Früher war die Welt für einen HF-Ingenieur einfach: Wollte er ein Signal im Frequenzbereich sehen, nahm er dafür einen Spektrumanalysator, wollte er es im Zeitbereich sehen, verwendete er ein Oszilloskop. Der herkömmliche Spektrumanalysator war vom grundsätzlichen Aufbau her eine Mischstufe, mit der man mittels eines durchstimmbaren Lokaloszillators einen bestimmten Frequenzbereich abfahren konnte. Ein Oszilloskop war sogar noch einfacher aufgebaut - die Spannung des zu messenden Signals lenkte einen Kathodenstrahl nach oben und unten ab, der von links nach rechts über den Schirm lief. So sah man, wie sich das Signal in der Zeit veränderte. Messungen im Frequenzbereich erledigte man mit einem Spektrumanalysator, Messungen im Zeitbereich mit einem Oszilloskop. Die digitale Revolution erleichterte die Signalverarbeitung und sorgte für eine weite Verbreitung dieser Technik. Damit begann die Grenze zwischen beiden Geräteklassen zu verschwimmen. Oszilloskope verfügten nun immer häufiger über eine eingebaute schnelle Fourier-Transformation, die Messkurven vom Zeitbereich in den Frequenzbereich übertragen konnte. Spektrumanalysatoren begannen, ihre Daten im Zeitbereich aufzunehmen und sie mittels digitaler Nachbearbeitung für die Bildschirmdarstellung aufzubereiten. Dennoch gab es immer noch klare Unterschiede zwischen beiden Geräteklassen. Oszilloskope hatten nur eine begrenzte Abtastrate. Sie konnten Signale zwar hinunter bis zu Gleichspannung aufnehmen, nach oben aber nur bis zu einigen wenigen GHz. Spektrumanalysatoren konnten Signale bis hoch in den Mikrowellenbereich erfassen, aber bei ihren Wobbeldurchläufen entgingen ihnen kurzdauernde Ereignisse. Was sollte man also machen, wenn man sich ein Signal mit einem Träger von 40 GHz im Zeitbereich anschauen wollte? Oder vielleicht einen vollständigen Breitbandimpuls im X-Band? Mit der Weiterentwicklung der elektronischen Wehrtechnik, von Radar- und Kommunikationssystemen wurden die Anforderungen an Messgeräte immer höher. Methoden der digitalen Signalverarbeitung haben für HF- und Mikrowellengeräte viele neue Wege eröffnet, erfreulicherweise aber auch für entsprechende Messgeräte. Spektrumanalysatoren und Oszilloskope können heute viel mehr als vor wenigen Jahren, mit der Erweiterung der Messmöglichkeiten verschwimmt die Grenze zwischen beiden Geräten - oder sie verschwindet sogar. Für den Anwender ist das ein großer Vorteil: Er braucht sich nun nicht mehr vorher für einen bestimmten Messgerätetyp zu entscheiden, je nachdem, ob er ein Signal im Frequenzbereich oder im Zeitbereich untersuchen will. Gängige Softwarepakete zur Datenanalyse (beispielsweise Agilent 89601B) zeigen Zeitbereich und Frequenzbereich gleichzeitig und können darüber hinaus noch eine Menge mehr. Hat man ein solches Softwarepaket zur Verfügung, verliert die Unterscheidung zwischen Oszilloskop und Spektrumanalysator ihre Bedeutung.
Fundamentale �?nderung der Technik
Die digitale Revolution hat das grundsätzliche Funktionsprinzip von Spektrumanalysator und Oszilloskop geändert:Spektrumanalysator:Die meisten Spektrumanalysatoren arbeiten heute mit einer volldigitalen Signalverarbeitung (DSP). Wie bei einem klassischen Spektrumanalysator wird das Eingangssignal zunächst auf eine deutlich niedrigere Zwischenfrequenz (ZF) heruntergemischt. Dieses Signal wird dann digitalisiert und mit einem digitalen Signalprozessor weiterverarbeitet. Spektrumanalysatoren verfügen heute über zwei Betriebsarten: Abfahren eines Frequenzbereichs mit dem LO (das gibt einen Überblick über einen relativ großen Frequenzbereich) oder „Anhalten“ des LO (damit sieht man alles innerhalb der Analysebandbreite, je nach Abtastfrequenz). Der Hauptvorteil dieser Methode ist eine größere Genauigkeit und Sicherheit: Ersetzt man analoge Baugruppen durch digitale, erspart man sich dadurch einen Großteil der Ungenauigkeiten, die analoge Bauteile nun einmal an sich haben. Klassische Baugruppen von Spektrumanalysatoren wie etwa das Filter für die Auflösungsbandbreite und der logarithmische Verstärker sind nun in digitaler Technik implementiert, die Messergebnisse sind dadurch genauer und reproduzierbar.Hält man den Lokaloszillator an und nimmt Daten um die aktuelle Frequenz herum auf, hat man zwei weitere Vorteile: Man kann erstens ein Breitbandsignal im Zeitbereich sehen. Das Signal wird digitalisiert und kann angezeigt werden wie auf einem Oszilloskop. Der Hauptunterschied zu einem echten Oszilloskop ist, dass das Signal auf dem Spektrumanalysator vorher heruntergemischt wurde, somit relativ zur aktuellen Mittenfrequenz dargestellt wird. Als zweiten Vorteil kann man die Phaseninformation des Signals erfassen. Mit etwas digitaler Signalverarbeitung kann man die Phase des Messsignals (etwa von Kommunikationssignalen oder Radarpulsen) analysieren, somit also die einem Träger aufmodulierte Information