Die Spindellagerung der Hauptspindel einer Werkzeugmaschine zählt zu den am höchsten belasteten Komponenten, da sie die Bearbeitungskräfte bei sehr hohen Drehzahlen über eine lange Zeit präzise übertragen muss und Kollisionen nach wie vor nicht ausgeschlossen werden können. Daher verwundert es nicht, dass der größte Anteil an Werkzeugmaschinenausfällen auf defekte Spindeln zurückzuführen ist, insbesondere als Folge von Kollisionen und andauernder, aber unentdeckter Überlastung. Beispielsweise erzeugt im Fräsbetrieb die Kombination von hohen Radiallasten, lang auskragenden Werkzeugen und hohen Drehzahlen speziell am werkzeugnahen Spindellager große Belastungen und ungünstige kinematische Verhältnisse. Diese ungünstigen und mitunter auch unzulässigen Belastungen treten auf, da dem Betreiber bislang ein geeignetes Tool fehlte, mit dem grenzwertige Spindellager Belastungen überwacht werden können. Schaeffler löst dies mit dem neuartigen Überwachungssystem SpindleSense.
Serienreif zur EMO 2019
Zur EMO 2019 stehen Kunden die ersten serienreifen Sensorring-Einheiten SRS inklusive radialem und axialem Messring mit Innendurchmesser 70 mm zur praktischen Erprobung zur Verfügung. Weitere Baugrößen mit 80 und 100 mm Innendurchmesser werden zum Jahresende lieferbar sein. Die Breite beträgt einheitlich 16 mm. Zum Lieferumfang zählt auch ein Setup-Service-Tool SST, mit dem SpindleSense parametriert und in Betrieb genommen werden kann.
Die am Spindellager integrierte Sensorik misst mit einer sehr hohen Auflösung die Verlagerung der Spindelwelle unter Last in fünf Raumrichtungen – drei translatorisch und zwei rotatorisch. Übersteigen die ermittelten Einfederungen an den Wälzkörpern eine spezifische Schwelle, wird vom Sensorring ein elektrisches Warnsignal an die Maschinensteuerung ausgegeben. Die Schwelle wird für jeden Spindel- und Maschinentyp individuell festgelegt. Sie basiert auf einer Bewertung der betriebsrelevanten Lagerkennwerte, wie Pressung, Bohr-Roll-Verhältnis und Käfigtaschenspiel, in welche das langjährige Wälzlager-Know-how von Schaeffler einfließt.
Software in Sensorring integriert
Die gesamte Software und alle erforderlichen Algorithmen sind in den 16 mm breiten Sensorring integriert. Es sind keine weiteren Komponenten für das System notwendig. Das System ist lokal funktionsfähig und gibt ein individualisiertes Warnsignal an die Maschinensteuerung aus, das folgende Einsatzzwecke ermöglicht:
Detektion eines Crashs (Kollision): Die Sensorik ist in der Lage, innerhalb von 2 ms eine Überlastung an einem digitalen Ausgang anzuzeigen. Durch eine schnelle Abschaltung des Antriebes können so schwere Folgeschäden minimiert oder gar verhindert werden.
Langzeitschutz für die Werkzeugmaschinenspindel: In der Praxis werden dauerhafte mechanische Überlastungen der Spindellager oft nicht erkannt. Im Gegensatz dazu löst SpindleSense bei entsprechender Parametrierung der Überlast sofort ein Warnsignal aus. Der Betreiber kann sein Bearbeitungsprogramm schon nach dem ersten Teil modifizieren, die Spindelbelastung durch ein neues Werkzeug, veränderte Schnittwerte oder durch einen besser geeigneten Werkzeugtyp reduzieren. Er erreicht damit geringere Spitzenlasten, reduziert deren Anzahl und profitiert so von einer längeren Gebrauchsdauer der Spindel mit geringeren Ausfallzeiten der Werkzeugmaschine. Am Ende bedeutet das für den Betreiber mehr Produktionszeit und weniger Reparaturkosten.
Für die Ausgabe der Messwerte stehen zwei Optionen zur Auswahl. Variante C-A0 gibt Alarmmeldungen aus, sobald die individuell festgelegten Grenzwerte für die Lagerbelastung und die Kinematik erreicht werden. Variante C-A1 gibt die gemessenen radialen und axialen Verlagerungen inklusive der Verkippungen über den CAN-Bus aus. Mit diesen Verlagerungswerten können Werkzeugmaschinen- und Spindelhersteller Analyse-Tools zur Optimierung der Spindelauslastung entwickeln, zum Beispiel indem das vom Sensorring gemessene Einfederungskollektiv als Lastkollektiv visualisiert wird. Erstmals wird der Maschinenbetreiber dann genau wissen, mit wie viel Prozent er seine Spindel bei der Bearbeitung mechanisch auslastet. Er kann nun noch gezielter den Bearbeitungsprozess der Maschine hinsichtlich Auslastung und Gebrauchsdauer verändern. Trotz maximaler Spindelbelastung werden schädliche Überlasten vermieden. Der Betreiber erhöht durch den sichereren Betrieb im Grenzbereich nicht nur seine Produktivität, sondern profitiert gleichzeitig von einer längeren Gebrauchsdauer der Spindel und von weniger Maschinenausfällen.
Eine weitere Anwendung der gemessenen Verlagerungen über CAN-Bus besteht darin, diese zur Nullpunktkompensation zu verwenden. Damit wird es möglich sein, mit größeren Schnittwerten die gleiche Qualität oder mit unveränderten Schnittwerten eine höhere Qualität zu produzieren. Ebenso kann die Überwachung einer maximalen Verlagerung zur Qualitätssicherung eingesetzt werden.
Elektronisches vs. mechanisches Überlastsystem
Im Vergleich zu mechanischen, das heißt passiven Überlastsystemen stellt Schaeffler SpindleSense nicht nur einen Spindelschutz bei Kollision dar, sondern auch ein revolutionäres System zur sicheren Maximierung der Spindelauslastung. Maschinenhersteller können ihren Kunden erstmalig ein sehr wirksames Instrument zur Steigerung der Produktivität, der Maschinenverfügbarkeit und Qualität bieten.