Konzeptionell funktionieren E-Skins jetzt ähnlich wie der menschliche Körper. Bei echter Haut spielt es keine Rolle, wo ich sie berühre: Das Signal gelangt über die Nerven ins Gehirn, wird dort verarbeitet und das Gehirn erkennt den Berührungspunkt. Bei den neuen E-skins nutzen wir nun eine einzige globale Sensorfläche – wie unsere Haut. Und eine einzige zentrale Ausleseeinheit rekonstruiert das Signal – wie unser Gehirn“.

Möglich macht das die Tomographie, ein Verfahren, das auch bei MRT- oder CT-Scans in der Medizin verwendet wird. Es rekonstruiert die Position eines Signals aus vielen Einzelaufnahmen. Für E-skins mit Magnetfeldsensoren ist diese Technologie neu – sie galt als zu wenig empfindlich für einen niedrigen Signal-Kontrast konventioneller magnetosensitiver Materialien. Dass es uns gelungen ist, diese Methode experimentell zu bestätigen, ist ein bedeutender technischer Erfolg unserer Arbeit, betont Makushko.

Unsere Umwelt durch die Magnetbrille erfahren

Die neuen E-skins ermöglichen es, Signalwege lückenlos zu verfolgen. Dadurch werden Anwendungen möglich, die digitale Muster erkennen: sei es ein intelligenter magnetischer Stift, berührungslose Interaktionen in der virtuellen Realität oder das Bedienen eines Smartphone-Displays in extremen Umgebungen wie beim Tauchen. Oft trägt dabei nicht der Mensch, sondern die Maschine die künstliche Haut mit Magnetsinn.

Gleichzeitig sind Magnetfeldsensoren weniger störanfällig als herkömmliche Elektronik. Robotersysteme könnten mit ihnen Bewegungen detektieren – selbst in komplexen Umgebungen, wo andere Methoden versagen. Im Winter könnten Menschen ein mit optisch transparenten Magnetsensoren ausgestattetes Smartphone mit einem Magnetpad am Finger eines Handschuhs bedienen, ohne Störungen durch fremde Elektronik fürchten zu müssen. Der Magnetsinn wird nicht zum Kompass, sondern zum einzigartigen Kommunikationskanal für Mensch und Maschine.

Bildergalerie

  • Schematische Darstellung einer elektronischen Haut mit Magnetsinn, die Magnetfelder mit einem einzigen, globalen Sensor erspüren und präzise verfolgen kann.

    Schematische Darstellung einer elektronischen Haut mit Magnetsinn, die Magnetfelder mit einem einzigen, globalen Sensor erspüren und präzise verfolgen kann.

    Bild: P. Makushko / HZDR

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