Power & Leistungselektronik Der Ansteuerungs-Mythos

24.09.2012

Der Irrglaube, IGBTs lassen sich einfach und nahezu leistungslos ansteuern, ist weit verbreitet. Dabei ist kaum eine Ansteuerung derart komplex und fehleranfällig. Ein fehlerfreier IGBT-Treiber erfordert daher deutlich mehr als bloßes Datenblatt-Wissen.

Leistungshalbleiter sind Schlüsselkomponenten in allen nur erdenklichen Leistungselektroniken. Deren sichere Funktion in der Anwendung wird im Wesentlichen durch eine gute und sachgerechte Ansteuerung bestimmt. Eine ungenügende oder gar falsch ausgelegte Ansteuerung schlägt unmittelbar auf das gesamte Design der Leistungselektronik durch und kann im ungünstigsten Fall zu Ausfällen im Feld führen - ohne die Möglichkeit, diese Ausfälle durch eine Anpassung der Ansteuerung zu verhindern. Aufwändige und kostenintensive Nachbesserungen sind oft die Folge, welche mit ein paar Cent oder Euro mehr Ansteueraufwand vermeidbar gewesen wären.

Einsatz und Ansteuerung

Die Ansteuereigenschaften von IGBTs sind vergleichbar mit denen von MOSFETs. Dies ist im Wesentlichen eine leistungsarme und relativ schnelle spannungsgesteuerte Ansteuerung. Das Ausgangsverhalten ist vergleichbar mit den von bipolaren Transistoren bekannten niedrigen Durchlassspannungsabfällen mit Sperrvermögen von bis zu 6,5 kV. Die Schalteigenschaften sind im Vergleich zu MOSFETs moderat und je nach Auslegung des Siliziums mittelschnell und im Vergleich zu bipolaren Transistoren als mittelschnell bis schnell einzuordnen. Ähnlich wie MOSFETs und bipolare Transistoren zeigt der IGBT auch robuste Reverse Bais Safe Operating Area (RBSOA) und Short Circuit Safe Operating Area (SCSOA). Eine massive Überstromsituation bzw. Kurzschlusssituation lässt sich am IGBT durch Entsättigung detektieren und innerhalb des 10-us-SCSOA zur Abschaltung bringen. Aus diesen Gründen findet man in der Fachlektüre oft die Bemerkung, IGBTs ließen sich sehr einfach und praktisch leistungslos ansteuern. Kaum eine andere Bemerkung ist so falsch wie diese. Ganz im Gegenteil: In keiner anderen Ansteuer-Schaltungstopologie potenzieren sich Fehler in der Ansteuerungselektronik so gravierend wie bei IGBTs. Fehler in der Ansteuerung können Einfluss auf das elektrische, thermische und mechanische Design haben und oftmals nicht durch einfache Anpassungsmaßnahmen behoben werden. In vielen Fällen wird eine teure und langwierige Nachentwicklung notwendig. Eine Fehlauslegung einer IGBT-Ansteuerung ist fast sogar schon vorprogrammiert, denn eine einfache, praktisch leistungslose Ansteuerung darf ja nichts oder nicht viel kosten.Dabei muss man sich einfach nur klar machen unter welch „giftigen“ Betriebsbedingen ein IGBT sicher zu funktionieren hat, um zu erkennen, dass es gerade auf die Ansteuerung ankommt und diese nicht zum Nulltarif zu haben ist. Je nach Sperrvermögen des IGBT können diese bei DC-Spannungen von einigen kV- und mit Strömen im kA-Bereich betrieben werden. Dies ist alles anderen als die Kleinsignal-Belastung, wie man sie beispielsweise von kleinen MOSFETs im diskreten TO247-Gehäuse kennt.

