Smart Building Effizienz von Rechenzentren neu bewertet

Power Usage Effectiveness: Ein Index allein reicht nicht für ein effizientes Rechenzentrum.

Bild: vladru/iStockphoto
01.09.2015

Lange galt PUE, die Power Usage Effectiveness, als das Maß der Dinge für die Effizienz von Rechenzentren. Aber das Verhältnis von Energie fürs Rechnen zum Aufwand für die Kühlung lässt zu viele Faktoren außen vor.

Ein PUE von 1,1 oder darunter – was soll da noch schief gehen? Immerhin wird in einem Rechenzentrum mit dieser Power Usage Effectiveness nur zehn Prozent Zusatzenergie benötigt – vor allem zum Kühlen. Doch Fachleute erkennen immer klarer: Dieser Wert lässt wichtige Faktoren außer Acht, um die Energieeffizienz eines Rechenzentrums zu beurteilen, und muss deshalb ergänzt werden. Diese Schlussfolgerung zogen gleich mehrere Referenten auf der internationalen Rechenzentrumsmesse Datacloud Europe, zu der Anfang Juni rund 1800 Fachleute aus mehr als 50 Ländern im Grimaldi-Forum des Fürstentums Monaco zusammenkamen.

Durchdachtes IT-Management …

Zwei Einsichten aus der Praxis gaben zu denken: Gutes Management und gute Auslastung der Hardware eines Rechenzentrums und seiner Klima-Aggregate können sogar die Verwendung fossiler Energieträger partiell kompensieren. Anders herum erhöhen sich in Folge schlechter Auslastung und schlechten Managements Energieverbrauch und Kohlendioxidausstoß in beträchtlichem Umfang. Diese Erkenntnis referierte beispielsweise Christina Page, Global Director, Energy and Sustainability Strategy bei Yahoo. Eine Grafik, die die Untersuchungsergebnisse von Wissenschaftlern verdichtet, zeigt: Nur der Einsatz erneuerbarer Energien plus ein sorgfältiges IT- und Energiemanagement schaffen optimale Werte und machen Rechenzentren tatsächlich so grün wie heute möglich (siehe Grafik auf Seite 17). Als Beispiel wurde ein mit Kohlestrom betriebenes Rechenzentrum (RZ) verwendet, das eine relativ schlechte PUE von 1,8 aufweist.

Die x-Achse zeigt einen nach rechts stetig steigenden CO2-Ausstoß, auf der y-Achse wächst nach oben der Energieverbrauch. Das Kohlestrom-RZ kommt in beiden Fällen auf den schlechtesten Wert 1,0 (rote Raute rechts oben, D). Die Werte auf den Achsen 0 und 0 stehen für das Ideal eines Rechenzentrums ohne CO2-Ausstoß, das auch keine Energie verschwendet.

An der diagonalen Linie lässt sich ablesen, welche Faktoren ein Kraftwerk effizienter machen können. Ein Aspekt ist die Auslastung: Grün bedeutet, dass das RZ besser, Rot, dass es schlechter ausgelastet ist. Man sieht: Wird die Hardware effizienter eingesetzt, sinken Stromverbrauch und emittierte Treibhausgase (GHG: Greenhouse Gas).

Ein weiterer Faktor ist die Kühlung: ist sie optimal ausgelegt, verbessern sich die Werte weiter, ist sie überdimensioniert, verschlechtern sie sich. Steht das RZ in einem kühleren Klima, wirkt sich das zusätzlich positiv aus.

Zum Vergleich sind in der Grafik drei weitere Beispiel-RZ enthalten: C arbeitet mit einem Strommix, wie er in der USA üblich ist, B mit Erdgas-betriebenen Brennstoffzellen und A rein mit erneuerbaren Energien. Auch ihre Werte für Verbrauch und CO2 verbessern sich mit optimierter Auslastung und Kühlung.

