Interview Grün - an Land und in der Luft

23.08.2012

30 Prozent weniger CO 2 ! Mit einem straffen Programm, genauso scharf kontrolliert wie die eigenen Finanzen, will Deutsche Post DHL klimafreundlicher werden. Katharina Tomoff - eine Überzeugungstäterin, wie sie selbst verrät - leitet das „GoGreen“-Programm für den Konzern.

Die CO 2-neutrale Stadt ist eine schöne Vision. Wie sollte man denn den Verteilerverkehr in den Städten organisieren, damit die Umweltbilanz möglichst positiv ausfällt?

Da gibt es verschiedene Ansätze. Zum Beispiel kann man weniger Fahrzeuge in die Innenstadt lassen und den Verkehr stärker bündeln.

Das bedeutet weniger Wettbewerb.

Wettbewerb ist für unsere Kunden wichtig, das sage ich bewusst auch als Vertreterin eines ehemaligen Monopolisten. Aber wenn man grundsätzlich weniger Verkehr in der Innenstadt will, dann muss man die Fahrten bündeln oder höhere Anforderungen an die Fahrzeuge stellen, die hereinfahren - zum Beispiel, in dem man nur Gas- und Elektrofahrzeuge zulässt.

Welches Potenzial sehen Sie denn in der Bündelung für die Umwelt?

Wir haben die Bündelung am Flughafen Heathrow getestet - zwar keine echte Stadt, aber von der Struktur her ähnlich - und mehr als 300 Geschäfte über ein gemeinsames Verteilzentrum beliefert. Die CO 2-Einsparung belief sich auf fast 760 Tonnen.

Wie bereiten Sie sich darauf vor, dass immer mehr Innenstädte für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor gesperrt werden?

Indem wir beispielsweise alternative Antriebe intensiv testen. Im letzten Jahr haben wir an unserem Stützpunkt in Manhattan die komplette Flotte auf Elektro- und Hybridfahrzeuge umgestellt und in Deutschland betreiben wir derzeit in mehreren Versuchen mehr als 100 Elektrofahrzeuge. In einigen Städten sind wir auf Zwei- oder Dreiräder umgestiegen, gerade für Expresssendungen, bei denen es um zeitlich kritische, zuverlässige Lieferungen geht.

Kommt das gute alte Postfahrrad zurück?

Es ist noch da! In Deutschland haben wir ohnehin sehr viele Fahrräder und teilweise auch Elektro-Scooter im Einsatz. Bei den olympischen Spielen in London haben wir sogar Fußkuriere eingesetzt.

Umweltfreundlich sind Elektroautos ja nur, wenn sie mit Strom aus erneuerbarer Energie betrieben werden. Werden sie das bei Ihnen?

Alles andere wäre ökologisch nicht sinnvoll - wir betreiben unsere Elektroflotten nur mit Ökostrom. Aber wir haben ohnehin einen sehr hohen Ökostromanteil, in Deutschland liegt er bei knapp 100 Prozent.

Die Fahrzeughersteller sagen, der Verbrennungsmotor hätte noch rund 30 Prozent Verbrauchspotenzial, sie wollen 30 Prozent CO 2einsparen. Warum sich also überhaupt um Elektroautos kümmern?

Wir wollen nicht einfach abwarten, bis die 30 Prozent von alleine kommen. Wir messen ja unsere Fortschritte permanent und alternative Antriebe sind hier sehr wichtig. Aber natürlich sind es nicht 100 oder auch 1000 Elektrofahrzeuge allein, mit denen wir als internationalen Logistiker unser Ziel erreichen werden.

Welche Erfahrungen haben Sie mit den Elektroautos in Ihren Flotten bislang gemacht?

Elektroautos funktionieren gut und sind für unseren Betriebsmodus geeignet. Allerdings müssen sie sich noch weiter entwickeln. Für uns ist die Zuladekapazität sehr wichtig, die durch das Gewicht der Batterie deutlich verringert wird. Für uns ist es nicht sinnvoll, zwei Elektrofahrzeuge statt einem konventionellen Fahrzeug auf die Straße zu schicken, um unsere Sendungsmengen zu transportieren. Das höhere Gewicht der Batterie bringt in der Praxis einen weiteren Nachteil mit sich: Teilweise überschreitet man die Führerscheingrenze. Das kann bei unserer Flotte eine zusätzliche Hürde bedeuten, die bei flächendeckendem Einsatz signifikant höhere Kosten verursachen würde.

