Der Begriff Industrie 4.0 beschreibt den vierten grundlegenden Paradigmenwechsel in der Produktion. Nach Mechanisierung, Industrialisierung und Automatisierung gilt es im Sinne intelligenter Produktionstechnik, eingebettete Systeme zu vernetzen und Echtzeitinformationen in Produkten und Prozessen zu nutzen. „Es geht um die Anwendung neuer Technologie mit dem Ziel einer flexibleren Produktions“, erklärt Prof. Dr. Dieter Spath, Leiter des Fraunhofer IAO. „Produkte und Geräte mit eingebetteter IT werden dabei zu verteilten, funktionsintegrierten Systemen, die die physische Welt erfassen, informationell verarbeiten und beeinflussen.“ Zur gegenseitigen Kommunikation greifen sie dabei auf Internetprotokolle und Cloud-Computing-Funktionalitäten zurück. Mithilfe in reale Objekte eingebetteter Systeme, so gennanter Cyber Physical Systems (CPS), sollen Aufträge zum Beispiel in Echtzeit die benötigten Ressourcen anfordern, Anlagen zum Bearbeiten reservieren oder den Mitarbeiter in die Schichtplanung einbinden. Im Rahmen von Industrie 4.0 werden diese Potenziale und Nutzungsszenarien nun erforscht. „Die Möglichkeiten von Industrie 4.0 gehen jedoch weit über die technischen Fragestellungen hinaus“, betont Spath. „Produktionssysteme der Zukunft müssen als interaktive soziotechnische Konzepte verstanden werden.“ Gerade im Hochlohnland Deutschland werde demografischer Wandel, Fachkräftemangel und das wachsende Bedürfnis nach einer ausgewogenen Work-Life-Balance dazu führen, dass wissensbasierte Tätigkeiten eine zentrale Rolle für die Produktion spielen. „Gleichzeitig wird sich auch die Kompetenz der Mitarbeiter verändern. So werden Facharbeiter beispielsweise eigenständiger planen müssen und benötigen dafür ein breites Verständnis über die Produktions- und Logistikprozesse“. Als Beitrag zu Industrie 4.0 führt das Fraunhofer IAO eine Studie und untersucht, wie die notwendige Abstimmung von intelligenten Objekten und selbstbestimmten Mitarbeitern zukünftig aussehen soll. Einen Lösungsansatz sieht Institutsleiter Spath in der stärkeren Nutzung von Mobilgeräten, um besser mit Objekt- und Anlagendaten vernetzt zu sein. „Ziel ist es, die Mitarbeiter zu führenden Entscheidungsinstanzen für ein CPS zu machen, kognitive Entscheidungskriterien in die Lösungsfindung einzubringen und die sensorischen Lücken eines solchen Systems zu schließen“, sagt Spath. Insbesondere die Entwicklungen im Bereich der Social Media bieten neue Formen der Kommunikation und Interaktion unter Menschen, Maschinen und intelligenten Objekten. Ein Betrieb nach dem 4.0-Prinzip soll dann zum Beispiel eine interaktive, echtzeitorientierte und kooperative Beschäftigungsplanung in den Produktionssystemen ermöglichen.
Zukunftslabor Industrie 4.0
Parallel zur Studie baut das Institut ein Zukunftslabor auf. „Besucher können in der Modellfabrik neue Technologien live erleben, testen und in einem Innovationszirkel eigene Ideen für die Produktionsarbeit der Zukunft einbringen“, wirbt Spath. Ein erster Anwendungsfall werde die Selbstorganisation flexibler Produktionseinheiten unter Nutzung mobiler Geräte sein.