Mobile Nahinfrarot-Spektroskopie Eine Frage der Welle

Die Spektroskopie ist ein leistungsfähiges Hilfsmittel zur Identifikation von Materialproben anhand ihrer Reaktion auf einen weiten Bereich von Wellenlängen.

Bild: iStock, Pobytov
05.12.2016

Die Spektroskopie hat sich seit ihrer Erfindung als laborbasierte Technik deutlich entwickelt. Nahinfrarot-Spektrometer im Handheld-Format werden kleiner und kostengünstiger, was auch der Einführung neuartiger Systemarchitekturen zu verdanken ist. Die darin eingesetzten MEMS-Bauelemente bieten einiges Zukunftspotenzial für die Industrie.

Die Spektroskopie ist ein leistungsfähiges Hilfsmittel zur Identifikation von Materialproben anhand ihrer Reaktion auf einen weiten Bereich von Wellenlängen. Die Spektroskopie im Nahinfrarot-Bereich (NIR) bestrahlt die Proben mit Licht, dessen Wellenlängen zwischen 780 und 2.500 nm liegen. Je nach Aggregatzustand des Probenmaterials wird die spektrale Reaktion anhand des Reflexionsgrads (bei Feststoffen) oder Absorptionsgrads (bei Flüssigkeiten und Gasen) gemessen.

Die spektralen Signaturen im Bereich von 780 bis 2.500 nm werden durch das Vorhandensein von Wasserstoffbindungen wie O-H, C-H, N-H und S-H dominiert. Deshalb eignet sich der NIR-Wellenlängenbereich besonders für Überwachungsaufgaben in der Nahrungsmittelindustrie und Landwirtschaft, für Diagnosezwecke im Gesundheitswesen, für die petrochemische Verarbeitung und die Herstellung pharmazeutischer Produkte. Innerhalb des NIR-Bands stellt jede Spektroskopie-Applikation spezifische Anforderungen hinsichtlich des Wellenlängenbereichs und der chemometrischen Analyse. Zum Beispiel kann ein im Bereich von 900 bis 1.700 nm arbeitendes Instrument Informationen über den Gehalt an Wasser (H2O) und Saccharose (C12H24O12) liefern. Dehnt man den Wellenlängenbereich des Instruments auf 2.500 nm aus, gestattet dies die Detektierung von Signaturen weiterer organischer Verbindungen sowie eine Verbesserung der Ergebnisse bei der Überwachung pharmazeutischer Prozesse.

Wellenlänge als Kostenfaktor

Der gewählte Wellenlängenbereich kann sich auf die Materialkosten des Instruments auswirken. Ein kurzwelliges NIR-System könnte beispielsweise mit einem kostengünstigen Silizium-Detektor bestückt werden, der für Messungen bis 1.050 nm geeignet ist. Jenseits von 1.050 nm wird häufig ein teurerer Indium-Gallium-Arsenid-Detektor (InGaAs) benötigt. Bei mehr als 1.700 nm Wellenlänge muss das InGaAs-Material meist gekühlt werden, um die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit erfüllen zu können. Infolge des kostspieligeren InGaAs-Substrats und der zusätzlichen Kühlelemente ist der Einsatz der InGaAs-Lineararray-Technologie womöglich zu teuer für günstige Instrumente im Handheld-Format.

Angesichts kostenmäßiger Herausforderungen, die sich bei der traditionellen dispersiven Spektroskopie mit einem InGaAs-Array-Detektor ergeben, konzentrierte sich ein Gros der Innovation bei den NIR-Spektrometern darauf, die Zahl der Systembauteile zu verringern. Beispiel ist der Ersatz des dispersiven Beugungsgitters durch einen linear variablen Filter (LVF). Die LVF-Architektur reduziert zwar den Lichtdurchtritt, macht das Spektrometer aber kompakter, weil der Weg zwischen Beugungsgitter (Grating) und Detektor wegfällt.

Linear variable Filter oder Scanning-Grating?

Andere neuartige optische Konstruktionen bedienen sich einer transmissiven Grating-Architektur, die den Platzbedarf des Systems strafft und dabei den Lichtverlust minimiert. Eine weitere Architektur nutzt die Scanning-Grating-Technik zur Weiterleitung des Lichts direkt an einen Einzeldetektor, sodass auf das zuvor erwähnte InGaAs-Array mit mehreren Pixeln verzichtet werden kann. Einzeldetektoren bieten in Bezug auf Kosten, Größe und Leistungsfähigkeit entscheidende Vorteile gegenüber Array-Detektoren.

Der Einsatz der MEMS-Technik in Spektrometer-Architekturen resultiert ebenso wie die Verwendung von Einzeldetektoren aus dem Streben nach Kostensenkung und Portabilität. Die Integration robuster MEMS-Bauteile in den Lichtweg eines Spektrometers kann sowohl die Abmessungen des Instruments verringern helfen als auch den Weg zu neuen Fähigkeiten ebnen. Zu den Aspekten, auf die bei der Auswahl von MEMS-Komponenten geachtet werden muss, gehören die Zuverlässigkeit der Performance-Eigenschaften und die Stabilität in der Großserienfertigung.

