Herr Kurz, wie baut man heute energieeffiziente Fahrzeuge?
Gerhard Kurz: Wir betrachten das als Effizienzpyramide: Die Grundlage ist, alle Fahrwiderstände zu minimieren. Dazu gehören die drei großen Punkte Luftwiderstand, Fahrzeuggewicht und der Rollwiderstand - Reifen, Radlager und alles, was im gesamten Kraftübertragungspfad das Fahrzeug am Rollen hindert. Auf der nächsten Stufe geht es dann darum, Energieverwandlungsverluste zu vermeiden, also: Optimaler Wirkungsgrad für den Motor, das Getriebe und die Nebenaggregate.
Profitieren alle Pkw gleichermaßen von Verbesserungen auf der untersten Stufe der Effizienzpyramide?
Die Bedeutung steigt durch die Elektrifizierung. Weil solche Fahrzeugantriebe einen höheren Wirkungsgrad haben, ist der Stellhebel noch größer. Und im Hybrid- oder Elektroauto hilft ein niedriger Luft- und Rollwiderstand doppelt: Beim Beschleunigen spart das Fahrzeug Energie, und im Schubbetrieb verliert es nur langsam Tempo. Das heißt, man kann dann mehr Energie rekuperieren.
Wie verschieben sich die Anteile?
Bei einem heutigen Fahrzeug mit Verbrennungsmotor macht die Aerodynamik am Energieverbrauch bei Tempo 100 typischerweise etwa 25 % aus. Bei einem elektrifizierten Fahrzeug sind das dann etwa 55 %. Je nach Umweltparametern kann das auch noch mehr sein. Wenn man keine Klimatisierung braucht, benötigt ein Elektromotor vielleicht 60 % seiner Energie nur dazu, um das Fahrzeug durch die Luft zu schieben. Da müssen wir also ansetzen.
Den Strömungswiderstand der Karosserie zu reduzieren ist ja eigentlich eine alte Kunst. Kann das heute noch substantielle Beiträge liefern?
Wir sind bei weitem nicht auf dem Stand, den wir anstreben. In unserem aerothermischen Versuchszentrum verfügen wir aber seit zwei Jahren über einen der technisch weltweit führenden Windkanäle, in dem wir nicht verkleinerte Modelle, sondern echte Fahrzeuge testen können. Das stehende Fahrzeug wird da von bis zu 300 km/h schneller Luft umströmt, während sich unter ihm synchron ein Metallband bewegt, das den Effekt der Straße simuliert. So lassen sich heute Strömungseffekte an Rad und Radhaus wirklichkeitsgetreu vermessen und bislang brachliegende Effizienzpotenziale heben.
Sie hatten die Wirkungsgrade angesprochen. Wie effizient sind Fahrzeugantriebe im Vergleich?
Bei heutigen Elektromotoren für Fahrzeuge liegt der Wirkungsgrad bei 95 %, während man bei einem Benzinmotor auf etwa 38 % kommt, bei einem Dieselmotor auf etwa 42 %. In den Getrieben verliert man nicht sehr viel. Ein gutes Handschaltgetriebe hat nahezu keinen Verlust, ein Automatikgetriebe liegt bei 90 bis 95 % Wirkungsgrad.
Und wer schaltet besser? Mensch oder Automatik?
In der Praxis liegt die Automatik vor der Handschaltung. Das Automatikgetriebe legt in jeder Fahrsituation den richtigen Gang ein. Und das ist heute kein Luxus mehr - wir bieten beispielsweise eine 8-Gang-Automatik bis zum 1er-BMW an.
Also besser 8-Gang-Automatik statt acht Zylinder. Wie kann man den Verbrauch des Motors drosseln?
Da geht es um Downsizing, wobei ich lieber sagen würde: Der passende Motor für jedes Fahrzeug.
BMW ist ja nicht gerade für kleine Motoren bekannt.
Nein, wir bieten leistungsstarke Fahrzeuge bei außergewöhnlich gutem Verbrauch - Effizienz und Dynamik, beides ist uns wichtig.
In den oberen Effizienzklassen findet man BMW derzeit jedoch nur spärlich.
Das kann ich nicht bestätigen. Wir haben heute 71 Fahrzeuge unter 140g CO 2/100 km, sogar 31 unter 120 g CO2/100 km und drei unter 100 g CO2/100 km.
Aber das Prädikat A des seit November 2011 gültigen Pkw-Labels darf derzeit nur ein Modell Ihrer Produktpalette tragen.
Im Vergleich zu unseren Wettbewerbern im Premium-Segment wie Audi und Mercedes schneiden wir mit Efficient Dynamics sehr erfolgreich ab.
Sie sind ja mit dieser Effizienzinitiative schon früh angetreten. Wie viel Potenzial steckt noch in Verbrennungsfahrzeugen?
Die höchsten Verluste entstehen heute während des Warmlaufs wegen der erhöhten Reibung, gerade im Kurzstreckenbetrieb. Wir arbeiten daher an einer thermischen Isolation, die man aber sehr geschickt machen muss, weil man sie nur zu bestimmten Zeitpunkten einbauen kann und auch wenig Platz dafür hat. Wenn das in ein oder zwei Jahren serienreif ist, werden wir nochmal einen Sprung im Wirkungsgrad machen.
Wie stark kann der Verbrauch dadurch sinken?
Das hängt vom Fahrprofil ab. In Verbrauchstests mit dem Fahrzyklus sieht man davon wenig. Das ist eine Verbesserung, die wir rein für den Kundenverbrauch einführen.
Ist der standardisierte Fahrzyklus nicht die eigentliche Messlatte, an der die meisten Entwicklungen ausgerichtet werden?