… macht fossile Energie umweltfreundlicher

Die horizontalen Linien heben einige Effizienzwerte hervor, die durch unterschiedliche Auslastung des Rechenzentrums charakterisiert sind – sie zeigen deutlich, dass mit einem guten PUE-Wert noch längst nicht der Optimalzustand erreicht ist. Für PUE = 1,1 gibt es zwei Linien: Die grüne Linie ganz unten (1) markiert Rechenzentren mit optimal dimensionierter Kühlung, eine rote Linie oben (3) zeigt, welche Folgen eine schlechte Auslastung auf Energieverbrauch und Emissionen hat. Ein optimal gekühltes und ausgelastetes RZ mit einem PUE von 1,1 und Kohle als Betriebsenergie stößt damit weniger Treibhausgase aus als ein ineffizient gemanagtes RZ, das von der Energiequelle her umweltfreundlicher sein sollte.

Nur vollständig mit Renewables betriebene Rechenzentren stehen grundsätzlich besser da. Ohne Wechsel des Energieträgers lässt sich der relative Treibhausgasausstoß jedoch bereits um über 80 Prozent reduzieren (Schnittpunkt der Diagonalen mit der untersten grünen Linie bei 0,125).

Komplexe energetische Interaktionen

Sogar auf der rein energetischen Ebene sind die Verhältnisse weit komplexer, als es auf den ersten Blick erscheint. Denn wer nur auf den PUE-Wert schielt, verschenkt unter Umständen Effizienzressourcen. Wer im Rechenzentrum etwa Abwärme nutzen will, müsse unter Umständen einen höheren PUE-Wert in Kauf nehmen – so Ian Bitterlin vom Beratungsunternehmen Critical Facilities Consulting. Denn nur, wenn die Restwärme nicht zu gering sei, die Abwärme oder Abluft also ausreichend hohe Temperaturen erreiche, könne man überhaupt etwas damit anfangen.

Zudem sind die Energie- und Temperaturströme innerhalb der Rechnerreihen längst noch nicht umfassend mathematisch erfasst und in Parameter gegossen. Während sich die bisherigen Mess- und Berechnungsmethoden meist mit dem primären Energieverbrauch befassten, arbeiten einige Wissenschaftler beispielsweise an einer mathematischen Erfassung auch der Energie, die durch Luftverwirbelung in den Rechnergängen verlorengeht. So gelangt ein Teil der Kaltluft aus dem Boden nicht in die Kühlgänge und ein Teil der warmen Abluft deswegen mangels ausreichenden Luftdrucks im Kaltgang wieder in den Rechnerbereich (siehe Bild auf Seite 18). Dadurch entstehen spontan Hot- und Cool-Spots, die sich mit den üblichen Durchschnittsberechnungen nicht erfassen lassen, die aber dennoch die Effizienz senken.

Die Berechnung der Werte für diese Phänomene erfordert komplexe strömungsdynamische Berechnungen. Marta Chinnici, Senior Researcher bei ENEA, der italienischen Agentur für neue Technologien, Energie und nachhaltige Entwicklung, und Alfonso Capozzoli, Senior Assistant Professor am Polytechnikum in Turin, die an diesem Thema arbeiten, können deshalb noch nicht sagen, wie groß der Einfluss tatsächlich ist.

Kennzahlen für die Wirtschaftlichkeit

Sehr greifbar sind aber die Effekte eines unzureichenden Nutzungsgrades. „Die Auslastung der Strom- und Kühlungsinfrastruktur der meisten Rechenzentren liegt heute bei maximal 30 bis 40 Prozent, oft sogar noch weit darunter“, kritisiert Jakob Carnemark, CEO des US-Datacenter-Betreibers Aligned Energy. Das führe dazu, dass die Kunden von Datacenter-Providern häufig zu viel bezahlten. Carnemark schlägt daher zwei neue Parameter vor: Leasingkosten-Effektivität (Lease Use Effectiveness) und Gesamt-Leasingkosten-Effektivität (TCUE, Total Cost of Use Effectiveness). Sie sollen den Nutzungsgrad der Infrastruktur in die Berechnungen holen.

