Verpackung & Kennzeichnung 7 Fragen an Uwe Harbauer

11.10.2013

seit Anfang 2013 Leiter des Produktbereichs Pharma bei Bosch Packaging Technology

P&A

Sie haben den Produktbereich Packaging Services gegen den Produktbereich Pharma getauscht. Was hat Sie dazu bewegt, Herr Harbauer, und was bringen Sie von dort mit?

Uwe Harbauer

Uwe Harbauer(schmunzelt): Getauscht trifft es nicht so ganz. In den sechs Jahren am Standort Beringen im Schweizer Kanton Schaffhausen ist die einst sehr kleine Einheit Packaging Services deutlich gewachsen: Heute läuft das gesamte After-Sales-Geschäft der drei weiteren Produktbereiche von Bosch Packaging Technology über diese Einheit und wir haben die Zahl der Service-Standorte weltweit auf mehr als 20 erhöht. Diese Aufbauarbeit habe ich sehr gerne gemacht. Den Pharmasektor hatte ich vorher als Vertriebsleiter ja schon kennengelernt. Die Branche ist hochinteressant und innovativ. Hinzu kommt: Ich bin Ingenieur, die Technik begeistert mich einfach. Also habe ich nicht nein gesagt, als man mich fragte, ob ich diesen Bereich komplett übernehmen möchte. Übrigens, der Servicefaktor lebt auch im Pharmafeld weiter. Ohne guten Service ist kein Unternehmen langfristig konkurrenzfähig. Wenn wir als Produktbereich Pharma einen verlässlichen Service-Support leisten, dann ist auch der After-Sales-Service stark, den unsere Kollegen am Markt anbieten

Sechs Jahre Service haben Sie also geprägt.

Sicher, denn dort hatte ich Gelegenheit, das Geschäft aus einem gänzlich neuen Blickwinkel zu betrachten, nämlich aus Sicht des Kunden nach der Maschinenlieferung. Welche Bedürfnisse hat der Kunde von diesem Moment an, was macht ihn zufrieden - oder auch nicht? Auch die Einblicke in die anderen Bereiche, vor allem in den Nahrungsmittelmarkt, sind wertvoll für meine jetzige Aufgabe. Diese Branche tickt teilweise anders. Kostendruck und Effizienzstreben sind noch einen ein wenig größer als im Pharmasektor. Darüber hinaus habe ich sechs Jahre lang in Beringen einen anderen Kulturkreis erlebt. Ich schätze an Schweizern sehr, dass sie wichtige Dinge meist mit der notwendigen Gelassenheit angehen. Und dass sie die unwichtigen Dinge weglassen.

Bosch Packaging Technology, das bedeutete einst Verpackungstechnik in Reinform. Heute ist das nicht mehr so - gerade im Bereich Pharma. Gehen die Aktivitäten in der Prozesstechnik nicht allzu oft unter? Würden Sie Ihren Bereich gerne anders platziert sehen als unter dem Packaging-Dach?

Wir entwickeln uns ja nicht weg von der Verpackungstechnik, sondern zusätzlich hin zur Prozesstechnik. Sämtliche Zukäufe der vergangenen fünf Jahre betreffen Equipment für die Herstellung von Arzneimitteln. Pharmatec und SBM für Liquida, Hüttlin und Manesty für Solida. Auch die Inspektionstechnik von Eisai Machinery, die seit 2012 zu unserem Portfolio gehört, hat nicht direkt mit Verpackung zu tun. Unser Ziel ist es, die Wertschöpfungskette zur Herstellung und Verpackung von Arzneimitteln mehr oder weniger komplett abzudecken. Der strategische Ansatz des One Stop Shopping (alles aus einer Hand) bietet unseren Kunden zudem einen Ansprechpartner, der sämtliche Fragen, Wünsche und Lieferungen bündelt und das Gesamtprojekt aus einer Hand betreut. Damit haben Kunden eine Bezugsstelle, die für umfassende und schnelle Betreuung steht. Auch Partnerschaften sind von Bedeutung - wir müssen nicht zwingend alles selbst machen.