Auch die dynamische Belastung während des Ein- und Ausschaltens des IGBTs ist alles andere als zahm: Bei Hochleistungs-IGBTs sind Stromänderungsgeschwindigkeiten dic/dtvon einigen kA/us und Spannungsänderungsgeschwindigkeiten dv/dtvon einigen kV/us durchaus nicht ungewöhnlich. Während des Betriebes erwärmen sich die IGBTs aufgrund der erzeugten Schalt- und Durchlassverlustleistung, was durch eine sachgerechte thermische Auslegung in bestimmtem Grenzen gehalten werden muss. Diese thermische Auslegung wiederum bestimmt die mechanische Größe des Wechselrichters. Genau unter diesen Bedingungen muss der IGBT sicher und störungsfrei seinen Dienst verrichten. Eine Hauptrolle für den sicheren Betrieb kommt der Ansteuerung zu - auch unter dem Aspekt, dass der IGBT bei Weitem nicht das ideale schaltende Bauelement ist, das er auf den ersten Blick zu sein scheint. Aufgrund seines inneren Aufbaues weist der IGBT parasitäre Komponenten auf, die sich im Betrieb negativ bemerkbar machen. Im Wesentlichen sind dies parasitäre Kapazitäten wie die Eingangskapazität Cies, Cge, die Ausgangskapazität Coes, Cceund die Rückwirk-Kapazität Cres, Cgc(Miller-Kapazität). Neben dem eingangsseitigen N-Kanal-MOSFET und dem ausgangseitigen PNP-Transistor ergibt sich aufgrund der inneren Strukturen des IGBT ein weiterer parasitärer NPN-Transistor, der mit dem PNP-Transistor einen parasitären Thyristor bildet. In der Tat konnten die frühen IGBTs unter bestimmten Betriebsbedingungen ähnlich wie ein Thyristor einrasten, was zu einem sofortigen Ausfall des IGBT führte. Durch Prozess-Optimierung zeigen heutige IGBTs dieses Verhalten nicht mehr.Neben diesen parasitären Komponenten des IGBT und den damit einhergehenden Limitierungen gibt es weitere Limitierungen, die aber Schaltungs- und anwendungsbedingt sind. Um Schaltungsverluste beim Ein- und Ausschalten zu minimieren, wird jeder Entwickler bestrebt sein, den IGBT möglichst schnell zu schalten. Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass es in jeder Wechselrichterschaltung Streuinduktivitäten gibt, die wegen der steilen Stromanstiege dic/dtvon mehreren 1.000 A/us (je nach IGBT-Größe) zu hohen Überspannungen in den Kommutierungspfaden von IGBT zu Freilaufdiode und umgekehrt führen können. Wird dadurch die zulässige Kollektor-Emitter-Sperrspannung überschritten, kommt es zur sofortigen Zerstörung des IGBT. Ein Ansatz zur Verringerung dieser Überspannungen besteht darin, die Kommutierungswege so kurz wie möglich zu gestalten, mithin die einzelnen IGBT-Module so dicht als möglich zusammenzusetzen. Dies wiederum verringert jedoch den Kühlerwirkungsgrad, weil bei der Angabe des thermischen Übergangswiderstandes davon ausgegangen wird, dass der Verlustwärmeübertritt von den IGBT-Modulen in den Kühler möglichst vollflächig homogen erfolgt. Bei einer Konzentrierung von IGBT-Modulen ist dies jedoch nicht gewährleistet. Ein weiterer Weg besteht darin, die Schaltgeschwindigkeit und damit das dic/dtzu reduzieren. Dadurch steigen jedoch die Schaltverluste an, was sich in zusätzlichem Kühleraufwand äußert. Zu hohe dic/dtkönnen sich auch schädlich auf die abzukommutierenden Freilaufdioden auswirken, und es kann zu Ausfällen kommen. Generell können hohe dic/dtzu erheblichen EMV-Problemen im Wechselrichter führen. Hohe dic/dtführen im harten Schaltbetrieb auch zu hohen Spannungsänderungsgeschwindigkeiten dvce/dt. Bei ungeerdeten Kühlersystemen kommt es daher zu erhöhter störmagnetischer Abstrahlung, bei geerdeten Kühlersystemen zu kapazitiven Ableitströmen über die parasitäre Kapazität zwischen IGBT-Modulboden und Kühler. Hohe dvce/dt-Werte führen zu einer beschleunigten Alterung der Isolationsmaterialien im Wechselrichtersystem. Diese trifft sinngemäß auch auf die Isolationstrecken zwischen der Wechselrichter-Leistungsseite und Steuerseite zu. An IGBT-Treiber werden hohe Anforderungen bezüglich sicherer galvanischer Trennung und Störimmunität in Form möglichst kleiner Koppelkapazitäten gestellt.