Die Reichweite spielt aber keine Rolle?

Generell ist sie kein Problem, da wir nicht mehr als 80 bis 100Kilometer fahren. Allein in der Kombination Winter plus Berg gab es bisher vereinzelt Probleme mit der Batteriekapazität.

Nehmen wir an, die Batterien würden deutlich kleiner und leichter. Dann gäbe es wahrscheinlich nur noch eine Hürde: den Preis.

Es ist richtig, dass die Fahrzeuge momentan noch nicht wirtschaftlich sind. Aber die Frage stellt sich noch gar nicht, da sie in größeren Stückzahlen gar nicht verfügbar sind. Bisher liegt der Schwerpunkt der Hersteller noch nicht auf dem Elektroantrieb.

Kooperieren Sie deshalb mit Fahrzeugherstellern und Hochschulen bei der Entwicklung neuer Konzepte?

Wir sind mit nahezu allen großen Herstellern in Verbindung und testen unterschiedliche, alternative Fahrzeuge und Verkehrskonzepte. Mit der RWTH Aachen haben wir im letzen Jahr begonnen, ein eigenes Fahrzeug mit Elektroantrieb zu entwickeln. Der erste Prototyp soll in diesem Herbst vorgestellt werden und muss dann im Alltagsbetrieb getestet werden. Schön wäre es, wenn wir das Fahrzeug mittelfristig auch wirtschaftlich nutzen könnten. Das Forschungsprojekt eT! zusammen mit Volkswagen ist ein Fahrzeugmodell, das dagegen deutlich weiter in die Zukunft weist.

Die Deutsche Post DHL hat ja eine große Einkaufsmacht. Da müssten doch die Fahrzeughersteller springen, wenn Sie nur mit den Augen zwinkern.

Wir sind mit allen namhaften Fahrzeugherstellern im Gespräch und auch in konkreten Erprobungen. Aber wir machen die Erfahrung, dass Automobilhersteller eher in Millionenstückzahlen denken.

Lassen Sie uns über Erdgas reden. Würden Sie durch eine Umstellung der kompletten Flotte auf CNG (Compressed Natural Gas) nicht auf Anhieb Ihr Ziel erreichen, die CO 2-Emission um 30 Prozent zu senken?

Da Gasantriebe auf Basis eines Benzinmotors funktionieren, schneiden diese in unserem Fahrprofil im Vergleich zum Diesel nicht unbedingt besser ab - sowohl wirtschaftlich, als auch in der CO 2-Bilanz. Aber Biogas kann in Zukunft signifikante CO 2-Einsparungen erzielen und die notwendige Infrastruktur wäre vorhanden. In England, in den Niederlanden und in Deutschland setzen wir jetzt Dual-Fuel-Fahrzeuge ein, die sich bewähren. Die Fahrzeuge sind verhältnismäßig wirtschaftlich und haben den Vorteil gegenüber dem Elektroantrieb, dass sie nicht nur für Transporter funktionieren. Der Großteil unseres CO 2-Ausstoßes kommt ja von unseren Lkw, die lange Distanzen zurücklegen.

Wäre das Thema Gigaliner da nicht auch eine Lösung für Ihr Unternehmen?

Aus ökologischer Sicht kann man den Gigaliner sicherlich unterstützen. Bei der Sicherheit - die ja bei uns in Deutschland eine große Rolle spielt - gibt es offensichtlich noch Diskussionsbedarf.

Sie engagieren sich außerdem für Biokraftstoffe, vor allem im Luftverkehr. Ist das nicht auch ein Thema für den Langstreckentransport auf dem Boden?

Prinzipiell sind Biokraftstoffe eine faszinierende Alternative. Nur: Sie ist noch nicht verfügbar, jedenfalls nicht so, dass sie unseren Nachhaltigkeitskriterien entspricht. Wir haben vor zwei Jahren eine strenge Biokraftstoff-Richtlinie für unseren Konzern herausgegeben.

