Modulare Anlagen liegen im Trend. Nicht nur die Anwenderorganisation Namur stellte ihre Hauptsitzung unter den Schwerpunkt „Dezentrale Intelligenz“. Auch der ZVEI beschäftigte sich in einem Whitepaper ausgiebig mit dem Zukunftspotenzial und den Auswirkungen der modulbasierten Produktion auf die Prozessindustrie. Darin wird prognostiziert, dass in zehn Jahren 25 Prozent der Prozessanlagen der chemisch-pharmazeutischen Industrie modular gebaut werden.
Motivation Endkundenmarkt
Dass es sich dabei um eine nachhaltige Entwicklung handelt, davon ist auch Ulrich Hempen überzeugt. „Das Konzept des modularen Anlagenbaus gibt es zwar schon länger, doch bisher war es von der Verfahrenstechnik getrieben“, sagt der Leiter Market Management Industrie und Prozess bei Wago. „Heute kommt die Motivation vor allem vom Anlagenbau und den Anwendern.“
Nach wie vor problematisch wird es beim modularen Anlagenbauch jedoch, wenn mehrere verfahrenstechnische Module zusammenwachsen müssen. Dem entgegenwirken soll das Dima-Konzept, das der Automatisierungsspezialist Wago initiiert und zur Namur-Hauptsitzung vorgestellt hat. Dima – ein Akronym aus „Dezentrale Intelligenz für modulare Anlagen“ – liefert eine modulare und damit flexible Automatisierungsarchitektur für verfahrenstechnische Package-Units und Containeranlagen.
Optimierter Engineering-Aufwand, unabhängige Entwicklung
„Mit dem Dima-Konzept kann man einzelne Module aus einer Produktionsanlage herauslösen oder wiedereinsetzen“, erklärt Ulrich Hempen. Der Engineering-Aufwand falle dabei deutlich geringer aus, als bei einer zentral organisierten Automatisierungsarchitektur, bei der Package Units ohne eigene Intelligenz mitunter vollständig im Leitsystem nachprogrammiert werden müssen. Im Rahmen der Dima-Methodik sorgen für das leichte Engineering sogenannte Module Type Packages (MTPs). Als „digitale Visitenkarte“ enthalten sie standardisierte Informationen darüber, welche Dienste und Funktionen das Modul anbietet: Bedien-, Batch-, Diagnose- oder Alarmfunktionen beispielsweise. Vieles davon fordert die Namur-Empfehlung NE 148 zu Automatisierungslösungen für Prozessanlagen.
Offen für die Weiterentwicklung
Ulrich Hempen sieht darum in Dima die Erfüllung der Anforderungen, die die Namur in ihrer Empfehlung NE 148 zusammengefasst hat und einen ersten prototypischen Nachweis dafür, dass „diese Forderungen bereits heute umsetzbar sind.“ Und das auch im Rahmen einer ganz und gar nicht proprietären Lösung.
Vom positiven Feedback das WAGO für die Veröffentlichung von DIMA erhalten hat, sieht sich Hempen bestärkt: „Viele haben uns dazu aufgefordert, das Konzept konsequent weiterzuverfolgen. Sie meinten, dass sie in den nächsten ein, zwei Jahren konkrete Lösungen erwarten‘“, beschreibt er den „positiven Druck“ vonseiten der Systemintegratoren und Endanwender. Mehr noch: Viele Unternehmen zeigten sich außerdem daran interessiert, an der Weiterentwicklung der Dima-Methodik mitzuarbeiten, die WAGO eigens dafür nach der Namur-Hauptsitzung zur Verfügung gestellt hatte.
Batch, HMI und Diagnose
Im Januar diesen Jahres beschloss die Namur, das Konzept zu übernehmen und zusammen mit dem ZVEI-Arbeitskreis modulare Automation auszudefinieren. Dazu wurden die drei Arbeitskreise Batch, HMI und Diagnose gebildet. Neben Endkunden wie BASF, Bayer oder Evonik sind darum auch Anbieter unter anderem Siemens, Emerson und Endress+Hauser an der Projektarbeit beteiligt. Gegenstand des offenen Dialogs sind auch Leitsysteme, die die Dienstsprache des Dima-Engineerings-Tools verstehen. Das gibt es bisher nämlich noch nicht; es steht allerdings fest auf der To-do-Liste der Entwickler. Ulrich Hempen: „Die Leitsystem-Anbieter nehmen ja auch an den Arbeitskreisen teil. Wir rechnen fest damit, dass es erste Implementierungen geben wird, sobald die Spezifizierung geschafft ist.“ Geplant ist, dass die Namur – vermutlich im Spätsommer – das Endergebnis der gemeinsamen Projektarbeit in einer Art Lastenheft präsentiert.
Große Chance in der Prozessindustrie
In einem nächsten Schritt sollen dann die Leitsystemanbieter Schnittstellen und Systeme für Dima und die MTPs öffnen. Das sei die größte Herausforderung für die nächsten Jahre, sagt Ulrich Hempen. Aber auch hier werde der Druck von der Betreiberseite kommen, die auf die modulare Anlagenbauweise setze, und – sobald diese abschließend bearbeitet sei – von der Dima-Spezifikation der Namur.
Nach der Veröffentlichung der grundlegenden DIMA-Konzeption durch WAGO und der Übernahme des Konzepts durch die Namur sind die wichtigsten Schritte auf dem Weg zur modularen Prozessautomatisierung getan. Weitere werden folgen. Man könnte auch sagen: Die nächsten Module werden mit Sicherheit angedockt.
Und was verspricht sich Wago davon? Verschiedenes. Einerseits den Imagegewinn, als einer der Ersten den Schritt in Richtung einer vollständig modularen Automatisierungsarchitektur für Prozessanlagen gewagt zu haben. Zugleich betritt das Unternehmen neues Terrain: „Für uns bedeutet Dima einen großen Schritt in der Welt der Prozessautomation“, sagt Ulrich Hempen. Die Automatisierung in der Prozessindustrie wurde bisher vor allem von den großen Leitsystemanbietern übernommen, die den Markt auch entsprechend dominierten.
Modular in die Zukunft
Den Aufbruch zum modularen Anlagenbau in der Prozessindustrie betrachtet man bei WAGO darum als eine große Chance. Denn auch wenn Dima auf anderen Systemen lauffähig sein wird, ist man bei WAGO davon überzeugt, auch die optimale Hardware anbieten zu können, mit der die DIMA-Methodik umgesetzt werden kann. Bereits heute kann das Unternehmen nämlich mit einem breiten Portfolio an entsprechender Software und Hardware aufwarten, darunter eine Vielfalt skalierbarer Controller und über 500 Typen unterschiedlicher adaptierbarer I/O-Module.