Mythos leistungslose Ansteuerung

Große IGBT-Module bestehen aus einer Vielzahl einzelner IGBT-Chips, welche alle parallel geschaltet sind. So kommen schnell recht hohe Werte für die Eingangskapazität Cisszustande. Allerdings stellt die Eingangskapazität keine für die Anwendung praktikable Größe dar. Der Wert wurde mit einer Messbrücke ermittelt. Die dabei angewendete Messspannung ist zu niedrig, um die Gate-Schwellspannung zu erreichen. Somit bleiben die beim Schalten auftretenden Rückwirkungseffekte (Miller-Effekt) ohne Berücksichtigung. Dazu wird bei der Messung eine Kollektor-Emitterspannung von 25 V angelegt. Bei dieser Spannung sind die Kapazitäten deutlich kleiner als bei Spannungen, wie sie im gesättigten Bereich typischerweise auftreten. Der Datenblattwert für die Eingangsspannung Cisskann daher nur zum direkten Vergleich unterschiedlicher IGBT-Fabrikate herangezogen werden. Zur Auslegung der erforderlichen Treiberleistung hingegen muss der Wert der Eingangskapazität mit Faktor 5 (Erfahrungswert) multipliziert werden. Der Wert für die Eingangskapazität ist Cin~ 5 x Ciss. Die gespeicherte Energie in der Eingangskapazität berechnet sich: W ~ 0,5 x Cinx dVge2. Zu beachten ist dabei: dVge= 30V bei negativer Ansteuerung mit Vge±15 V. Da das Gate bei jedem Taktimpuls zweimal umgeladen wird, errechnet sich die erforderliche Treiberleistung wie folgt: P ~ Cinx f x dVge2Diese Leistung muss vom Treiber für jedes einzelne IGBT-Modul aufgebracht werden. Das Gate des IGBT wird praktisch verlustfrei umgeladen. Die Verluste fallen in den internen Gate-Widerständen innerhalb des IGBT-Moduls und in den Gate-Widerständen auf dem Treiberboard an. Somit ist die Baugröße der Gate-Widerstände gegeben. Zusätzlich ist in Bezug zur Treiberleistung der Eigenbedarf des Treibers mit zu berücksichtigen und in Anbetracht der Betriebszuverlässigkeit nicht zu knapp an die errechnete notwendige Mindest-Treiberleistung zu legen (Sicherheitsfaktor 2). Für ein IGBT-Modul 5SNA3600E170300 (Größenordnung 3.600 A/1.700 V/Ciss= 239 nF) muss danach bei einer Taktfrequenz von etwa 5.000 Hz mit erforderlichen Treiberleistungen von bis zu 10 W gerechnet werden. Ist die erforderliche Gate-Ladung Qge für ein IGBT-Modul als Datenblattwert unter Anwendungsbedingungen bekannt oder wurde sie messtechnisch ermittelt, so kann die erforderliche Treiberleistung wie folgt ermittelt werden: P = f x Q x dVge�?hnliches gilt für den Gatestrom. Der maximale Ausgangsstrom des IGBT-Treibers muss gleich oder größer sein als jener maximale Gatestrom, der mit Igmax= dVge/Rgminberechnet werden kann. Dabei ist zu beachten, dass dVgeder gesamte Spannungshub am Gate - also 30 V bei Vge+/- 15V - beträgt. Rgminist der im Datenblatt ausgewiesene Minimalwert für das Ausschalten zuzüglich den im IGBT-Modul eingebauten Chip-Gate-Widerständen. Für das genannte IGBT-Modul ist der Chip-Gate-Widerstand 0,080mOhm bei einer Chip-Temperatur von 150°C und damit praktisch vernachlässigbar. Der im Datenblatt für das IGBT-Modul 5SNA3600E angegebene Rgmin beträgt 0,6 Ohm bei Vge ±15 V. Der berechnete Wert für Igmaxbeträgt demnach 50 Apeak. Nach diesen Annahmen müssten der Treiber und das ihn speisende Netzteil folgende Leistungsdaten aufweisen: P�?�10 W, Ipeak�?�50 A. Dies sind durchaus Werte, mit denen man auch große Thyristoren zünden kann. Wie man leicht erkennen kann, ist das alles andere als leistungs- und stromarm.

