Ein flächendeckendes Netz öffentlicher Ladestationen ist nach Ansicht vieler Experten eine Grundanforderung für die Anschaffung eines Elektrofahrzeugs. Für den Kunden ist dabei nicht allein die reine Anzahl der Ladestationen von Interesse. Vielmehr benötigt er einen einfachen und garantierten Zugang zur gesamten vorhandenen Infrastruktur und das nicht nur innerhalb seines täglichen Mobilitätsradius. Hierbei gilt das Laden mit nur einem Anbietervertrag als eine nutzerfreundliche und transparente Lösung für die Bedürfnisse von Privat- und Flottenkunden, die durch eRoaming einfach zu realisieren ist. Durch die Kooperation von Ladeinfrastrukturbetreibern, Elektromobilitätsprovidern, Energieversorgern und Anbietern von Geo-Daten erhalten elektromobile Kunden zukünftig den gewünschten Komfort beim Laden ihrer Fahrzeuge, da mit nur einem Vertrag der Zugang zur gesamten Ladeinfrastruktur gegeben wird. Gleichzeitig ermöglicht diese Lösung neue Geschäftsmodelle in der Elektromobilität. Für die Teilnehmer beinhaltet das eRoaming-Modell einen einfachen Marktzugang, flexible Vertragsgestaltungen und eine schnittstellenoffene IT-Plattform zum Vernetzen der notwendigen Informationssysteme.
Kundenfreundlich Laden
Die Elektromobilität setzt die Vernetzung von Verkehrs-, Strom- und Kommunikationsnetzen sowie Elektrofahrzeugen voraus. Doch aufgrund fehlender Standardisierung und Normung sind in der ersten Marktphase der Elektromobilität ab 2009 in Forschungsprojekten häufig proprietäre Systeme entstanden, die die Entwicklung umfassender Geschäftsmodelle nicht unterstützen können. So wurden Kunden- und Ladestationsmanagement-Systeme zur Autorisierung von Ladevorgängen nicht schnittstellenoffen gestaltet, sondern an singulären Bedürfnissen ausgerichtet. Heute stellt sich den Anbietern im jungen Elektromobilitätsmarkt daher die Herausforderung, Interoperabilität zwischen den bereits vorhandenen Netzwerken zu ermöglichen. Als übergreifendes System kann eRoaming die oben beschriebenen unterschiedlichen Bereiche miteinander verbinden und durch vertragliche Rahmenwerke neue Lösungsangebote liefern. Das eRoaming-Modell schafft hierfür eine wesentliche Grundlage, da der Zugang zu den verschiedenen Ladeinfrastrukturen über vertragliche und informationstechnische Netze erreicht wird. So kann durch den Hub-Ansatz mit nur einem Vertrag eine Vielzahl von Geschäftsbeziehungen entstehen, ohne eine unüberschaubare Anzahl von bilateralen Vereinbarungen treffen zu müssen. Gleichzeitig muss mit diesem Modell nur eine IT-Schnittstelle angepasst werden, die zudem als offenes Protokoll - das Open Intercharge Protocol (OICP) - zur Verfügung steht. Über eine Business- und IT-Plattform können durch eRoaming lokale und europaweit agierende Marktakteure zusammengeschaltet werden. Die notwendigen eRoaming-Abkommen werden dabei übersichtlich abgebildet und verwaltet. Der Ladestationsnutzer unterhält seine Vertragsbeziehung weiterhin mit seinem Elektromobilitätsprovider, der mit dem Vertrag auch das Leistungsversprechen gibt, das Elektrofahrzeug an allen Intercharge-kompatiblen Stationen in Europa laden zu können (siehe Abbildung oben). Dazu benötigt der Elektromobilitätsprovider vertragliche Beziehungen zu den Betreibern von Ladeinfrastrukturen. Für die ergibt sich damit wiederum eine lohnende Auslastung ihrer Ladestationen. Verwaltet werden diese vertraglichen Beziehungen zwischen den Anbietern und den Ladestationsbetreibern über eine eRoaming-Plattform mit zentralem Knotenpunkt - dem Hub - in dem sowohl allgemeine als auch gesonderte Konditionen festgelegt und zur Verfügung gestellt werden können.