Sie denken an Sartorius?

Genau - diese Partnerschaft verläuft sehr erfolgreich. Wir vermarkten gemeinsam Einwegfüllsysteme. Zurzeit eruieren wir, ob wir eine derartige, eng verwobene Zusammenarbeit auch in weiteren Produktfeldern realisieren können.

Wie wichtig ist die pure Verpackungstechnik heute noch?

Maschinen für die Primär- und Sekundärverpackung bestimmen nach wie vor die Aktivitäten eines großen Teils unserer 15 Pharmastandorte. Der Anteil am Gesamtgeschäft liegt über 50Prozent. Aber: Der Bereich Prozess- und Herstellungstechnik wächst. Wir wollen ein Stück von diesem Kuchen abhaben. Ob wir das bei Herstellern zukaufen, über Partner agieren oder selbst entwickeln �?� alle Wege sind denkbar.

Was haben Sie in den neun Monaten als Leiter des Pharma-Bereichs bewegt - und was hat Sie bewegt?

(lacht)Was mich bewegt hat, verrate ich Ihnen nicht alles. In einem so großen Bereich -mit annähernd 2.500 Leuten - da muss man erst ankommen. Während der sechsjährigen Zeit als Leiter der Servicesparte sind im Pharmasektor viele Standorte hinzugekommen. Die musste ich erst einmal kennen- und verstehen lernen. Was ich bereits bewegt habe? Da müssten Sie andere fragen. Es gibt zwei Themen, denen ich mich seit dem Start besonders intensiv widme: Vertrieb und Service. An einigen Standorten haben wir die Logistik unter die Lupe genommen - mit dem Ziel, schneller zu werden. Sowohl der Monteur als auch das Ersatzteil müssen möglichst schnell beim Kunden sein. Daher haben wir den so genannten „beta“-Servicegrad, also den Anteil der Ersatzteile, die auf Lager liegen, deutlich erhöht. Zudem haben wir Kapazitäten in unserer Eigenfertigung und der unserer Unterlieferanten reserviert. Darüber hinaus bauen wir gemeinsam mit dem Service das Netz unserer Monteure weltweit aus. Denn um eine aktive Vollreferenz zu schaffen, müssen wir Spitzentechnologie, guten Vertrieb und verlässlichen Service bieten. Wenn das alles stimmt, ist der Kunde zufrieden und die Wahrscheinlichkeit hoch, dass er sich bei der nächsten Investition wieder an uns wendet. Bosch Packaging Technology zählt zu den marktführenden Anbietern von Prozess- und Verpackungslösungen. Unsere Maschinen, Lösungen und Serviceangebote leisten einen vitalen Beitrag zu Gesundheit und Ernährung. Aber auch ein Marktführer hat stets noch Potenzial, um besser zu werden.

Und der Vertrieb - Ihr zweites Steckenpferd? Was hat sich dort getan?

Um One Stop Shopping noch besser zu realisieren, brauchen wir eine regionale Vertriebsorganisation, die das dem Kunden gegenüber optimal darstellt. Ergänzend benötigen wir starke, technisch kompetente Werksvertriebe. Mein Vorgänger hat da schon viel bewegt - aber es gibt noch Potenzial: in Lateinamerika etwa, wo wir eine neue Organisation in Brasilien aufgesetzt und ein Büro in Panama gegründet haben. So können wir gewährleisten, dass in jeder Region einer den Pharma-Hut aufhat und den Kunden durch die gesamte Pharmaorganisation leitet. Er fragt Maschinen in unterschiedlichen Werken an und holt von dort Fachleute dazu, wenn es technisch hoch anspruchsvoll wird.

Was haben Sie sich für die Zukunft vorgenommen?