Mythos einfache Ansteuerung

Selbstverständlich wird ein Entwicklungsingenieur immer bestrebt sein, die eingesetzten IGBT-Module möglichst maximal auszunutzen. Üblicherweise stützt er sich dabei auf im Datenblatt angegeben Werte wie zum Beispiel den Rgmin, um möglichst wenig Schaltverluste im IGBT-Chip zu generieren. Mit diesem so gefundenen Treiber und dem im Datenblatt angegebenen Wert für den Gate-Widerstand Rgminvon 0,6 �?�ergeben sich folgende Stromanstiegs-, Stromfallgeschwindigkeiten, Eon- und Eoff-Werte: Dabei ist zu beachten, dass als induktive Last in der Tiefsetzsteller-Messschaltung ein Wert von nur 50 nH angegeben wird. Die im Modul verbaute intern verbaute Streuinduktivität beträgt zusätzlich 8 nH. Ein- bzw. ausgeschaltet wird auf beziehungsweise aus 3.600 Apeak. Die treibende Spannung beträgt Vce= 900 Vdc. Dabei ergeben sich die im Datenblatt angegeben Minimalwerte für Eonmit 1,2 Ws und Eoffmit 1,69 Ws. Bei diesen Arbeitspunkten ergeben sich für den IGBT nach der Beziehung Vcemax= Vce+ (L x di/dt) = 900 V + (58 nH x 10.800 A/us) = 1.526 V folgende Spannungsbelastungen aufgrund der erzeugten Schaltüberspannungsspitzen: Die zulässige Spannungsbelastung für das IGBT-Modul 5SNA3600E ist 1.700 V, die in der Messschaltung auftretende 1.526 V und damit gerade noch zulässig. Anders sieht es jedoch in der Anwendung aus. Dort muss eine Netzüberspannung von +10 Prozent zugelassen werden. Damit liegen wir bei einer Vcevon 990V. Im regenerativen Betrieb werden zusätzlich 150 bis 200V zurück auf den Zwischenkreis gespeist, bevor der Bremschopper eingreift und die Zwischenkreisspannung wieder auf Normalwerte bringt. Unter Berücksichtigung dieser Betriebsumstände landen wir letztendlich bei eine Spannungsbeaufschlagung von Vcemax= 1.816 V. Game over! Ist es überhaupt sinnvoll, IGBTs so scharf anzusteuern, wie es aus den Datenblättern entnommen werden kann? Diese Frage muss an dieser Stelle mit einem klaren Nein beantwortet werden. Die Ansteuerung muss zu Lasten der Schaltverluste an die Gegebenheiten des gesamten Designs angepasst werden. Den Treibern kommt dabei eine Schlüsselrolle zu, müssen sie doch Schwächen im Design bzw. technische notwendige Kompromisse ermöglichen, damit der Wechselrichter im Gesamtsystem zuverlässig und störungsfrei betrieben werden kann. Dies ist, wie man leicht erkennen kann, alles andere als leicht.

