Smart Traffic & Mobility „Raus aus der Nische“

„Alles, was im Motorraum ein Kabel hat“, so beschreibt Hanno Jelden seine Aufgabe bei Volkswagen, zu der auch die Entwicklung von Elektroantrieben gehört. Der Elektro­ingenieur begann 1986 direkt nach dem Studium bei Volkswagen und übernahm sieben Jahre später die Entwicklung des ersten E-Gas-Systems für Dieselmotoren. Seit 2005 leitet er die Entwicklung der Antriebselektrik und -elektronik.

31.01.2014

Im Sommer 2014 geht der Golf als Plug-in-Hybrid an den Start. Im Gespräch mit Mobility 2.0 erläutert Hanno Jelden, Entwicklungsleiter für Antriebselektronik, warum Volkswagen auf die neue Hybridtechnik setzt.

Mobility 2.0: Herr Jelden, wissen Sie noch, wann Sie das erste Mal gedacht haben: Das mit dem Elektroauto könnte etwas werden?

Hanno Jelden: Um die Jahrtausendwende hatte die Volkswagen-Forschung auf Basis des Bora die ersten Prototypen mit Lithium-Ionen-Akku aufgebaut. Die Batterien waren noch schwerer als bei heutigen Elektroautos, die Motoren waren weniger effizient und dynamisch, aber man konnte schon sehen: Im Prinzip geht das, und es kann sogar richtig Spaß machen.

Wie muss sich denn elektrisches Fahren anfühlen?

Das Auto muss verzögerungsfrei beschleunigen, noch dynamischer sein als ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor. Dabei darf man nichts hören, gar nichts! Das Fahren muss sich agil und leichtfüßig anfühlen, trotz der relativ schweren Batterie. Und das Fahren sollte so sorgenfrei sein, dass man die Augen nicht ständig auf der Reichweitenanzeige hat.

Klingt für mich nach der Beschreibung eines Plug-in-Hybridfahrzeugs.

Da gibt es schon einen logischen Zusammenhang. Zunächst einmal ist das elektrische Fahren faszinierend. Aber viele sagen dann doch: „Die Ladezustandsanzeige macht mir Sorge“. Der erste Ansatz war, mit allen Experten des Konzerns danach zu suchen, ob in den nächsten zehn Jahren eine neue Batterietechnologie zur Verfügung steht. Die Erkenntnis: Was in zehn Jahren auf der Straße sein soll, ist heute schon in der Forschung. Wenn es gut geht, gewinnen wir gegenüber dem Stand der Technik etwa die doppelte Energiedichte. Für die nächsten zehn Jahre wird daher bei zirka 200 bis 300 Kilometer Reichweite ein gutes Verhältnis von Batterie- zu Fahrzeuggewicht liegen. Wenn man ein sehr sportliches Fahrzeug mit tiefem Schwerpunkt und guter Raumausnutzung entwickelt, kann die Batterie noch etwas größer ausfallen, aber auch dann ist mit Automotive-Zellen bei gut 300 Kilometer Reichweite eine sinnvolle Grenze erreicht. Der Plug-in-Hybrid ist da in vielerlei Hinsicht besser. Man hat auf kurzen Strecken ein reines Elektrofahrzeug und für längere Strecken eine nahezu unbegrenzte Reichweite. Damit kommen wir raus aus der Nische.

Ob Elektroauto oder Plug-in-Hybrid, elektrische Reichweite ist kostbar. Was tun Sie, um den Batteriestrom bestmöglich zu nutzen?

Schauen Sie sich das derzeit effizienteste Elektrofahrzeug, den E-Up! mit einem Verbrauch von 11,7 kWh auf 100 Kilometer an. So etwas schafft man nur mit einem ganzheitlichen Ansatz, der den Energieverbrauch jeder einzelnen Komponente optimiert – wirklich jeder. So schauen wir uns bei einem Magnetventil die Stromaufnahme genauso an wie die Reibungsverluste in einem Getriebe- oder Radlager.

Welche Effizienzsteigerungen sind denn beim Elektromotor selbst noch möglich?

Wir haben in den zyklusrelevanten Betriebspunkten mit unserer neu entwickelten E-Motorengeneration durchschnittlich noch einmal drei Prozent Wirkungsgrad geholt. Das ist relativ viel, denn je nach Betriebspunkt beträgt der Wirkungsgrad bereits zwischen 85 und 96 Prozent. Nicht zu vergessen: Der bessere Wirkungsgrad kommt auch der Rekuperation zugute.