Die DLP NIR-Chipsätze von Texas Instruments sind Beispiele für eine erprobte MEMS-Technologie, die für eine durch große Wiedergabegenauigkeit geprägte Lichtmodulation sorgt und die Konstruktion kompakter, programmierbarer und leistungsfähiger Spektrometer erlaubt. Insbesondere die Produkte DLP2010NIR und DLP4500NIR eröffnen neue Möglichkeiten der Wellenlängenkontrolle, wie zum Beispiel Hadamard-Muster und dynamische Programmierbarkeit (Slew Scan). Im Kommen sind darüber hinaus Technologien wie das Fabry-Perot- oder das Michelson-Interferometer. Sie bergen Perspektiven, die Architektur der Instrumente zu vereinfachen, sehen sich aber nach wie vor mit Herausforderungen konfrontiert, was die Erfüllung der Labor-Anforderungen in Sachen Signal-Rausch­abstand und Auflösung angeht.

Während es für die Spektrometer-Architektur viele Optionen gibt, erweist sich die MEMS-Technologie als zunehmend attraktiv. Dynamische Programmierbarkeit, Kostensenkung, Verwendung eines Einzeldetektors und der Wegfall großer beweglicher Teile sind nur einige der Vorteile einer MEMS-basierten Architektur. Im Verbund mit einer zuverlässigen System­integration werden diese Vorteile beim Deployment im Feld immer bedeutsamer.

Zukunftsperspektiven für die Industrie

Kompakte, leistungsfähige Instrumente für die NIR-Spektroskopie haben zum Entstehen von Feld-Anwendungen beigetragen, in denen Vor-Ort-Messungen einen Nutzen sowohl für den einzelnen Anwender als auch Industrieunternehmen bringen. Verbindet man diese Spektrometer über Mobilgeräte drahtlos mit Datenbanken in der Cloud, sind uneingeschränkte Vorhersagen über die Materialprobe möglich. So können integrierte Spektrometer an der Peripherie des Netzwerks als leistungsfähige optische Sensoren eingesetzt werden. Sobald die Spektrometer-Hardware die höchst exakte Datenbündelung in der Cloud unterstützt, kann das Internet of Things (IoT) die Prozesseffizienz dynamisch verbessern. Erste Anwendungen des IoT für mobile Erfassungsfunktionen sind die Lebensmittelsicherheit, die Fernüberwachung in der Landwirtschaft und die Prozessüberwachung in der pharmazeutischen Produktion.

Der vielleicht reizvollste Trend in der NIR-Spektroskopie-Industrie ist das Open-Source-Konzept. Technologie-Entwickler wie Texas Instruments, Consumer Physics und Si-ware haben verschiedene Software Development Kits (SDKs) präsentiert, um Innovationsanreize zu schaffen. KS Technologies ist ein Beispiel für ein Unternehmen, das wegbereitend eine kostengünstige NIR-Spektrometer-Architektur für Anwendungen im industriellen IoT vorstellt. Abgesehen von kostenlosen iOS- und Android-Apps sowie SDKs für das DLP NIRscan Nano Evaluierungsmodul bringt das Unternehmen sein Know-how im Bereich der mobilen Datensysteme und IoT-Infrastruktur in den entstehenden Markt für mobiles NIR-Sensing ein.

Wegen des günstigen Kostenniveaus und des Open-Source-Konzepts der Plattformen bieten sich die Lösungen für die Zusammenarbeit mit Chemometrie-Experten von Universitäten an, um das Applikationswissen zu untermauern. Verfügbare Hardware im Verbund mit Open-Source-Software erleichtert die Algorithmen- und Chemometrie-Entwicklung, was wiederum dem gesamten NIR-Spektroskopie-Ökosystem zugutekommt. Das Wachstum und die Innovation der Industrie in der Zukunft werden auf die fortlaufende Zusammenarbeit zwischen Experten angewiesen sein.

Angesichts der eindrucksvollen Fähigkeiten, die die Analyse per NIR-Spektroskopie bietet, hat sich die Industrie weitgehend darauf konzentriert, leistungsfähige Analysetechnik aus dem Labor ins Feld zu übertragen. Die Fortschritte, die die Industrie auf dem Gebiet der Spektrometer-Architekturen erzielt hat, fördern eine neue Welle mobiler Messmöglichkeiten. Diese Innovation spiegelt den Großtrend des 21. Jahrhunderts zu mobilen Lösungen wider und weist logische Überschneidungen mit der IoT-Evolution auf. Während sich die Spektroskopie von einem teuren und ausschließlich im Labor verfügbaren Prozess zu einer Technik wandelt, die aus der Hand heraus präzise Daten liefert, stellt sich für den Endanwender die Frage, wo die Technologie konkret zum Einsatz kommen wird.

Bildergalerie

  • Der Chipsatz DLP2010NIR kommt in diesem in etwa erdbeergroßen DLP NIRscan Nano Evaluierungsmodul zum Einsatz.

    Der Chipsatz DLP2010NIR kommt in diesem in etwa erdbeergroßen DLP NIRscan Nano Evaluierungsmodul zum Einsatz.

    Bild: Texas Instruments

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