Zwei über 80 Meter lange Speicherrohre verlaufen über eine Freifläche neben dem Gebäude und führen von dort durch die massive Außenwand nach innen: Schon beim Betreten des Geländes rund um das Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik am DLR in Göttingen wird die Dimension der Forschungsanlage deutlich. Im Innenbereich steht ein riesiger Vakuumkessel mit einem Volumen von 50 m³, der mit den Rohren verbunden ist. Dort werden in detaillierten und grundlagenorientierten Studien die strömungsmechanischen Phänomene erforscht, die maßgeblich für eine adäquate Vorhersage der Leistungsfähigkeit von Überschallfluggeräten verantwortlich sind. Wie können die Luft- und Raumfahrzeuge von morgen umweltverträglicher, sicherer und effizienter werden? Und wie kann man das Fliegen mit Überschallgeschwindigkeit möglichst präzise am Rechner simulieren, um die neuen Konfigurationen bereits im Entwurfsprozess zu bewerten? Zu diesen und vielen anderen Fragen möchten die Wissenschaftler mit dem Rohrwindkanal Antworten liefern. Unverzichtbarer Bestandteil dieser Forschungsprojekte ist die Vakuumtechnik von Busch.
Der Startschuss für die Großforschungsanlage fiel in den 1950er-Jahren. Der Göttinger Physiker und Strömungsforscher Prof. Dr. Hubert Ludwieg entwickelte ein damals revolutionäres Antriebssystem für intermittierend arbeitende Hochgeschwindigkeitswindkanäle, das Untersuchungen mit Überschall- und Hyperschallströmungen ermöglichte. Er selbst nannte dieses Prinzip Rohrwindkanal – bis heute ist es in aller Welt auch als „Ludwieg-Tube“ bekannt. 1968 ging dann mit dem Rohrwindkanal Göttingen (RWG) die weltweit erste dieser aerodynamischen Großforschungsanlagen in Betrieb und ist beim DLR bis heute im Einsatz.
Experimente in Überschallgeschwindigkeit
Das Funktionsprinzip des Rohrwindkanals nutzt die Wechselwirkung von Über- und Unterdruck: Die Speicherrohre dienen als Druckbehälter, in denen die Luft komprimiert wird. Zur Verhinderung von Luftkondensation in der Überschalldüse, die aufgrund starker Expansion und der damit verbundenen Abkühlung der Luft entsteht, müssen die Speicherrohre zur Simulation hoher Überschallgeschwindigkeiten zusätzlich beheizt werden. Die Speicherrohre sind über einen Schnellschieber mit der Überschalldüse verbunden, an deren Ende sich die Messstrecke befindet. In dieser werden die Experimente durchgeführt. Am Ende der Messstrecke befindet sich wiederum der Vakuumkessel, an den die Vakuumpumpe angeschlossen ist. Mit einem Vakuumschieber zwischen der Messstrecke und dem Vakuumkessel wird nach Bedarf ein Zugang zur Messstrecke ermöglicht. Der Vakuumkessel wird mithilfe der Vakuumpumpe evakuiert. Im Einsatz ist hierfür eine Cobra-NX-Schrauben-Vakuumpumpe von Busch Vacuum Solutions. Sie erzeugt im Vakuumkessel einen Unterdruck von circa 10 bis 40 mbar, während in den Speicherrohren ein Überdruck von circa 2 bis 40 bar herrscht.
Zur Durchführung eines Versuchs wird das Testmodell mithilfe einer verschiebbaren Modellhalterung in der Messstrecke platziert. Dabei handelt es sich zum Beispiel um Modelle von Fluggeräten, Sensoren oder Materialproben. Mit dem Öffnen des Schnellschiebers entsteht eine laufende Verdünnungswelle, die in das Speicherrohr hineinläuft und die Speicherluft in Richtung der Düse beschleunigt. Durch die Druckdifferenz zwischen dem Speicherrohr und dem Vakuumkessel sowie dank der speziell geformten Überschalldüse stellt sich in der Messstrecke des RWG eine sogenannte Überschallströmung ein. Dabei können Geschwindigkeiten von bis zu Mach 7 erreicht werden – das entspricht dem Siebenfachen der Schallgeschwindigkeit. Im RWG werden Messzeiten bis zu 350 bis 400 Millisekunden realisiert. Das ist ein Spitzenwert für Windkanäle dieses Typs und bietet den Forschern ausreichend Zeit, die Strömung um die Testmodelle zu untersuchen. In dieser Zeitspanne können statistisch relevante Daten- oder Bildsequenzen aufgenommen werden, die eine zuverlässige Mittelung und Analyse der Daten ermöglichen.
