Neue Grundlagen schaffen Wege Chemisches Recycling ist startklar

Die meisten Deckel von Getränkeflaschen bestehen aus Polypropylen. Polypropylen und Polyethylen machen zusammen 60 Prozent der Kunststoffabfälle aus.

Bild: Shibashish Jaydev / ETH Zürich
28.08.2024

Auf das Rühren kommt es an - das haben Forschende der ETH Zürich gezeigt. Damit haben sie wichtige Grundlagen für das chemische Recycling gelegt.

Hunderte Millionen Tonnen Kunststoffabfall fallen jährlich weltweit an. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeiten mit Hochdruck an neuen Methoden, um einen Großteil davon zu qualitativ hochwertigen Produkten zu rezyklieren und damit eine echte Kreislaufwirtschaft zu ermöglichen. Heute ist das noch nicht der Fall. Kunststoffabfälle werden vor allem mechanisch rezykliert: zerkleinert und dann eingeschmolzen. Daraus entstehen zwar neue Kunststoffprodukte, aber die Qualität der Produkte nimmt von Recyclingschritt zu Recyclingschritt drastisch ab.

Eine Alternative dazu ist das chemische Recycling, das qualitativ hochwertige Produkte hervorbringt und an dessen Entwicklung intensiv geforscht wird. Langfristiges Ziel ist es, die langkettigen Kunststoffmoleküle (die Polymere) chemisch in ihre Bausteine (die Monomere) zu zerlegen. Aus ihnen könnten dann wieder neue, hochwertige Kunststoffe hergestellt werden. Ein echter nachhaltiger Kreislauf würde entstehen.

Treibstoffe aus Kunststoffmüll

Zunächst geht es bei der Entwicklung des chemischen Recyclings aber darum, die langen Polymer-Ketten in kürzerkettige Moleküle aufzuspalten, die zum Beispiel als Flüssigtreibstoff oder Schmiermittel verwendet werden können. Der Plastikabfall erhält so ein zweites Leben als Benzin, Kerosin oder Motorenöl. Für die Entwicklung dieses Prozesses haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der ETH Zürich nun wertvolle Grundlagen erarbeitet. Diese ermöglichen es der gesamten Wissenschaftsgemeinde, das Recycling gezielt zu entwickeln.

Die Forschenden der Gruppe von Javier Pérez-Ramírez, Professor für Katalyse-Engineering, untersuchten die Spaltung von Polyethylen und Polypropylen mit Wasserstoff. Auch dabei wird der Kunststoff zuerst in einem Stahltank geschmolzen. Anschließend wird der gasförmige Wasserstoff in die Kunststoffschmelze geleitet. Wichtig sind zudem pulverförmige Katalysatoren, die die Chemiker beifügen, zum Beispiel solche, die das Metall Ruthenium enthalten. Durch die Wahl eines geeigneten Katalysators erhöhen Chemiker die Effizienz der chemischen Reaktion, und sie können damit beeinflussen, dass vor allem Moleküle einer bestimmten gewünschten Kettenlänge und möglichst wenig Nebenprodukte wie Methan oder Propan entstehen.

Drehzahl und Geometrie ist entscheidend

„Die Kunststoffschmelze ist tausendmal dickflüssiger als Honig. Entscheidend ist, wie man sie im Tank umrührt, damit das Katalysatorpulver und der Wasserstoff wirklich überall hinkommen“, erklärt Antonio José Martín, Wissenschaftler in Pérez-Ramírez’ Gruppe. In Experimenten und in Computersimulationen zeigte das Forscherteam: Die Kunststoff-Masse wird am besten mit einem Flügelrad gerührt, dessen Flügel parallel zur Achse liegen. Im Vergleich zu einem Propeller mit abgewinkelten Flügeln oder einem Rührer in Turbinenform führt dies zu einer gleichmäßigeren Durchmischung und zu weniger Strömungswirbeln. Sehr wichtig ist außerdem die Rührgeschwindigkeit. Sie darf nicht zu langsam und nicht zu schnell sein. Die ideale Drehzahl liegt nahe bei 1.000 Umdrehungen pro Minute.

Den Forschenden ist es gelungen, den gesamten Prozess des chemischen Recyclings mit all seinen Parametern in einer mathematischen Formel zu beschreiben. „Es ist der Traum eines jeden Chemieingenieurs, eine solche Formel für seinen Prozess zur Hand zu haben“, sagt Pérez-Ramírez. Alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Forschungsfeld können damit nun den Einfluss der Rührer-Geometrie und der Drehzahl präzise berechnen.

In künftigen Experimenten können sie verschiedene Katalysatoren gezielt vergleichen; den Einfluss des Mischens auf den Prozess haben sie dabei unter Kontrolle. Außerdem sind die erarbeiteten Grundlagen wichtig, um die Technologie künftig vom Labormaßstab auf große Recyclinganlagen hochzuskalieren. „Doch im Moment konzentrieren wir uns auf die Erforschung besserer Katalysatoren für das chemische Kunststoffrecycling“, sagt Martín.

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