Was muss ich denn erfüllen, um Sie mit Biokraftstoff beliefern zu dürfen?

Wir haben umfassende Kriterien festgelegt: Wichtig ist zum Beispiel, dass dort, wo Sie anbauen, vorher kein Urwald gewesen sein darf. Zweitens darf das, was Sie anbauen, weder dem Boden noch der Bevölkerung, der Artenvielfalt und dem Ökosystem schaden - idealerweise handelt es sich um ein Abfallprodukt aus der Lebensmittelproduktion.

Sie betreiben die größte private Flugzeugflotte, die nicht einer Fluglinie gehört. Da kommen Sie doch an Biotreibstoffen auf Dauer nicht vorbei.

Deshalb engagieren wir uns auch für die nachhaltige Entwicklung von Biokraftstoffen im Flugverkehr, zum Beispiel in der Aireg-Initiative. Inzwischen warten wir aber nicht einfach nur ab: In unserer Expresssparte haben wir die größte CO 2-Minderung aller Geschäftsbereiche - hier haben wir unsere 30Prozent CO 2-Verbesserung fast schon erreicht, weil wir unter anderem unser Netzwerk optimiert und den Ladefaktor weit über den Branchenschnitt erhöht haben.

Was ja nebenbei auch finanziell ein Wettbewerbsvorteil ist.

Es ist doch ideal, wenn beides zusammenläuft. Generell sind die Möglichkeiten CO 2beim Flugverkehr einzusparen noch begrenzter als am Boden. Sie können bei den Flugzeugen den Ladefaktor erhöhen, die Routen optimieren und das Flugzeug gegen ein modernes, besonders leichtes und mit sehr effizienten Triebwerken austauschen. Aber dann kommen Sie schon bei den Treibstoffen an. Biokraftstoffe können ein großer Hebel sein, um CO 2einzusparen. Aber eben auch einer, bei dem man sehr aufpassen muss, nicht vom Regen in die Traufe zu kommen.

Wie halten Sie es denn mit den Sublieferanten? Fließen deren Verbräuche in die CO 2-Bilanz ein?

Unsere Subunternehmer sind Teil unseres CO 2-Effizienzziels für 2020; das bedeutet, wir weisen die Kohlendioxid-Emissionen, die durch unsere Partner entstehen, künftig nicht mehr getrennt aus. Dabei möchten wir es unseren Sublieferanten möglichst einfach machen, ihre Kohlendioxid-Emissionen zu messen und damit auch eine Vergleichbarkeit herzustellen. Daher haben wir eine industrieweite Initiative mitbegründet, die Standards für die Straßenfracht setzt und damit auch eine Vergleichbarkeit und ein grünes Benchmarking ermöglichen soll.

Deutsche Post DHL hat kürzlich eine Studie zur Logistik im Jahr 2050 herausgegeben. Welches der geschilderten fünf Szenarien wird Ihrer Meinung nach eintreten?

Aus meiner Sicht wird Logistik in der Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Aber Megacities, E-Commerce und auch Technologien, die wir heute noch gar nicht kennen, werden die Art und Weise verändern, miteinander Handel zu treiben. Eine Alternative zu fossilen Energieträgern muss bis dahin gefunden sein.

Wird die Welt nach dem „Peak Oil“ in Inseln auseinanderbrechen, in denen internationaler Warenaustausch gar nicht mehr möglich ist, weil er finanziell unattraktiv ist?

Ich bin Optimistin. Trotzdem bin ich der Meinung, dass wir auch aktiv dafür sorgen müssen, dass so etwas nicht passiert. Und ich bin davon überzeugt, dass dies möglich ist. Wir sollten uns mit den positiven Beispielen auseinandersetzen, diese weiter umsetzen und uns nicht mit Negativem abfinden. Wir gestalten unsere Zukunft ja mit den Entscheidungen, die wir jeden einzelnen Tag treffen - sowohl als Kunden, als auch als Mitarbeiter.

Das Gespräch führte Johannes Winterhagen, Mobility 2.0.

Zur Verwendung von Biokraftstoffen in der Luftfahrt siehe auch das Interview auf Seite 30.

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