Der LUE-Wert ergibt sich, wenn man die Infrastruktur-Mietkosten durch den Kostenanteil dividiert, der auf die tatsächlich genutzte (also nicht brachliegende) Infrastruktur entfällt. Bei der TCUE-Berechnung werden tatsächliche Gesamtenergie- und Mietkosten addiert und durch die Summe aus IT-Stromverbrauch und Mietkosten des tatsächlich genutzten Equipments geteilt. Dadurch fließen sowohl die Energie- als auch die Nutzungseffizienz in die Gesamtberechnung mit ein.

Sicherheit kontra Energieeffizienz?

Zu den größten Effektivitätskillern gehört übrigens das Sicherheitsbedürfnis. Wer Infrastrukturen doppelt oder dreifach auslegt, zahlt und verbraucht auch doppelt oder dreifach. Inzwischen gibt es eine Reihe von Ansätzen, dieses Problem zu lösen. Zunächst erfordert nicht jede Anwendung das Bereithalten von Zusatzgeneratoren oder unterbrechungsfreien Stromversorgungen (USV). So verzichtet das neue Rechenzentrum des GSI Helmholtzzentrums für Schwerionenforschung auf USVs: Wenn der Strom ausfällt, arbeitet auch der Teilchenbeschleuniger nicht. Somit fallen keine Daten an, die ausgewertet werden müssten – die IT darf dann ebenfalls ruhen. Außerdem basiert dieses Rechenzentrum auf der mehrfach preisgekrönten eCube-Architektur, bei der Versorgungselemente nach dem n+1-Prinzip ausgelegt werden, statt für jedes Element ein Ersatzelement bereitzuhalten.Trotzdem dürfte die Sicherheit auch für viele Businsss-Anforderungen reichen.

Ein weiterer Ansatz ist die Modularisierung: Es wird immer nur so viel Rechenzentrum gebaut, wie in absehbarer Zeit erforderlich ist. Modulare Ansätze gibt es mittlerweile viele, auf dem deutschen Markt wollen beispielsweise derzeit die Anbieter ICTroom und Commworks ihre Aktivitäten ausweiten. Ein weiterer Weg ist, mit seinen Rechenaufgaben oder Rechnern in ein kühles Klima auszuweichen, wie es neuerdings etwa Google, Facebook und Apple tun, die Rechenzentren in Nordeuropa errichtet haben. Auch produzierende Unternehmen gehen diesen Weg: So rechnet BMW einen Teil seiner Simulationen beim isländischen Provider Verne Global.

Erneuerbare Energie für die IT

Doch ideal ist das nicht. „Eigentlich sollte man für Rechenzentren neue Kraftwerke mit erneuerbarer Energie bauen, statt bereits vorhandene Wasserkraft in Rechenzentren zu stecken“, sagte Yahoo-Managerin Christina Page in Monaco. „Denn nur so steigt insgesamt der Anteil erneuerbarer Energie.“ Yahoo selbst beherzigt das und beteiligt sich derzeit an Windparks in Megawatt-Dimensionen. Auch Amazon verkündete kürzlich, man werde Windparks bauen, und Google gab im Frühsommer bekannt, in fünf Jahren wolle sich das Unternehmen komplett erneuerbar versorgen.

Bildergalerie

  • Energie richtig einsetzen: Effizientes Management und hohe Auslastung können Kohlestrom-getriebene Rechenzentren hinsichtlich des Treibhausgas-Ausstoßes konkurrenzfähig etwa mit Gas-betriebenen machen.

    Bild: Masanet/Shehabi /Koomey

  • USV-freie Zone: Das GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung baut in Darmstadt ein Rechenzentrum, das ohne Systeme zur unterbrechungsfreien Stromversorgung auskommen wird.

    USV-freie Zone: Das GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung baut in Darmstadt ein Rechenzentrum, das ohne Systeme zur unterbrechungsfreien Stromversorgung auskommen wird.

    Bild: GSI

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