Unter der Leitung von Infineon kommen im Projekt „Intelligent Reliability 4.0“ 75 Konsortialpartner aus 13 Ländern zusammen, um eine nachhaltige Zuverlässigkeits-Community aufzubauen. Übergeordnetes Ziel ist es, die Zuverlässigkeit elektronischer Komponenten und Systeme durch Reduzierung ihrer Fehlerrate zu verbessern.
„Halbleiterbauelemente und elektronische Systeme erreichen Grenzen und werden empfindlicher gegenüber den reduzierten Toleranzen immer komplexer werdender Gehäuse- und Board-Technologien“, erklärt Dr. Volkmar Stenzel, Projektkoordinator am Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM. „Zudem können sich zahlreiche neue Anwendungen einfach keine Ausfälle leisten.“
Schutzbeschichtungen gegen Korrosion
Die Projektpartner wollen die Zuverlässigkeit unter anderem durch ein tiefes Verständnis der „Physics of Failure“ sowie Methoden der Künstlichen Intelligenz vorantreiben. Am Fraunhofer IFAM werden aber auch spezielle Schutzbeschichtungen entwickelt, die Mikroelektronik vor verschiedenen Umgebungseinflüssen schützen sollen.
„Bei den mehr als 30 ausgewählten Industriepiloten nimmt die Materialentwicklung zum Schutz der Komponenten und damit zur Langlebigkeit und funktionalen Sicherheit der Elektronik eine Schlüsselrolle ein“, sagt Stenzel, der am Fraunhofer IFAM auch die Abteilung „Lacktechnik“ leitet. „Die dauerhafte Verhinderung von Korrosion ist dabei das Ziel.“ Zusammen mit dem Know-how der Abteilung „Plasmatechnik und Oberflächen“ sollen sich dabei völlig neuartige Schutzbeschichtungen für Mikroelektronik entwickeln lassen.
„Die Aufgabe innerhalb des ,iRel40‘-Arbeitspaketes ,Materialentwicklung und -prüfung für den Bauteilschutz‘ besteht in der Entwicklung und Charakterisierung von speziellen Schutzbeschichtungen gegenüber der Diffusion von Wasser beziehungsweise Elektrolytlösungen und Sauerstoff“, erklärt Stenzel. „Durch diese Schichten soll verhindert werden, dass es im Bereich der metallischen Strukturen der mikroelektronischen Komponenten zu Korrosionserscheinungen und dadurch zu Fehlfunktionen oder Bauteilausfällen kommt.“
Im Fokus der Projektarbeiten stehen vor allem Mikrochips und Halbleiterstrukturen für Leistungselektronik, die auf Basis von Barrierepigmenten und aktiven Korrosionsinhibitoren besser geschützt werden sollen. „Weiterhin wird die Kombination dieser Materialien mit plasmapolymeren Schichten untersucht, die für die Aufgabenstellung der Adhäsionsvermittlung unter Wärmebelastung und Schutz vor altersbedingter Unterwanderung gezielt adaptiert werden“, ergänzt Stenzel.
Höherer Schutz durch Kombinationsbeschichtungen
Im Detail besteht das Beschichtungskonzept aus einem neuartigen Mould-Material auf Basis von Silikongelen. Alternativ sind auch Compression-Mould-Materialien möglich, die im Hinblick auf die Anwendung mit aktiven Korrosionsinhibitoren optimiert werden.
Zusätzlich wird eine Barriereschicht auf Basis von UV-strukturierbaren Polymeren und speziellen Pigmenten entwickelt. Hierbei kann es sich entweder um zwei einzeln applizierbare Schichten handeln, deren Position im Gesamtschichtaufbau dem Anwendungsprofil angepasst wird, oder aber um eine Kombinationsschicht, in der sowohl der Korrosionsschutz als auch die Barrierewirkung eingesetzt werden. Neben der Funktionalität streben die Forscher dabei vor allem ein gutes Entwärmungsverhalten an.
Auch Plasmapolymerschichten werden angewendet. Sie adressieren speziell die Fragestellung der Adhäsionsvermittlung zwischen dem metallischen Leiter und Mould-Material beziehungsweise der Schutzbarriereschicht. Dabei geht es sowohl um den Schutz der Leiteroberfläche oder Bondverbindung für den Fall des Adhäsionsverlustes als auch um den Ausgleich der unterschiedlichen thermischen Ausdehnungskoeffizienten während des Betriebs. Ebenso sollen die Schichten schädliche chemische Reaktionen, die im Laufe der Nutzungsdauer entstehen, auf ein Minimum reduzieren.
Optimierung entlang der Wertschöpfungskette
Das Schutzsystem soll am Ende neben Korrosion auch andere Schäden verhindern, beispielsweise durch Feuchtigkeit oder Schadgase. Dafür wird das Mould-Material unter anderem mit aktiven Korrosionsinhibitoren ausgestattet, was eine Kombination aus Korrosionsschutz und Vermeidung von Umwelteinflüssen ergibt – besonders hinsichtlich Anforderungen an Schichtdicke und thermische Stabilität.
Eine ergänzende Barriereschicht kann mittels plättchenförmiger Partikel Bauteile ebenfalls gegen Schadgase und Feuchtigkeit abschirmen. Außerdem planen die Forscher, eine Schichtabscheidung durch atmosphärische Plasmatechnik umzusetzen, die mit sehr geringen Schichtdicken unter 1 µm die Oberflächen formgenau abschließt. Auf diese Weise erhöht sich die Schutzwirkung, ohne signifikanten Einfluss auf das Entwärmungsverhalten der Bauteile zu nehmen.
Die Technologien werden während des Projekts entlang der Wertschöpfungskette mit verschiedenen Partnern aus Forschung und Industrie bewertet und laufend aktuellen Anforderungen angepasst. Das soll ein gezieltes und anwendungsorientiertes Vorgehen sicherstellen und die neuen Technologien zukunftsgerichtet optimieren.