Alarmsystem warnt vor Dehydrierung Big Data bewahrt Kinder vor dem Verdursten

Nicht nur für kleine Kinder, auch für ältere Menschen ist Dehydrierung in den Sommermonaten eine nicht zu unterschätzende Gefahr.

03.08.2017

Dehydrierung gehört zu den häufigsten Todesursachen von Kleinkindern in Entwicklungsländern, besonders im Sommer. Ein günstiges Wearable soll auch Laien dabei helfen, Dehydrierung wirksam zu behandeln.

Abgesehen von Lungenentzündung ist Durchfall und die damit einhergehende Austrocknung des Körpers für Kleinkinder unter fünf Jahren die weltweit häufigste Todesursache – noch vor Malaria, HIV oder Tuberkulose. 2013 starben 1,3 Millionen Menschen an Dehydrierung. Betroffen sind vor allem Kinder in Entwicklungsländern. „Viele dieser Todesfälle könnten durch Prävention und rechtzeitige Behandlung verhindert werden“, sagt Professor Walter Karlen am Labor für Mobile Gesundheitssysteme der ETH Zürich.

Objektiver als der Kinderarzt

„Bei Verdacht auf Dehydrierung kontrolliert der Arzt bei Kindern die Feuchtigkeit der Augen und die Elastizität der Haut rein visuell. Zudem prüft er mit dem Finger, ob die Schleimhäute im Mund trocken sind“, erzählt Karlen. Das brauche jedoch viel Erfahrung und sei subjektiv. Deshalb sucht er gemeinsam mit anderen Forschern nach einer Lösung, um Dehydrierung objektiv über längere Zeit messen zu können.

Aus dieser Forschung ist Ambica entstanden (Accurate Model for Bio-Composition Analysis), ein System für die Messung des Wassergehalts bei Kleinkindern. Dabei handelt es sich um zwei identische blaue Manschetten für Hand und Fuß mit je zwei eingelassenen Elektroden, die durch ein Kabel verbunden sind. Über die Elektroden wird ein schwacher Stromkreislauf am Körper angelegt und anschließend der Widerstand bestimmt.

Elektrizitiät gibt Aufschluss über Flüssigkeitshaushalt im Körper

Die so gemessene bioelektrische Impedanz erlaubt Rückschlüsse auf die Wasserkonzentration im Körper. Ein Sensor auf der Handmanschette signalisiert durch rote und grüne Striche, ob der Wassergehalt des Körpers zu- oder abnimmt und schlägt Alarm, wenn die Situation kritisch wird – wenn also zum Beispiel eine Infusion nötig wird.

Diese Überwachung erfolgt in Echtzeit, ohne dass medizinisches Fachpersonal vor Ort sein muss. Der Erfolg einer Rehydrierungstherapie könnte so auch von Laien, zum Beispiel den Eltern oder Verwandten eines Kindes, überwacht werden.

Günstige Verarbeitung für Entwicklungsländer

Ambica ist speziell auf die Begebenheiten in Entwicklungsländern ausgerichtet und intuitiv zu bedienen. Die Manschetten bestehen aus leichtem EVA-Kunststoff, der sich in der Orthopädie durchgesetzt hat und vor Ort verarbeitet werden könnte.

Während die Kontakte der Elektroden aus hygienischen Gründen bei jedem Einsatz ersetzt werden müssen, ist das Kabel wiederverwendbar. Das ist wichtig, weil im Medizinbereich Kabel oft ersetzt werden, obschon sie zu den teuersten Bestandteilen eines Messgeräts gehören. Karlen ist überzeugt, dass Ambica in Serie für weniger als hundert Schweizerfranken produziert werden könnte.

Internet der medizinischen Dinge

Karlens Gruppe forscht derzeit auch an einer Plattform, mit welcher die erhobenen Gesundheitsdaten großflächig ausgewertet werden können. Laut Professor Karlen könnten die intelligenten Sensoren in den Handmanschetten könnten zu einem Internet der medizinischen Dinge vernetzt werden.

Der Sensor kann Daten visualisieren, speichern, auswerten und an andere Geräte senden. Anhand von Big Data-Analysen könnte so sehr genau bestimmt werden, wann Dehydrationsfälle in welchen Regionen stark zunehmen. Basierend auf diesen Daten könnten Informations- und Hygienekampagnen effektiver organisiert werden. Auch epidemiologische Langzeitstudien sind mit Ambica denkbar.

Eine App gegen Lungenentzündung

Karlen hat in den vergangenen Jahren viel Erfahrung mit Mobile-Health-Applikationen für Entwicklungsländer gewonnen. Aktuell führt er in Peru zusammen mit dem Tropeninstitut TPH aus Basel eine Studie zum Einsatz von Smartphones für die Diagnose von Lungenentzündungen. Dafür sammelt er weiterhin ausgemusterte Smartphones.

Aktueller Entwicklungsstand von Ambica

Ambica ist derzeit noch ein Prototyp. Das Gerät an der ZHdK-Ausstellung war noch nicht einsatzbereit, weil der Sensor in entsprechender Größe fehlte. Getestet wurden die Manschetten mit einem größeren, externen Sensor. Doch im Dezember soll eine erste Feldstudie stattfinden, bei der Ambica in einer südafrikanischen Provinz in den heißesten Monaten getestet wird.

Dehydrierung gefährdet nicht nur Kinder in der Dritten Welt

Dehydrierung bei Kleinkindern ist im Westen eine seltene Todesursache. Mit zunehmenden Hitzewellen infolge des Klimawandels könnte ein Dehydrierungs-Warnsystem aber auch in nördlichen Ländern für ältere, vergessliche Menschen einen lebensrettenden Nutzen bringen. Eine solche Anwendung sieht Karlen aber erst, nachdem sich das System in Entwicklungsländern etabliert hat, wo der Bedarf und Nutzen am größten ist.

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  • Mit smarten Sensor-Manschetten lässt sich der Flüssigkeitshaushalt eines Kleinkindes permanent überwachen.

    Mit smarten Sensor-Manschetten lässt sich der Flüssigkeitshaushalt eines Kleinkindes permanent überwachen.

    Bild: Florian Bachmann, ETH Zürich

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