Wärme- und Stromnetze unterlagen schon immer Schwankungen, die auf das Verhalten von Verbrauchern, Privathaushalten sowie (Industrie-)Unternehmen zurückzuführen waren. Nun bringt die zunehmende dezentral erzeugte, regenerative Energie nicht nur Schwankungen auf der Verbrauchs-, sondern auch der Erzeugungsseite zum Vorschein. Denn durch die Zwangseinspeisung der Erneuerbaren drängt immer mehr Energie aus Sonne und Wind in die Grundlast und erhöht das Risiko für die Energieversorger und ihre Kraftwerkseinsatzplanung, da die konventionellen Kraftwerke der Last weitestgehend ungesteuert hinterherfahren. Je genauer die Versorger aber die regenerative Erzeugung kennen, umso vorausschauender können sie die Kraftwerke steuern.
Planbares Verhalten
Entscheidend ist die Kenntnis über das Verhalten der Abnehmer. Halten diese ihre Day-Ahead-Prognosen ein, wird die Zukunft plan- und steuerbar und das Risiko zur Vorratshaltung von Regelenergie sinkt. Voraussetzung für das planbare Verhalten eines Industrieunternehmens ist jedoch, dass dieses seine Energieflüsse und Prozesse im Detail kennt. Steht dieses Wissen einem betrieblichen intelligenten Energiemanagement zur Verfügung, lassen sich die unternehmensinternen Energienetze ausgehend vom zukünftigen Bedarf der energieverbrauchenden Anlagen, Prozesse und Gebäude steuern.
Dies ermöglicht die mathematische Zeitreihenanalyse. Sie sucht in historischen Datenbeständen Muster und vergleicht diese mit dem Lastgang. Auf dieser Basis prognostiziert sie einerseits die regenerative Erzeugung, andererseits die Verbräuche.
Versuchten mathematische Verfahren bisher, eine optimierte Betriebsführung durch Lösungsalgorithmen zu erreichen [1, 2] oder Rohrsysteme kostengünstig mittels der Graphentheorie auszulegen [3], stellt die Mathematik nun die bislang unangetastete Steuerung der Erzeugung in Frage.
Ausgehend von dem prognostizierten Lastgang der einzelnen Verbraucher ergibt sich eine Vorhersage des Gesamtsystems. Da dieses Vorgehen die grundsätzliche Steuerung der Energieversorgung umkehrt, geht es auch über den Ansatz hinaus, durch prognostizierte Wetterdaten und Tageslastprofile der Verbraucher die Differenz zwischen Energieangebot und -nachfrage zu minimieren [4].
Smartes Wärmenetz
Zwar scheint die Idee eines „smarten“ Wärmenetzes im Gegensatz zu „smarten“ Stromnetzen noch weit entfernt. Doch da Wärmenetze zu 100 Prozent beschrieben sind und ihr Betriebspunkt jederzeit bekannt ist, kann eine Steuerung hier enorme Potenziale heben, wenn sie auf Prognosen der Verbrauchsseite basiert.
Die klassische Regelung nach Bedarf führt zu regelmäßigen Lastspitzen, da ein Mehrbedarf aufgrund der Trägheit des Wärmenetzes nur zeitverzögert bedient werden kann. Dies verursacht wiederum höhere Netzentgelte und mehr Kosten für die Rohstoffe und führt auch trotz optimierter Beschaffungsstrategie zu kurzfristigen teuren Einkäufen am Markt.
Wenn aber Erzeugung und Beschaffung prädiktiv gesteuert werden, ergeben sich neue Möglichkeiten: Ein verlängerter und verstärkter Einsatz von Biomassekesseln, bewusstes Anfahren oder das Aussetzen von Prozessen (Verschieben von Leistungen) und effizienteres Speichermanagement.
Sind die Speicher simuliert und modelliert, können sie bedarfsgesteuert die Funktion eines Verbrauchers oder Erzeugers übernehmen und machen auf diese Weise die Verwendung eines Gaskessels überflüssig. Das System agiert somit effizienter und CO 2-arm.
Strombedarf vorhersagen
Auch der Strombedarf kann vorhergesagt werden. Gleichzeitig ist die Erzeugung aus den eigenen regenerativen Anlagen am Unternehmensstandort prognostizierbar. Zusammen mit der Kenntnis über die Produktionsprozesse können Energieerzeugung und -einkauf aus der Produktion heraus gesteuert werden.
Für Unternehmen ergeben sich hierdurch neue Handlungsspielräume für das Lastmanagement sowie die Instandhaltung, den Energieeinkauf und sogar die -vermarktung. Je nach Verbrauch kann beispielsweise ein Waschprozess mit einer definierten Solltemperatur für bis zu 40 Minuten ausgesetzt werden, was Wartungsmaßnahmen ermöglicht und etwa Mittagsspitzen glättet. Dies führt zu kleineren Spitzenlasten und zu günstigeren Beschaffungskonditionen. Darüber hinaus können Unternehmen, die aktiv am Energiehandel teilnehmen, Energie billiger ein- als verkaufen. Ein Energiemanagement, das diese Handlungsoptionen ermöglicht, geht aber weit über aktuelle Systeme hinaus.
Anpassungen noch notwendig
Ein solches System benötigt die Live-Daten hunderter Parameter, was ein neues System zwingend erforderlich macht. Denn heutige Gebäudeleittechniksysteme sind nicht echtzeitfähig und ermöglichen keine Live-Analyse der ankommenden Daten. Auch müssen sämtliche Fertigungsanlagen untereinander und mit der Software vernetzt sein, um die benötigte Kommunikation sicherzustellen. Darüber hinaus greift das Energiemanagement aktiv in die Prozesse und Wertschöpfung eines Unternehmens ein. Die eingesetzte Methodik muss deshalb die Muster genau kennen und ohne Gefährdung der Produktion direkt an der Wertschöpfungskette agieren.
Die vorgestellte Lösung setzt zudem einen bestimmten Energiebedarf im Unternehmen voraus, sodass die Rahmenbedingungen durch eine detaillierte Lastganganalyse zunächst geprüft werden müssen. Ist der Einsatz eines „intelligenten“ Energiemanagements wirtschaftlich, können Unternehmen auf Strom- und Wärmeseite enorme Einsparungen erzielen. Da der Verbrauch von Wärme und Strom in der Industrie knapp die Hälfte der insgesamt verwendeten Endenergie ausmacht, ist ausreichend Potenzial vorhanden, um den Endenergiebedarf nachhaltig zu senken [5].
Die Prognosen von regenerativer Energieerzeugung und Verbrauch führen somit zu einer veränderten und zukunftsfähigen Energieversorgung und schaffen die Möglichkeiten, trotz großer Volatilität das Verhältnis zwischen Energiequellen und -senken jederzeit optimal zu balancieren. Dies verspricht Vorteile für Versorger, Netzbetreiber und Verbraucher gleichermaßen, sorgt für Netzstabilität und erzeugt nachhaltig nur die Menge an Energie, die tatsächlich auch benötigt wird.