Wache Augen schauen unter den buschigen Brauen hervor. "Ich war mal Aussteiger", eröffnet Ernst Leeger das Gespräch und springt damit direkt in die Mitte seines Lebens - in das Jahr 1982. "Ich habe zehn Jahre lang mein Hobby zum Beruf gemacht und Rennräder gebaut." Heute leitet der 64-jährige das Testcenter von Gericke in der Schweiz - und noch immer sucht er die Herausforderung.
1969, mit knapp 21 Jahren, begann er bei Gericke seine Lehre als Mechaniker: in Regensdorf, am Rande von Zürich. Als Ernst Leeger bis in die kleinsten technischen Details verstanden hatte, wie die Maschinen und Anlagen für Dosier-, Misch- und Förderprojekte zusammengebaut werden, wechselte er ins Service-Department. Nun reiste er mit seinen Maschinen, reparierte und montierte Gesamtlösungen vor Ort. Seine Energie und sein Wissensdurst waren nicht zu bremsen. Er bildete sich fort: in pneumatischer Logik, Elektronik, Schema lesen und Sprachen. Dann öffnete sich für ihn das Tor zur Welt. Er reiste für größere Inbetriebnahmen innerhalb Europa, nach Amerika, sogar bis in den Iran: drei Monate, fünf Monate, meist allein.
"Dort wo ich bin, bin ich zu Hause", konstatiert der Ur-Schweizer. Und so richtete er sich ein. 1978, während des Aufbaus einer Schüttgut-Anlage in Teheran, besuchte er eine arabische Schule und lernte Farsi, die Sprache der Perser. Mit den Kenntnissen der iranischen Amtssprache gewann er langsam das Vertrauen der Menschen, die vor Ort mit ihm arbeiteten und lebten. "Der Iran ist ein wunderbares Land mit wundervollen Leuten", erinnert sich der Weltenbummler. Aber ihn trieb es weiter. Die nächste Station war der Verkauf. Doch auf der Höhe seiner Laufbahn, im Jahr 1982, stieg er aus - mit vollem Risiko, ohne Netz. Der technikverliebte Radrennfahrer übernahm ein renommiertes Fahrradgeschäft und wurde sein eigener Chef. "Fahrräder sind echte Hightech-Produkte", begründet er knapp diesen Schritt.
Die Augen funkeln. "Mein Gehirn ist ein seltsames Gebilde. Ich habe ein spezielles Kartensystem in meinem Kopf. Auf tausenden von kleinen Karten steht alles aufgeschrieben. Ich kann sie schnell durchblättern, stoppen und lesen. So vergesse ich fast nichts. Ich kann mich praktisch an alles erinnern. Das war ein großes Glück - für mich und die Firma Gericke", beschreibt Ernst Leeger seinen Wiedereinstieg. Ohne den geringsten Aufwand sprang er ein, als es die Krankheit eines Kollegen nötig machte. Zunächst übernahm er die Leitung des Testcenters in Form einer Interimslösung und trat schließlich im Jahr 1999 voll in die Verantwortung. Seine breit gefächerte Ausbildung, die besondere Aufgabenstellung und sein spezielles Naturell gingen eine ideale Verbindung ein. Das Testcenter wurde zu seiner Welt.
Fingerspitzengefühl und exakte Zahlen
Die Versuche mit den Produkten aus der Nahrungsmittel-, Pharma- oder Kunststoffindustrie bieten ihm unzählige Möglichkeiten, seine ganze Energie und Kreativität auszuleben. "Ich brauche zehn bis 20 Aufgaben parallel. Nur eine Arbeit, das erträgt mein Kopf nicht", witzelt er. Die Produkte für die Tests kommen aus aller Welt. Leeger organisiert die Transporte, stellt Pro-forma-Rechnungen aus, berücksichtigt die schweizerischen Einfuhr- und Ausfuhrbestimmungen, baut die Anlage auf und macht Vorversuche. Der Schüttgut-Spezialist kontrolliert die Produkte mit seinem Zeigefinger. So bekommt er ein Grundgefühl: Wie ist das Produkt beschaffen? Wie lässt es sich fördern, wie mischen oder granulieren? "Mit dem Finger im Glas komme ich schon auf gute Resultate. Aber das reicht den Kunden natürlich nicht", lacht er. Konkreter wird es mit dem Rheometer. Das Gerät misst alle Pulver- und Fließeigenschaften, die Scherkräfte, den Schüttwinkel und wirft exakte Zahlen und schöne Kurven aus.
Auch Ernst Leeger nutzt für die letzten Feinjustierungen elektronische Apparate, zum Beispiel die Differenzialdosier-Waagen. Die Testprodukte müssen punktgenau dosiert und exakt auf ihre Schüttguteigenschaften analysiert werden. Am Ende sind es die verfahrenstechnischen Vorraussetzungen, die stimmen müssen. "Wurden die Produkte nicht richtig behandelt, funktioniert der Test nicht - da hilft auch die beste Elektronik nicht", so Leegers Erfahrung. Geht dennoch etwas schief, helfen ihm seine starken Nerven. "In schwierigen Situationen bin ich eiskalt", bekennt er. Sind alle Details geklärt, kann der Kunde kommen. Gemeinsam stellen sie die Anlage auf, gehen alle Abläufe durch und machen verschiedene Testläufe. Zwei bis drei Stunden, maximal einen Tag dauern die Tests. "Ich komme so mit vielen Spezialisten zusammen, die wie ich über 20, 30 Jahre Erfahrung verfügen. Es ist ein Geben und Nehmen und jedes Mal lerne ich wieder etwas dazu", fasst Leeger begeistert zusammen. Doch es bleiben ihm nur noch zwei Jahre, bis er in Pension geht.
"Ich bin vorbereitet", sagt er. "Ich bin Instruktor an einer Fliegenfischer-Schule; ich gebe jetzt schon vier bis fünf Kurse pro Jahr." Leidenschaftlich erzählt er von kilometerlangem Waten im Flussbett, konzentriert auf das Aufspüren der Fische und den Moment des Fangs. "Es kommt auf Sekunden an. Das macht es so spannend", verrät er und ist schon wieder mittendrin - in der Geschichte seines zukünftigen Lebens.