Warum haben Sie sich beim Golf Plug-in für eine Synchronmaschine mit Permanentmagneten entschieden?

Das ist kein Muss für alle Zeiten, grundsätzlich sind auch Asynchronmotoren oder elektrisch statt permanentmagnetisch erregte Synchronmotoren für Fahrzeugantriebe geeignet. In dieser konkreten Anwendung ist die PSM-Maschine aber die beste Lösung, denn sie bietet in einem knappen Bauraum die höchstmögliche Drehmomentdichte bei gutem Wirkungsgrad und erlaubt damit dem Golf sehr dynamische Fahrleistungen.

Aber besteht da nicht ein Zielkonflikt mit der Effizienz?

Richtig ist, dass bei hohen Drehzahlen die Magnete für einen Teil der auftretenden Verluste verantwortlich sind. Die Magnete müssen auf das hohe Drehmoment bei kleinen Drehzahlen ausgelegt werden, sie haben dann im oberen Drehzahlbereich Reserven. Um auch bei hohen Motordrehzahlen noch die volle elektrische Leistung zur Verfügung zu stellen, haben wir die Maschine thermisch und im Wirkungsgrad optimiert, etwa durch geänderte Wicklungen und reduzierte Innenwiderstände. Letztlich geht es um ganz viele Feinabstimmungen, die in Summe eine erkennbare Verbesserung bringen.

Auch der Golf Plug-in ist ein Parallel­hybrid. Warum?

Unter dem Aspekt des Gesamtwirkungsgrades – also auch des realen Verbrauchs in Kundenhand – und der erwarteten Fahrleistungen kam für uns nur ein Parallelhybrid in Frage. Wir wollten die Sportlichkeit eines Doppelkupplungsgetriebes mit der Effizienz eines Elektrofahrzeugs kombinieren. Dafür haben wir den Verbrennungs- und den Elektromotor parallel, also auf einer Welle angeordnet. So können beide Motoren auf die Eingangsseite des Doppelkupplungsgetriebes wirken. Für den Elektrobetrieb lässt sich der Verbrenner über eine Trennkupplung vom Elektroantrieb abkoppeln.

Und der Elektromotor ist Teil des Getriebes?

In gewisser Weise ja. Im Golf Plug-in kommt ein speziell für Hybridfahrzeuge entwickeltes Doppelkupplungsgetriebe zum Einsatz. Die beiden Kupplungen der Doppelkupplung und die Trennkupplung, die die Verbindung zwischen Verbrenner und Elektromotor trennen kann, bilden mit dem Elektromotor eine kompakte Einheit. Das Doppelkupplungsgetriebe kommt mit sechs statt sieben Gängen, wie zum Beispiel im Jetta Hybrid, aus. Das ist möglich, weil die E-Maschine mit ihrem hohen Drehmoment zusätzlich unterstützen kann und damit den nutzbaren Drehzahlbereich des TSI-Motors erweitert. Zudem spart das Weglassen eines Ganges Platz, der der E-Maschine zugute kommt.

Fährt Volkswagen auch bei den Elektromotoren – ähnlich wie bei den Verbrennern – eine Modulstrategie?

Ja, wir wollen Elektromobilität ja bezahlbar machen. Innerhalb des Baukastens unterscheiden wir grundsätzlich zwischen zwei Motorentypen: Hochdrehende E-Maschinen für reine Elektrofahrzeuge und Maschinen mit hohem Moment für die Parallelhybride. Wir müssen beim Parallelhybrid mit der E-Maschine die relativ niedrige Drehzahl des Verbrenners fahren und optimieren deshalb die E-Maschine auf ein hohes Drehmoment. Für das Elektrofahrzeug legen wir die Motoren hingegen leistungsoptimal aus und können auch höhere Drehzahlen bis 14.000/min zulassen.

50 Kilometer elektrische Reichweite versprechen Sie den Kunden des Golf Plug-in. Ist das bei einem Akku mit 8,6  Kilowattstunden realistisch?

Die Auslegung wird so sein, dass ein Kunde, der jeden Tag nur 40 bis 50 Kilometer pendelt, von Montag bis Freitag rein elektrisch fahren kann. Das ist der Anspruch der Kunden und daher auch unserer!

Das Interview führte Johannes Winterhagen, Mobility 2.0.

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