Biotechnologie in Deutschland Warum Deutschlands Biotech-Potenzial ungenutzt bleibt

Deep-Tech-Biotechnologie in Deutschland. Was fehlt der deutschen Industrie?

Bild: iStock, FabrikaCr
13.02.2025

Starke Forschung, schwacher Wissenstransfer? Deutschland verfügt über ein enormes technologisches Potenzial im Bereich der Biotechnologie, bescheinigt ein gemeinsamer Bericht des Institute for Deep Tech Innovation (DEEP) der ESMT Berlin und der Bertelsmann Stiftung. Dieses wird derzeit jedoch noch nicht ausgeschöpft.

Der Bericht „Assessing Deep-Tech Innovation Hubs in Germany: The Case of Biotechnology“ bewertet die Innovationsleistung Deutschlands im Hinblick auf Deep-Tech-Technologie im Bereich Biotechnologie anhand eines umfassenden Index und betrachtet dabei die fünf Standorte Berlin, Heidelberg, München, Nürnberg-Erlangen und Stuttgart. Untersucht wurden diese im Hinblick auf Grundlagenforschung, Forschung und Entwicklung im Bereich Biotechnologie, Unternehmensgründungen, öffentliche Infrastruktur sowie das Geschäftsumfeld.

Die stärksten Biotechnologie-Zentren

Berlin führt dank einer guten öffentlichen Infrastruktur und viel klinischer Forschung den Index an. München folgt auf Platz zwei, seine Stärke liegt vor allem in der Förderung von Start-ups und der Finanzierung in Spätphasen. An dritter Stelle liegt Heidelberg, stark insbesondere in der Grundlagenforschung. Nürnberg-Erlangen profitiert von einem spezialisierten Ökosystem im Bereich Medizintechnik und Stuttgart verfügt über eine sehr diversifizierte Wirtschaftsstruktur mit viel Potenzial für interdisziplinäre Neuerungen.

„Biotechnologie ist essenziell, um Herausforderungen in der Gesundheitsversorgung und im Klimaschutz zu bewältigen und vermag, bahnbrechende Durchbrüche zu bewirken“, erklärt Francis de Véricourt, Professor und Joachim Faber Chair in Business and Technology an der ESMT sowie Academic Director des DEEP-Instituts. „Der von uns entwickelte Index bewertet nun erstmals deutsche Biotechnologie-Zentren entlang der gesamten Wertschöpfungskette.“ Betrachtet wurden diese über einen Zeitraum von acht Jahren.

„Trotz der zahlreichen Unterschiede eint die meisten führenden Biotechnologie-Zentren, dass ihre Fähigkeit Forschung in marktreife Lösungen zu transformieren im letzten Jahrzehnt abgenommen hat. Obwohl es, während der COVID-19-Panemdie einen kurzen Aufschwung gab, haben mit Ausnahme von München vier der fünf stärksten Standorte an Effizienz eingebüßt“, erklärt Daniel Posch, Innovationsexperte der Bertelsmann Stiftung.

Deutschlands Biotechnologie-Sektor bleibt hinter seinem Potenzial zurück

Die Voraussetzungen für fortschrittliche Technologien im Bereich Biotechnologie sind in Deutschland vorhanden. Dazu zählen eine sehr gute Grundlagenforschung in zahlreichen Zukunftsfeldern der Biotechnologie, eine starke industrielle Basis in der Chemie- und Pharmaindustrie sowie ein reger Zustrom internationaler Studierender aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik (MINT).

Allerdings schöpft der deutsche Biotech-Standort seine Forschungsstärke aktuell nicht ausreichend aus und lässt dadurch volkswirtschaftliche Potenziale ungenutzt. Dies liegt vor allem an einem im internationalen Vergleich deutlich schwächeren Wissenstransfer in marktreife Anwendungen: „Die heimischen Innovationspotenziale sind quasi lost in translation“, so Posch.

Technologietransfer im Bereich Deep-Tech gestaltet sich wegen hoher technologischer und wirtschaftlicher Risiken deutlich schwieriger als in anderen Branchen. Die im internationalen Vergleich hohe Fragmentierung der deutschen Biotechnologie-Landschaft schafft zusätzliche Herausforderungen.

Um die Fortschrittsdynamik im heimischen Biotechnologie-Sektor zu steigern, sieht Professor de Véricourt einen Hebel in der gezielten Förderung von Kollaborationen zwischen den führenden deutschen Zentren: „Unsere Untersuchung zeigt, dass die deutschen Biotechnologie-Standorte unterschiedliche und teils komplementäre Stärken aufweisen. Der gezielte Ausbau und die stärkere Vernetzung der wichtigsten heimischen Standorte könnte diese in ein zusammenhängendes Ökosystem verwandeln,“ so de Véricourt.

Neben der gezielten Förderung von Kollaboration und Vernetzung – auch auf europäischer Ebene – gelte es begrenzte Ressourcen so einzusetzen, dass explizit wenige, aber dafür besonders vielversprechende deutsche Standorte gefördert werden. So könnte mittelfristig eine kritische Masse von Forschung und Unternehmertum erreicht werden, argumentiert Posch. „Politische Initiativen in diesem Sektor sollten künftig deutlicher auf Exzellenz- statt auf Breitenförderung ausgerichtet werden.“

Verwandte Artikel