Messtechnik Aufgepasst bei der Messmittelwahl

Bild: milosluz, iStock
02.06.2015

Mit wachsender Bandbreite eines Systems werden Signalflanken steiler, Chips und andere Bauteile kleiner und das Layout der Leiterplatte komplizierter. Diese Tendenzen stellen für den Signalabgriff eine Herausforderung dar. Dabei sind bei der Wahl eines Hochleistungstastkopfes mehr Aspekte zu berücksichtigen als bei der Wahl eines Standardtastkopfes mit niedrigerer Bandbreite. Es gilt: Je leistungsfähiger ein Tastkopf ist, desto sorgfältiger muss die Auswahl erfolgen.

Ein idealer Oszilloskoptastkopf soll ganz einfach ein genaues Abbild des abgegriffenen Signals liefern. In Wirklichkeit aber wird der angeschlossene Tastkopf Teil der Schaltung des Testobjekts, denn er belastet den Messpunkt. Die nichtidealen Eigenschaften des Tastkopfes und die daraus folgende Belastung des Messpunkts beeinträchtigen auf verschiedene Weise Bandbreite und Glätte des Frequenzgangs in der Frequenzebene. In der Zeitebene können sie zu Überschwingen, Klingeln und Offsetproblemen führen.

Bei der Auswahl eines breitbandigen Tastkopfes muss man unbedingt im Auge behalten, dass ein breitbandiger Tastkopf dem Messpunkt einen anderen Impedanzverlauf zeigt als ein Standardtastkopf und daher den Messpunkt anders belastet als dieser.

Verschiedene Impedanzverläufe

Der Impedanzverlauf eines Standardtastkopfes (zum Beispiel eines symmetrischen 12-GHz-Tastkopfes InfiniiMax II 1169A von Keysight) ist in der roten Kurve von Abbildung 1 dargestellt. Bei niedrigen Frequenzen bis etwa 10 MHz beträgt die Eingangsimpedanz des Tastkopfes 50 kOhm, hauptsächlich verursacht vom Eingangswiderstand. Oberhalb von 10 MHz kommt hauptsächlich die Eingangskapazität von 210 fF des Tastkopfes zum Tragen, wodurch die Impedanz zu höheren Frequenzen hin abfällt. Man nennt einen solchen Kurvenverlauf ein RC-Eingangsimpedanzprofil. Es ist typisch für jeden Standardtastkopf.

Breitbandige symmetrische Tastköpfe wie InfiniiMax III oder III+ zeigen jedoch einen anderen Impedanzverlauf (blaue Kurve in Abbildung 1). Bei Gleichspannung und niedrigen Frequenzen weisen sie eine differentielle Impedanz von 100 kOhm auf. Bei mittleren Frequenzen folgt sie der Impedanz einer Kapazität von 50 nF; darüber hat der Tastkopf dann über sechs Größenordnungen hinweg eine differentielle Impedanz von 1 kOhm, und schließlich fällt die Impedanz mit der Impedanz einer Kapazität von 32 fF ab.

Violett dargestellt ist der Impedanzverlauf eines breitbandigen Tastkopfes eines Wettbewerbers. Wiederum zeigen sich bei Gleichspannung 100 kOhm; bei mittleren Frequenzen fällt die Impedanz wie eine Kapazität von 100 pF bis hinunter zu 450 Ohm, bleibt dort über zwei Dekaden und fällt dann wie eine Kapazität von 65 fF. Die Übergangsfrequenz dieses Tastkopfes zum Plateau in den mittleren Frequenzen liegt mit etwa 100 MHz deutlich höher. Einen solchen Impedanzverlauf nennt man RCRC-Profil. Verläufe dieser Art sind typisch für Hochleistungstastköpfe neuer Bauart.

Allgemein liefern RCRC-Tastköpfe ein originalgetreues Bild von Signalen mit schnellen Flanken. Sie haben aber Probleme mit der Messung absoluter Spannungswerte. Speziell an Quellen mit hoher Impedanz, wenn das Messsignal eine logische Eins ist oder wenn das abgegriffene Signal längere Zeit benötigt, um seinen mittleren Wert zu erreichen.