demodulieren. Manche Hersteller nennen Spektrumanalysatoren mit dieser Fähigkeit „Signalanalysatoren“. Eine wesentliche Beschränkung hat ein Signalanalysator aber immer noch: Die Abtastrate des A/D-Wandlers in der digitalen ZF-Stufe. Die Analysebandbreite eines Signalanalysators hängt nach Nyquist direkt von der Abtastrate seines A/D-Wandlers ab. Aktuell sind ZF-Abtastraten von bis zu 800MSamples/s verfügbar, das erlaubt Analysebandbreiten von bis zu 320 MHz.Oszilloskope:Wie in der ZF-Stufe eines Signalanalysators werden Signale, die am Eingang eines Oszilloskops anliegen, digitalisiert und in digitaler Form weiterverarbeitet, allerdings mit einer deutlich höheren Abtastfrequenz. Ein Signalanalysator ist auf die Analysebandbreite seines Abwärtsmischers und seines langsamen A/D-Wandlers beschränkt, ein Oszilloskop hingegen kann den gesamten Frequenzbereich von Gleichspannung bis zu vielen GHz auf einmal sehen. Es gibt mittlerweile Echtzeitoszilloskope mit Abtastraten von bis zu 160 GHz/s. Damit kann man Signale von Gleichspannung bis 63 GHz darstellen und bleibt damit unter der Nyquistgrenze des A/D-Wandlers. Das klingt zwar alles wunderschön, aber dennoch muss man sich Gedanken darüber machen, wie sinnvoll dieser Ansatz ist. Eine so schnelle Datenerfassung erzeugt Unmengen an Daten, pro Sekunde mehrere hundert Gigabyte. Nutzt man die ganze Bandbreite, kann man auf einmal jeweils nur Bruchteile einer Sekunde aufzeichnen und analysieren. Techniken wie segmentierbarer Speicher verlängern zwar die Aufzeichnungsdauer, das Verfahren funktioniert aber nur bei repetitiven oder gepulsten Signalen. Die schnellen A/D-Wandler eines Oszilloskops liefern normalerweise nur 8 Bit; im Gegensatz dazu liefert ein A/D-Wandler eines Signalanalysators 14 oder 16 Bit. In vielen Anwendungen ist dieser Unterschied allerdings kein Thema; schnelle Oszilloskope verfügen über Signalverarbeitungsmethoden, die die schnelle Datenerfassung nutzen, um damit Störsignale zu reduzieren und den Dynamikbereich im Frequenzbereich zu vergrößern. Sucht man über einen weiten Frequenzbereich nach kleinen Signalen (etwa Nadelimpulsen), geht das mit einem Spektrumanalysator besser. Bei den meisten Anwendungen in der Kommunikations- und Radartechnik aber sind die Unterschiede zwischen den beiden Geräteklassen in der Praxis unbedeutend.
Das jeweils richtige Messgerät
Wenn beide Geräte HF- und Mikrowellensignale analysieren können, nach welchen Kriterien wählt man dann einmal das eine und ein andermal das andere? Die Anwendungen beider Geräte überlappen sich, einige grundsätzliche Unterschiede gibt es aber doch.Trägerfrequenz und Signalbandbreite:Der wichtigste Einzelparameter, den es zu beachten gilt, ist die Bandbreite des Signals, das man analysieren möchte. Wenn die Bandbreite des Signalanalysators für die Signalbandbreite reicht und die Trägerfrequenz höher als einige GHz ist, nimmt man besser den Signalanalysator. Seine niedrigere Abtastrate ermöglichst eine längere Aufzeichnungsdauer. Weiterhin kosten Spektrumanalysatoren mit mehr als 10 GHz normalerweise weniger als Oszilloskope gleicher Bandbreite. Will man aber ein Breitbandsignal mit 320 MHz Bandbreite oder mehr untersuchen oder Flankenzeiten unter 20ns messen, ist das Oszilloskop die bessere Wahl.(Vertikal-)Auflösung und Grundrauschen:Die Vertikale Auflösung und Grundrauschen wird bestimmt durch die digitale Auflösung der Geräte. Spektrumanalysatoren digitalisieren mit 14 Bit Auflösung, typische Oszilloskope mit 8 Bit. Die Messauflösung wird durch den Signal-Rausch Abstand bestimmt und beschreibt die kleinsten Signale, die noch gemessen werden können. Hierbei hat der Spektrumanalysator mit ca -110dB einen klaren Vorteil gegenüber Oszilloskopen mit ca. -55dB. Weil Oszilloskope im Gegensatz zu Spektrumanalysatoren kein Eingangsfilter aufweisen, ist Ihr Eingang wesentlich breitbandiger bis zu 63GHz und es werden somit mehr Störsignale, neben dem eigentlichen Nutzsignal, erfasst und analysiert.Zahl der Datenkanäle:Der Spektrumanalysator hat nur einen Datenkanal, Oszilloskope hingegen verfügen typischerweise über vier. Zwar kann man mehrere Spektrumanalysatoren zusammenschalten, das ist aber nicht ganz einfach und geht zudem ins Geld. Braucht man zwei, drei oder vier Datenkanäle, hat das Oszilloskop einen „natürlichen“ Vorteil.
Fazit
Durch die Verwendung digitaler Signalprozessoren in Spektrumanalysatoren und Oszilloskopen verschwimmt die Grenze zwischen beiden Geräteklassen so weit, dass in manchen Anwendungen der bestgeeignete Spektrumanalysator ein Oszilloskop ist und das bestgeeignete Oszilloskop ein Spektrumanalysator. So oder so wird der Anwender feststellen, dass heutige Messgeräte weit leistungsfähiger sind als ihre Vorgänger.In der Online-Fassung dieses Beitrags finden Sie zusätzlich einen Überblick über die Vor- und Nachteile beider Geräte beim Messen gängiger Signale.