Potential-Trennung mit DC/DC-Wandler

In den üblichen Schaltungskonfigurationen, die beim Aufbau von Wechselrichtern zum Einsatz kommen, liegen die IGBTs auf unterschiedlichen Potentialen gegen Erde und gegeneinander. Es ist daher sinnvoll, eine galvanische Potentialtrennung auf jedem IGBT-Treiber für die Leistungsversorgung und Ansteuerung vorzusehen. Die Potentialtrennung für die Leistungsversorgung des IGBT-Treibers wird in aller Regel durch einen DC/DC-Wandler realisiert, für die Ansteuerung werden optisch Komponenten oder Übertrager eingesetzt. Dies hört sich einfacher an als es tatsächlich ist, werden doch an die Potential-Trennstellen außerordentlich hohe zusätzliche Anforderungen gestellt. So müssen die Potentialtrennstellen speziell im Zusammenhang mit dem Einsatz von 1.700, 2.500, 3.300, 4.500 und 6.500 V sperrenden IGBTs hohe Isolationsspannungen aufweisen. Noch wichtiger ist die Alterungsbeständigkeit der Isolationsfestigkeit. Die zur Beurteilung dieser Alterungsbeständigkeit wichtige Angabe der Teilentladungsfestigkeit, speziell die der Glimmaussetzspannung, ist den Datenblättern der entsprechenden Komponenten oftmals nicht zu entnehmen. Der Anwender ist gut beraten, wenn er sich daher bei dem Hersteller den Wert für die Glimmaussetzspannung schriftlich garantieren lässt. Dieser Wert sollte etwa 20 Prozent über der in der Anwendung dauernd auftretenden Spannungsbeanspruchung liegen. Sollte eine Angabe zur Glimmaussetzspannung nicht möglich sein, sollte dieses Bauelement aus Sicherheitsgründen nicht eingesetzt werden. In Wechselrichtern werden die IGBTs mit einigen Kilohertz möglichst schnell ein- und wieder ausgeschaltet, um die dabei entstehenden Schaltverluste so gering wie möglich zu halten. Dabei einstehen an der Ausgangsseite der Potential-Trennstellen, an den IGBTs also, hohe Spannungsänderungsgeschwindigkeiten von einigen kV/us. Die Potential-Trennstellen müssen daher kleinstmögliche Koppelkapazitäten aufweisen. um ein Einkoppeln von Störsignalen auf die Eingangsseite, der Ansteuerseite, zu verhindern. Eingekoppelte Störsignale führen zu schweren Fehlfunktionen des Wechselrichters und zu IGBT-Ausfällen wegen fehlender dv/dt-Störfestigkeit der Treiberschaltung. Die Potential-Trennstelle des DC/DC-Wandlers muss zusätzlich noch in der Lage sein, eine Leistung von einigen Watt zu übertragen. Dies bedingt natürlich eine bestimmte Baugröße für den Übertrager. Mit zunehmender Baugröße werden die Koppelkapazitäten in aller Regel größer mit einhergehender höherer Problematik bezüglich dv/dt-Störfestigkeit. Erreicht das Design des Treiberboards eine dv/dt-Störfestigkeit von >50.000 V/us auf einen Spannungswert, welcher dem des Wertes der Sperrspannung des eingesetzten IGBT entspricht, so kann davon ausgegangen werden, dass das Treiberboard ausreichend dv/dt-störfest ist.

Gate-Widerstand

In den Datenblättern der IGBTs sind zur Spezifizierung der dynamischen Eigenschaften unter anderem die hierzu erforderlichen Gate-Widerstände angegeben. Die damit ermittelten Werte für Einschaltverlustenergie Eon, Ausschaltverlustenergie Eoff, Reverse Bais Safe Operating Area (RBSOA) und Short Circuit Safe Operating Area (SCSOA) sind für die weitere elektrische und thermische Auslegung von größter Bedeutung. Insofern sind die in den Datenblättern angegebenen Werte für die Gate-Widerstände als Minimalwert bzw. optimaler Wert zu betrachten. Der Treiber muss demnach in der Lage sein, den mit diesem Gate-Widerstand und dem Spannugshub am Gate resultierenden Spitzen-Umladestrom führen zu können. Bei einem Gate-Widerstand von 1 Ohm und einem Spannungshub von ±15 V sind das demzufolge 15 A. Tatsächlich wird der Umladestrom etwas kleiner sein, da in den IGBT-Modulen herstellerseitig kleine Gate-Dämpfungswiderstände eingebaut werden. Grundsätzlich gilt es festzuhalten, dass die mit optimalen Gate-Widerständen und optimaler streuinduktivitätsarmer Messschaltung ermittelten und ausgewiesenen dynamischen Werte in der Praxis oft nicht erreicht werden, da sich der mechanische Aufbau von Wechselrichtern von dem der Messschaltung deutlich unterscheidet.

Anpassung des Gate-Widerstandwertes

Die Schaltgeschwindigkeit der IGBT lässt sich durch eine moderate Erhöhung des Gate-Widerstandwertes in gewissen Grenzen verringern. Dabei ist jedoch zu beachten, dass der Gate-Widerstandnicht zu hochohmig wird und es zusammen mit den parasitären Komponenten des IGBT (Millerkapazität, Streuinduktivität der Gatezuleitung) zu keinen Oszillationen der Gatespannung kommt. Es ist zu berücksichtigen, dass das Erhöhen des Gate-Widerstandwertes einen deutlichen Anstieg der Ein- und Ausschaltenergien im Vergleich mit den im Datenblatt ausgewiesenen mit sich bringt. Dies muss im thermischen Design bei der Dimensionierung des Kühlers berücksichtigt werden und setzt die messtechnische Überprüfung der Ein- und Ausschaltverlustenergien mit dem nun eingesetzten Gate-Widerstandwertes bei einer IGBT-Sperrschichttemperatur von 125 °C voraus.