RCRC-Tastköpfe liefern an Bussen, die in einen hochohmigen Zustand übergehen, nicht die erwarteten Ergebnisse, etwa dann, wenn ein MIPI-D-phy-Signal von HS (High Speed) auf LP (Low Power) wechselt. Im hochohmigen Zustand wird der Bus normalerweise durch einen hochohmigen Widerstand nach High oder Low gezogen. Und eben hierbei stört die (relativ geringe) Eingangsimpedanz eines RCRC-Tastkopfes. Man sollte daher für Messungen an Bussen dieses Typs möglichst keinen RCRC-Tastkopf einsetzen. Ein Tastkopf des Typs RC mit einer hohen Impedanz über einen breiten Frequenzbereich wie etwa InfiniiMax I oder II ist für solche Anwendungen besser geeignet.

Hier ist entscheidend, dass man die Belastung des Messpunkts durch den Tastkopf berücksichtigt und sicherstellt, dass die Belastung tolerabel ist. Die meisten Hersteller von Tastköpfen liefern Modelle, die die Belastung durch den Tastkopf beschreiben. Der Anwender kann somit vor der Entscheidung für einen bestimmten Tastkopf die Belastung des Messpunkts durch den Signalabgriff prüfen.

Tastkopfrauschen einschätzen

Viele Anwender machen sich Gedanken über das Rauschen von Tastkopf und Oszilloskop, das Messungen verfälschen kann. Viele Einzelfaktoren tragen zum Rauschen bei. Die wichtigste Maßzahl, die es zu beachten gilt, ist der Signal/Rauschabstand. Typischerweise bringt eine empfindlichere Einstellung des Teilerverhältnisses (beziehungsweise des Eingangsteilers) ein geringeres Rauschen mit sich und sorgt somit für einen besseren Signal/Rauschabstand. Zugleich bedeutet eine solche Einstellung auch eine geringere Eingangsimpedanz, einen kleineren Dynamikbereich, einen kleineren Gleichtaktbereich usw. Diesbezüglich ist also ein Kompromiss nötig. Ein Blick auf Teilerverhältnis und Datenblatt des Tastkopfes erlaubt eine einfache Einschätzung des Tastkopfrauschens.

Grundsätzlich ist das Eigenrauschen des Systems Tastkopf/Messverstärker eine feste Größe. Für maximalen Signal/Rauschabstand muss das Messsignal an dem Punkt, an dem sich das Rauschen des Tastkopfs und das des Messverstärkers addieren, möglichst groß sein. Alle Oszilloskope arbeiten mit einem Eingangsteiler, um den Skalenfaktor in der Vertikalen verändern zu können. Das Eigenrauschen des Oszilloskops kommt erst jenseits des Eingangsteilers dazu. Wenn man also ein anderes Teilerverhältnis wählt als 1:1 (also eine andere als die empfindlichste Einstellung), wird das (feste) Rauschen im Verhältnis zum Messsignal relativ größer. Es ist somit sinnvoll, immer die empfindlichste Einstellung des Eingangsteilers zu wählen, um zu verhindern, dass das Eigenrauschen des Oszilloskops stärker als unvermeidbar in die Messung einfließt und dem Signal/Rauschabstand der Messung verringert. Aus dem gleichen Grund ist es ratsam, einen Tastkopf mit möglichst geringem Teilerverhältnis einzusetzen.

Hat man dann den richtigen Tastkopf für eine bestimmte Messung festgelegt (und damit für ein möglichst geringes Rauschen gesorgt), gilt die nächste Überlegung der Minimierung der Signalschleife, die die Tastkopfspitzen bilden. Man arbeitet sinnvollerweise mit möglichst geringer Bandbreite von Tastkopf und Oszilloskop, weil eine zu große Bandbreite das Rauschen erhöht. Hierzu sollte man mit der entsprechenden Funktion am Oszilloskop die Bandbreite auf das Maß reduzieren, das man für die Messung unbedingt braucht.