Der Zyklus dominiert ein Stück weit, aber wenn wir aerodynamisch etwas verbessern, dann bringt es den Kunden 2,5-mal so viel wie es dem Zyklus bringt. Und das ist uns wichtig, weil es einem Automobilhersteller nicht hilft, wenn er auf dem Papier gute Werte hat, die man aber in der Praxis nicht erreichen kann.
Was darf man also von der Kapselung des Motors erwarten?
Auch bei großer Kälte sinkt dann die Temperatur im Motor nur um etwa zehn Grad Celsius in vier Stunden. Das ist wenig, und damit bleibt die Reibung nahezu gleich niedrig. Wärme ist eine wichtige und wertvolle Energie. An die müssen wir ran!
Auch indem Sie sie mit Hilfe des thermoelektrischen Effekts in Strom verwandeln?
Genau, das sind dann Maßnahmen an der Spitze der Effizienzpyramide, wo es darum geht, Energie wiederzugewinnen. Wir haben bei BMW zwei Projekte zur Wärmerückführung: Auf der einen Seite das Vorentwicklungsprojekt thermoelektrischer Generator TEG. Er wird in einigen Jahren aus Abgaswärme über einen Halbleiter-Effekt direkt Strom erzeugen. Auf der anderen Seite haben wir den Turbosteamer, eine Art kleine Dampfmaschine, die aus Wärme Dampf erzeugt, aus dem eine Turbine Strom gewinnt. Die Projekte sind für unterschiedliche Einsatzgebiete gedacht: So ein Turbosteamer ist sinnvoller für Fahrzeuge, die längere Strecken fahren. Der thermoelektrische Generator kann dafür schon relativ früh Strom zurückführen.
Welche elektrischen Leistungen sind da realistisch?
Wir haben heute einen thermoelektrischen Generator auf dem Prüfstand, der 700 Watt bringt. Aber der muss noch kleiner und leichter werden, um ins Fahrzeug zu passen. Noch ist die Technik nicht reif genug.
Ganz im Gegensatz zur Motor-Start-Stopp-Funktion - die gibt es doch schon seit Jahren.
Ja, aber die wird weiterentwickelt, um schon frühzeitig zu erkennen, dass man an eine Ampel heranrollt. Dann kann man den Motor schon frühzeitig abstellen. Da sind wir sehr vorausschauend unterwegs - im wahrsten Sinne des Wortes. Was uns hier wirklich noch einen großen Sprung bringt ist die Vernetzung mit der Navigation. Nicht nur an der Ampel, sondern auch wenn es bergauf und danach ein langes Stück bergab geht, kann man eine Erhöhung der Motortemperatur vorübergehend in Kauf nehmen. Dann fährt man mit noch besserem Wirkungsgrad und kommt anschließend ohne Last beim Bergabfahren schnell wieder in die normale Temperaturregion. Da gibt es eine Vielzahl von Chancen.
Kann so eine vorübergehende Temperaturerhöhung dem Motor schaden?
Nein, der Motor ist ja eigentlich dafür ausgelegt, bei großer Hitze mit Hänger einen Berg hinaufzufahren. Von daher spielen 10 oder 15 Grad Temperaturerhöhung überhaupt keine Rolle. Wir würden nichts machen, was sich auf die Lebensdauer auswirkt.
Wird das vorausschauende Management heute schon in Serienfahrzeugen eingebaut?
In geringerem Umfang. Man wird es verstärkt in Fahrzeugen sehen, die 2012 bis 2015 anlaufen. Das bringt den Kunden drei bis fünf Prozent weniger Verbrauch. Auf den Fahrzyklus wirkt es sich wiederum nicht aus.
Wird die Vernetzung des Autos letztendlich ein noch größeres Potenzial erschließen als die Technik, die unter der Motorhaube ist?
Wir haben große Chancen für Einsparungen, wenn wir wissen, wie die Verkehrslage ist und wo der Kunde hinwill. Ein Hybridfahrzeug kann dann beispielsweise entscheiden, die letzten zwei Kilometer elektrisch zu fahren. Der Verbrennungsmotor ist ja nicht grundsätzlich schlecht, ganz im Gegenteil, in bestimmten Betriebspunkten ist der eigentlich von der Energie her ideal, etwa wenn Sie konstant auf der Autobahn mit 120 km/h fahren. Da wäre der Elektromotor völlig überfordert. Aber im städtischen Betrieb, wenn man den Verbrenner abschaltet, wo er ein ungünstiges Wirkungsgradverhältnis aufweist, dort wäre der Elektromotor ideal. Und so was kann vorrausschauendes Energiemanagement wunderbar lösen.
Wie kann der Fahrer zum Energiesparen angeleitet werden?
Ein Ansatz dafür ist heute schon der Eco-Pro-Modus, den wir übrigens auch bis zum 1er-Modell serienmäßig anbieten. Ein Druck auf den Schalter versetzt das Fahrzeug in einen energetisch optimalen Zustand. Im Sommer wird beispielsweise die Leistung der Klimaanlagen unmerklich reduziert. Der Fahrer bekommt auch Schalthinweise für die Gangwahl und sieht, wie viel Gas er geben sollte, um im optimalen Bereich zu bleiben - nicht zu langsam, aber auch nicht zu schnell beschleunigen. Das ist eine große Hilfe.
Akzeptieren Kunden solche Hinweise?
Wenn man den Kunden die Vorteile vor Augen führt, ja. Wir zeigen dazu eine Bonusreichweite an, also wie viele Kilometer mehr man fahren kann ohne zu tanken. Das weckt den Ehrgeiz der Kunden. Was heute serienmäßig im 1er und 3er vorhanden ist und bald im 5er zum Einsatz kommt, wird später in elektrifizierten Fahrzeugen eine noch größere Rolle spielen.