Asymmetrische Ansteuerung

In vielen Fällen ist es sinnvoll, das Ein- und Ausschalten getrennt zu beeinflussen. So kann das Einschalten zum Beispiel mit dem im Datenblatt spezifizierten Gate-Widerstandswert erfolgen, das Ausschalten hingegen wird durch einen hochohmigeren Gate-Widerstandswert verlangsamt, um die Schaltüberspannungsspitze zu verringern. Dies geschieht durch einen zweiten Widerstand und eine Seriendiode, die zum eigentlichen Gate-Widerstand parallel geschalten werden. Der Einschaltpfad ist somit niederohmiger als der Ausschaltpfad. Dies verbessert die Verlustleitungsbilanz des IGBT, weil die Einschaltverlustenergie lediglich in der im Datenblatt spezifizierten Höhe anfällt. Die Höhe der Ausschaltverlustenergie muss hingegen wie vor schon geschildert messtechnisch ermittelt und in der thermischen Dimensionierung entsprechend berücksichtigt werden.

Zweistufige Abschaltung

Oftmals stellt man fest, dass es möglich wäre, die IGBTs im Nennstrombereich noch sicher mit den im Datenblatt spezifizierten Gate-Widerstandswerten abzuschalten, was eine optimale Verlustleistungsbilanz ergäbe. Ein Abschalten von hohen Überströmen oder gar Kurzschlussströmen würde jedoch zu Ausfällen führen, weil die entstehende Überspannung dann zu hoch wird. Hier bietet sich eine aktive zweistufige Abschaltung der IGBTs an. Im Nennstrombereich wird der IGBT niederohmig, z. B. mit den im Datenblatt spezifizierten Gate-Widerstandswerten ein- und ausgeschaltet, im hohen Überstrom- oder Kurzschlussstrombereich jedoch durch einen zweiten hochohmigeren Ausschaltkanal abgeschaltet. Wurde dieser zweite Kanal aktiviert und hat dies zu einer Abschaltung geführt, ist sicherzustellen, dass der Treiber danach keine weiteren Einschaltsignale mehr akzeptiert um sicherzustellen, dass dieser unzulässige Betriebspunkt nicht weiter gefahren wird. Die Festlegung der Abschaltschwellen ist daher sehr wichtig und wird ähnlich wie bei der Überwachung eines Kurzschlusses durch eine so genannte Vcesat-Überwachung detektiert. Die dazu nötige Hardware wird auf dem Treiberboard implementiert und erhöht naturgemäß dessen Komplexität.

Nicht leicht, nicht leistungslos

Die Ansteuerung von IGBTs kann nicht losgelöst von der thermischen (Verluste) und der mechanischen (Streuinduktivitäten) Auslegung betrachtet werden. Ebenso wenig ist es sinnvoll, IGBTs z. B. allein nach „Best of“-Schaltverlustangabe im Datenblatt auszuwählen, denn diese können wie beschrieben in der Anwendung oft gar nicht eingestellt werden. Vielmehr besteht eher die Gefahr, sich in eine technische Sackgasse zu manövrieren, aus der es keine einfachen Lösungswege gibt, gerade weil man diese Auswahl getroffen hat. Eine auf den IGBT und das mechanische/thermische Design abgestimmte Treiberauslegung passt nur auf dieses eine System. Jede Änderung im mechanischen/thermischen Design oder beim IGBT, z. B. bei Änderungen beim Chip oder beim Einsatz eines leistungsgleichen Wettbewerbsfabrikates, bedingt eine Überprüfung und Neuabstimmung des IGBT-Treibers. Sinngemäß gilt dies auch für die Treiber selbst. Ein Treiberdesign für 1.200 V ist nicht zwingend für 1.700-, 2.500-, 3.300-, 4.500- oder gar 6.500-V-IGBTs geeignet. Dies gilt auch für unterschiedlich Stromklassen innerhalb gleicher Spannungsklassen. Wie man unschwer erkennt, ist das Ansteuern von IGBT weder leicht noch leistungslos noch für wenig Geld zu haben, wenn es eine vernünftige Treiberlösung sein soll.

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