Tastkopfspitze oft das schwächste Glied

Ein Messsystem ist nur so gut wie ihr schwächstes Glied. Die Bandbreite eines Oszilloskops oder eines Tastkopfes ist sicher immer eine wesentliche Spezifikation, aber ein Messsystem besteht aus mehr als nur Oszilloskop und Tastkopf. Oft ist das Oszilloskop nicht das schwächste Glied in der Kette. In einem Messsystem gibt es außerdem auch noch Tastköpfe, Kabel, Verbinder und Testhalterungen. Alle diese Elemente können die Bandbreite des Gesamtsystems stärker beeinträchtigen als das Oszilloskop. Kabel und Verbinder haben üblicherweise nur sehr geringe Verluste, das ist bei Tastköpfen und Tastkopfzubehör aber entscheidend anders.

Hat ein breitbandiger Tastkopf offensichtlich längere Anschlüsse an seinen Spitzen als andere Tastköpfe, ist es ratsam, dem Frequenzverhalten des Systems nicht über den Weg zu trauen. Allgemein kann man sagen: Je länger die Anschlüsse an einer Tastkopfspitze sind, desto mehr Bandbreite kosten sie, desto stärker belasten sie den Messpunkt, desto stärker verformen sie den Frequenzgang und führen zu stärkeren Abweichungen beim Frequenzgang, wenn die Messbandbreite und/oder die Umgebung der Tastkopfspitze sich ändern.

Sobald die Bandbreite eines Systems 1 GHz überschreitet, hat der Anschluss der Tastkopfspitzen vielleicht einen noch größeren Einfluss auf die Systemleistung. Man sollte deren Anschlussdrähte so kurz wie möglich und die von ihnen umschriebene Fläche so klein wie möglich halten. Wenn man mit einem asymmetrischen Tastkopf arbeitet, sollte man die Masseverbindung so kurz und so dick wie möglich halten, damit diese eine möglichst geringe Induktivität aufweist.

Bildergalerie

  • Impedanzverläufe gegen die Frequenz bei verschiedenen Hochleistungstastköpfen: rote Kurve: 12-GHz-Tastkopf InfiniiMax II 1169A von Keysight (RC), blaue Kurve: 30-GHz-Tastkopf InfiniiMax III N2803A von Keysight (RCRC), violette Kurve: 20-GHz-Tastkopf eines Wettbewerbers (RCRC)

    Impedanzverläufe gegen die Frequenz bei verschiedenen Hochleistungstastköpfen: rote Kurve: 12-GHz-Tastkopf InfiniiMax II 1169A von Keysight (RC), blaue Kurve: 30-GHz-Tastkopf InfiniiMax III N2803A von Keysight (RCRC), violette Kurve: 20-GHz-Tastkopf eines Wettbewerbers (RCRC)

    Bild: Keysight Technologies

  • Tastköpfe des Typs RCRC liefern möglicherweise nicht die gewünschten Ergebnisse, wenn man mit ihnen an Bussen misst, die einen Wechsel zu einem hochohmigen Betriebszustand zeigen, etwa einem MIPI-D-phy-Signal. Gelbe Kurve: 13-GHz-Tastkopf InfiniiMax III+ N28032A von Keysight (RCRC), blaue Kurve: 12-GHz-Tastkopf InfiniiMax II 1169A von Keysight (RC)

    Tastköpfe des Typs RCRC liefern möglicherweise nicht die gewünschten Ergebnisse, wenn man mit ihnen an Bussen misst, die einen Wechsel zu einem hochohmigen Betriebszustand zeigen, etwa einem MIPI-D-phy-Signal. Gelbe Kurve: 13-GHz-Tastkopf InfiniiMax III+ N28032A von Keysight (RCRC), blaue Kurve: 12-GHz-Tastkopf InfiniiMax II 1169A von Keysight (RC)

    Bild: Keysight Technologies

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