Effizientere Versuche dank Vakuum
Nicht nur für das Beschleunigen, sondern auch für das Abbremsen der großen Strömungsgeschwindigkeit ist Vakuumtechnik wichtig. Die Luft aus dem Speicherrohr wird während des Versuchs im Vakuumkessel aufgefangen und anschließend als normale Umgebungsluft nach außen geführt. Dr. Erich Schülein, Gruppenleiter und wissenschaftlicher Betreuer des RWG am Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik, erklärt: „Dank der eingesetzten Vakuumtechnik können wir die Versuche viel effizienter durchführen. Ohne sie müssten wir nicht nur den Ladedruck im Speicherrohr, sondern auch die Anforderungen an die Stabilität der gesamten Anlage sowie der Versuchstechnik deutlich erhöhen, um das erforderliche Druckverhältnis in der Überschalldüse überhaupt erreichen zu können. Der technische Aufwand hierfür wäre enorm. Diese Arbeit nimmt uns die Vakuumpumpe ab. Durch die kombinierte Anwendung von Druck- und Vakuumspeicher lassen sich das Druckniveau und damit die Reynoldszahl in der Strömung leicht verändern.“
Seit 1968 ist der Rohrwindkanal in Göttingen im Einsatz und mit ihm von Anfang an auch eine alte Drehschieber-Vakuumpumpe. Im Jahr 2021 wurde es höchste Zeit, diese zu ersetzen. Im Rahmen einer Ausschreibung konnte Busch den Auftrag für sich entscheiden. Die Experten des Unternehmens unterstützten anschließend mit ihrem Know-how und ihrer Expertise bei der Auswahl und Auslegung des Systems, um eine geeignete Lösung zu finden. Diese war mit der trockenen Cobra NX schnell gefunden.
Karsten Pfeiffer, technischer Leiter des RWG, erklärt: „Für uns ist es entscheidend, dass die eingesetzte Vakuumpumpe zuverlässig arbeitet, denn die im Rohrwindkanal erzeugte Strömung muss sauber sein. Die Versuche werden oft mehrfach durchgeführt und dabei ist es wichtig, dass die Bedingungen jederzeit reproduzierbar sind – deswegen darf nichts die Strömung stören.“
Seit 2021 ist die Cobra beim Göttinger DLR im Einsatz – und die Leistungsfähigkeit überzeugt. Im Vergleich zu der vorher eingesetzten Drehschieberpumpe evakuiert die Schrauben-Vakuumpumpe von Busch den Vakuumkessel doppelt so schnell. Statt einer halben Stunde werden die meist benötigten 50 mbar im Kessel nun bereits nach 15 Minuten erreicht. Diese kürzeren Laufzeiten wirken sich sehr positiv auf den Energieverbrauch der Anlage aus. Zudem passt ein Frequenzumrichter die Drehzahl der Pumpe an die benötigten Druckverhältnisse an. Auch die Mitarbeiter des Instituts freuen sich über die neue Vakuumlösung, denn früher konnten sie die direkt über der Anlage liegenden Arbeitsräume während der Versuche aufgrund der großen Lautstärke und der Vibrationen der alten Pumpe nicht nutzen. Mit der Cobra ist das nun kein Problem mehr, denn sie arbeitet sehr leise und vibrationsarm.
„Außer einem leichten Summen hört man nichts“, lacht Pfeiffer. Ein weiterer großer Vorteil liegt im ölfreien Betrieb. „Früher musste ich selbst regelmäßig Hand anlegen und Öl wechseln – und anschließend oft auch meine dadurch verschmutzte Kleidung. Das ist nun nicht mehr notwendig. Um die Wartung kümmert sich ein Servicetechniker von Busch im Rahmen eines Wartungsvertrages. Ich muss die Pumpe nur noch anschalten, und sie läuft“, freut sich Pfeiffer. Dabei ist vor allem die Kundennähe von Busch ein entscheidender Vorteil. Dank des engmaschigen Servicenetzes ist der lokale Ansprechpartner bei Bedarf binnen kürzester Zeit vor Ort.
Sauberes Vakuum für technischen Fortschritt
Die Vakuumlösung von Busch trägt zum Erfolg der Experimente im RWG bei und fördert den technischen Fortschritt. Die Ergebnisse der Grundlagenforschung stellt das DLR den Unternehmen der Luft- und Raumfahrtindustrie zur Verfügung, um Technologien für aktuelle und zukünftige Missionen zu entwickeln sowie zu verfeinern. Die Göttinger arbeiten außerdem eng mit internationalen Organisationen wie der NASA, ESA und den anderen Standorten des DLR bei globalen Forschungsprojekten zusammen. So wurde in der Vergangenheit im Rohrwindkanal Göttingen beispielsweise im Auftrag der NASA und ESA ein Modell des Raumgleiters X-38 getestet, der als Crew Return Vehicle (CRV) dazu gedacht war, Astronauten der ISS bei einem Notfall zurück zur Erde bringen zu können. Ein solcher Raumgleiter muss beim Eintritt in die Erdatmosphäre enormer Hitze und mechanischen Lasten standhalten. Diese Bedingungen wurden im Rohrwindkanal so weit wie möglich nachgestellt. „Trotz enormer Fortschritte in der numerischen Strömungsmechanik lassen sich viele Phänomene in turbulenten Strömungen immer noch nicht adäquat und präzise vorhersagen. In unseren Studien schaffen wir eine wichtige Validierungsdatenbasis, die zur Verbesserung existierender Modelle und zur Entwicklung neuer numerischer Berechnungsverfahren beiträgt. Darin sehen wir die Aufgabe dieser Forschungsanlage“, sagt Dr. Erich Schülein, Gruppenleiter und wissenschaftlicher Betreuer des RWG am Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik. Die Vakuumtechnik von Busch ist dabei ein wichtiger Bestandteil.