Süßes hat immer Konjunktur. Selbst während des Börsenkrachs im Jahr 2008 blieben die Kurse von börsennotierten Schokoladenherstellern stabil. Andererseits ist es nicht leicht, in den etablierten Märkten weiter zu wachsen. Neue Produkte? Geschmacksinnovationen? Das gibt es sehr wohl. Doch die Konsumenten sind eher konservativ, Modeerscheinungen darum oft kurzlebig. „Anfang des letzten Jahrzehnts gab es einen Trend zur Miniaturisierung“, sagt Thomas Seeger, Pressesprecher von Ritter Sport. Zudem seien immer exotischere Geschmacksrichtungen entwickelt worden. „Chili, rosa Pfeffer oder Earl-Grey - was es früher nur in Confiserien gab, fand den Weg in die Regale der Discounter.“ Dazu kam eine Tendenz zu Schokoladen mit hohem Kakaoanteil. Doch diese Trends flauten wieder ab. „Seit einem Jahr ist eine Rückkehr zu Top-Vollmilchschokoladen“ zu beobachten, bestätigt Andreas Hohmann, Geschäftsführer der Süßwarenkette Hussel. Da ist es gut, dass die Hersteller auf diese Moden kein Kapital verwettet haben. „Zutaten haben auf die Anlagen keinen Einfluss“, erläutert Seeger. „Es ist egal, ob man Nüsse oder grünen Tee in die Schokoladenmasse gibt.“ Die Miniaturisierung habe zwar neue Formensätze und Dosierungen erfordert - „aber auch hier braucht man keine ganz anderen Maschinen.“ Eine Innovation, die sich auch auf die Anlagen ausgewirkt habe, betreffe gefüllte Schokolade. „Die sogenannte One-Shot-Technik hat sich in den letzten Jahren verbreitet, vor allem bei den Herstellern von Pralinen, die ja häufig verschiedene Schichten und Komponenten haben“, so Seeger. Wie hat man sich das vorzustellen? Beim herkömmlichen Verfahren wird das Oberteil der Hülse gegossen, dann die eigentliche Füllung, schließlich der Boden der Hülse. Nach jedem Schritt folgt ein Kühlvorgang, damit sich Schokolade und Füllung nicht vermischen. „Beim One-Shot-Verfahren wird das ganze Stück inklusive Füllung in einem einzigen Gießvorgang erzeugt. Das erspart Zeit, und die Anlagenstraße wird kürzer“, erklärt Seeger. Ein „Besser“ oder „Schlechter“ sieht er aber nicht: „Jede Methode hat ihre Vor- und Nachteile, und jeder Produzent muss schauen, was zu seinem Produkt am besten passt.“
Wer Einsparungsmöglichkeiten entdeckt, behält das Geheimnis für sich
Was die Rohstoffseite betrifft, hatten die Süßwarenhersteller im vergangenen Jahr unter Zuckerknappheit zu leiden, klagt Torben Erbrath, Pressesprecher des Bundesverbands der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI). Der Grund: Das EU-Quotensystem beschränkt die Produktionsmenge an europäischem Rübenzucker auf nur 80 Prozent des Bedarfs. Die restliche Menge soll durch Importe gedeckt werden. Die Zuckerimporte blieben jedoch zu einem großen Teil aus, da aufgrund hoher Weltmarktpreise andere Regionen in der Welt bedient wurden. Zusätzlich sorgt derzeit der Ölpreis für Kostendruck. Erbrath: „Kunststoff-Verpackungspreise sind nach oben geschnellt.“ Kostensteigerungen durch höhere Produktivität zu kompensieren, sei schwierig: „Sehr effizient arbeiten die deutschen Süßwarenhersteller schon jetzt.“ Wer Einsparungsmöglichkeiten entdeckt, behält das Geheimnis für sich. Die Schweizer Barry Callebaut AG etwa, einer von Europas größten Schokoladenherstellern, hat ein Effizienzsteigerungsprogramm namens One+ implementiert. Dessen Ziel sei es, so Pressesprecher Raphael Wermuth, „standardisierte Methoden und entsprechende Instrumente zu entwickeln, die in unserem weltweiten Fabrikationsnetzwerk eingeführt werden, um insgesamt unsere operative Effizienz zu erhöhen und die Prozesse zu optimieren“. Einzelheiten oder konkrete Beispiele möchte er aber „aus Konkurrenzgründen“ nicht nennen. Deutlich verbilligt hat sich der Kakaopreis, er fiel Ende 2011 auf ein Dreijahrestief. Das aber hat Folgen in den Produktionsländern, warnt Friedel Hütz-Adams, Mitarbeiter des Südwind-Instituts. „Fragt man die Bauern, warum sie Kinderarbeit einsetzen, sagen sie immer wieder: ,Wir haben keine Wahl, wir können keine erwachsenen Erntehelfer bezahlen.‘“ Die Supermarktkette Lidl verkauft deshalb seit September 2011 Schokolade mit „UTZ Certified“-Siegel als Zeichen für Kakao aus zertifiziertem Anbau. Und das Schokoladensortiment von Gepa, Pionier eines sozial und ökologisch verträglichen Handels, wurde 2011 mit dem dritten Platz des Ecocare-Preises gewürdigt. „Wir stehen im ständigen Kontakt zu unseren Handelspartnern im Süden und den Weiterverarbeitern hier in Deutschland“, sagt Gepa-Pressereferentin Brigitte Frommeyer. „Daher können wir die ganze Handelskette rückverfolgen, was nicht selbstverständlich ist, auch nicht bei anderen Fairtrade-Lizenznehmern.“ Gefragt, wie Schokoladenhersteller heute noch ihre Umsätze steigern können, nennen die meisten Experten die Präsenz in den Emerging Markets. „Südamerika, Osteuropa und der asiatische Raum sind derzeit sehr wichtige Wachstumstreiber“, sagt Raphael Wermuth. Barry Callebaut habe in den letzten Jahren Produktionsstätten in Ländern wie Brasilien, Russland und China eröffnet und plane eine Anlage in Indonesien.
Der Durchschnitts-Chinese isst nur 50 Gramm Schokolade pro Jahr
Laut einer Studie des Marktforschungsunternehmens AC Nielsen ist der chinesische Schokoladenmarkt in den letzten drei Jahren um jährlich 30 Prozent gewachsen, allerdings ausgehend von einem sehr niedrigen Niveau: Nur 50 Gramm Schokolade isst der Durchschnitts-Chinese pro Jahr - beim Durchschnitts-Deutschen sind es neun Kilogramm. Beim Geschmack gibt es übrigens geografische Unterschiede, erklärt Wermuth. In Nordamerika und Westeuropa seien Schokoladen mit Kakaobutter sehr beliebt. „Das ergibt die klassische, zart schmelzende Schokolade.“ In den Emerging Markets würde Schokolade bevorzugt, die statt Kakaobutter pflanzliche Fette enthalte - der höhere Schmelzpunkt sei dort von Vorteil.“ Dass sich Schokoladen mit exotischen Geschmacksrichtungen oder sehr hohen Kakaoanteilen nicht in der Gunst der Konsumenten behaupten konnten, findet Thomas Seeger nicht überraschend. „,Hoher Kakaoanteil‘ heißt: sehr bitter; ,sehr exotische Zutaten‘ bedeutet: Probierinteresse ist hoch, die Wiederkäuferrate vergleichsweise gering“ - Chili-Schokolade schmecke eben doch nur einem kleinen Teil der Kunden. „Nicht umsonst sind Nuss- und Marzipankombinationen die Klassiker seit 50 Jahren.“