Erst einmal müssen wir das, was wir uns für Service und Vertrieb vorgenommen haben, voll umsetzen. Das kann ich nicht allein - ich bin nur einer derjenigen, der die Dinge in Bewegung bringt und steuert. �?ußerst wichtig für die Zukunft sind zudem Neuentwicklungen aus eigenem Hause. Da sind wir sowohl im Liquid- als auch im Solid-Bereich gut unterwegs. Auf der Messe Interpack nächstes Jahr werden wir aus fast allen Standorten des Pharmabereichs neue Maschinen zeigen. Hier können wir unsere Ingenieur-Power zeigen: durch Neuentwicklungen, die Trends im Markt setzen und die unsere Kunden begeistern. Entscheidend dabei: User Experience, also Feedback der Kunden zu unserer Technik. Mittelfristig ist unser Ziel, die Nummer 1 oder 2 in der Welt zu sein. In einigen Feldern sind wir das bereits, und da, wo wir es nicht sind, wollen wir es durch Innovationen, Zukäufe oder Partnerschaften werden. Außerdem wollen wir nicht nur Maschinen, sondern auch neue Geschäftsmodelle entwickeln, etwa im Hinblick auf Anlageneffektivität. Die Ausrichtung an OEE-Kennzahlen (Overall Equipment Effectiveness), in der Food-Verpackungstechnik längst üblich, ist nun auch in der Pharmaindustrie im Kommen. Vielleicht werden wir irgendwann eine Effektivität für eine Maschine garantieren - und werden nach einem Bonus-Malus-System dafür bezahlt? An der Stelle sind wir nicht nur Maschinenbauer, sondern(zögert)finden Lösungen für den Kunden.

Es scheint Ihnen schwer zu fallen, das Wort Lösungsanbieter in den Mund zu nehmen.

Viele Menschen verwenden den Begriff inflationär. Jeder bietet angeblich Lösungen. Wenn man wirklich Komplettlösungsanbieter sein will, und wir wollen das, dann muss dieser Ansatz das gesamte Portfolio umfassen - die komplette Maschinenkette plus die begleitenden Dienstleistungen. Da sage ich selbstkritisch, wir sind auf dem Weg. All diesen Zielen übergeordnet ist: Kundenbedürfnisse zu befriedigen, profitabel zu wachsen und zu begeistern. Denn natürlich müssen Entwicklung, Fertigung und Vertrieb Spaß machen - auch uns.

Im Frühjahr dieses Jahres haben Sie eine Laboranlage für die Abfüllung flüssiger Pharmazeutika vorgestellt. Die Zielgruppe Labor hätten wir Bosch nicht unbedingt zugeschrieben. Was versprechen Sie sich davon?

Ganz recht: Bosch - das war in der Vergangenheit nicht unbedingt der Name für Labortechnik. Aber das ändert sich, sowohl im Solida- als auch im Liquida-Bereich. Die besagte Laboranlage ist nach dem erwähnten User-Experience-Ansatz entstanden. Das Labor ist oft der Einstieg. Daraus kann dann irgendwann eine Massenproduktion resultieren. Wir entsprechen damit dem Trend zu kleineren Chargengrößen, etwa im Rahmen der personalisierten Medizin. Das heißt nicht, dass es nicht auch einen hohen Bedarf nach Hochleistungsmaschinen gibt. Gerade in den Schwellenländern ist die Massenproduktion von Pharmazeutika angesagt. Wir können beides - groß und klein.

Auch mit der Zielrichtung Krankenhausapotheke? Da steigen ja einige in die Herstellung von Arzneimitteln für personalisierte Medizin ein.

Es gibt durchaus Überlegungen in diese Richtung. Krankenhausapotheken nutzen Sterilisatoren und anderes, was wir bisher nur für die Industrie produzieren. Es ist auf jeden Fall ein Feld, das wir uns sehr genau angucken.

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