Bedarfsgerechte IT-Lösungen
Für zuverlässiges eRoaming stellt ein effizienter und sicherer Datenaustausch unterschiedlicher Management-Systeme eine wichtige Grundlage dar. Als ein effizienter Kommunikationsstandard für solche Systeme hat sich das Verwenden von Webservices bewährt. Um eine größtmögliche Flexibilität und Stabilität des Gesamtsystems zu gewährleisten, bietet es sich an, den Austausch zwischen den verschiedenen Systemen über eine zentrale Datenplattform herzustellen. Dort können für jeden Geschäftspartner von der Account-Verwaltung über den Aufbau und die Pflege von eRoaming-Services bis zum Handling der Transaktionen alle Funktionen abgebildet werden. Für den Nutzer eines Elektrofahrzeugs wird mit Hilfe dieser Plattform der anbieterübergreifende Zugang zu jeder Intercharge-kompatiblen Ladeinfrastruktur ermöglicht. So kann er an der Ladesäule mit den Zugangsmerkmalen seines Anbieters - beispielsweise einer RFID-Karte - autorisiert werden. Smartphone-Applikationen (Apps) stellen eine weitere Möglichkeit der Autorisierung dar. Jede Ladestation, die mit dem Intercharge-Symbol gekennzeichnet ist, kann durch eine App über das Scannen eines QR-Codes freigeschaltet werden. Die Autorisierungsdaten werden dabei mit Hilfe von Webservices über die eRoaming-Plattform an das Management-System des Elektromobilitätsproviders zur Prüfung und Freigabe weiter gegeben. Die Abrechnung der Leistung zwischen den Geschäftspartnern erfolgt auf Basis einer Lieferbestätigung, dem sogenannten Charge Detail Record (CDR).
Anwendungsbeispiele für eRoaming
Das eRoaming-Konzept erfüllt die unterschiedlichen Anforderungen im Elektromobilitätsmarkt und kann gleichzeitig flexibel auf dynamische Marktentwicklungen reagieren. Es lässt sich in die Nutzerprofile verschiedenster Zielgruppen einbeziehen, sei es für den Privatkunden mit eigenem Elektrofahrzeug, die elektromobile Firmenflotte oder das eCarsharing mit Elektrofahrzeugen. Bei der privaten Kaufentscheidung für ein Elektrofahrzeug gilt ein ausgebautes Netz an öffentlicher Ladeinfrastruktur als eine Grundanforderung. So ist für den Privatnutzer bei der Auswahl seines Elektromobilitätsproviders auch die möglichst uneingeschränkte Nutzbarkeit von Ladestationen ein maßgebliches Kriterium. Durch eRoaming können die Elektromobilitätsanbieter ihren Kunden zukünftig Zugang zu einer flächendeckenden Ladeinfrastruktur in Europa ermöglichen. Als weiteres Einsatzgebiet werden schon jetzt in Ballungszentren im Rahmen von Modellprojekten Elektrofahrzeuge im eCarsharing eingesetzt. Dabei stellt die öffentliche Ladeinfrastruktur einen wesentlichen Bestandteil des Betriebskonzepts dar, denn gerade das flexible Carsharing setzt ein breites und intelligentes Ladestationsnetz voraus. Demnach ist zu erwarten, dass die meist in bester Lage errichteten öffentlichen Ladestationen in Großstädten zukünftig eine Grundauslastung durch eCarsharing-Fahrzeuge erhalten. Werden den Kunden für das Laden dazu noch Freiminuten angeboten, so ist mit einer höheren Auslastung öffentlicher Ladeinfrastrukturen zu rechnen. eRoaming ermöglicht dabei die intelligente Integration in solche Betriebskonzepte. So kann sowohl die Suche nach der nächsten verfügbaren Ladestation als auch die Autorisierung an dieser durch eRoaming erfolgen.
Marktmodell für die Infrastruktur-Vernetzung
Elektromobilität wird nur erfolgreich sein, wenn eine öffentliche Ladeinfrastruktur flächendeckend vorhanden und anbieterübergreifend nutzbar ist. Aus den Ergebnissen zahlreicher Forschungsprojekte in Europa kristallisiert sich eRoaming als ein effizientes und transparentes Marktmodell für die Vernetzung von Infrastrukturen heraus. eRoaming im Hub-Modell ermöglicht einfache Vertragsgestaltungen und einen wirtschaftlichen Betrieb bereits existierender Ladeinfrastrukturen sowie deren bedarfsgerechte Erweiterung. Darüber hinaus ist es die Grundlage für viele neue Geschäftsmodelle. Intelligente Informationssysteme sorgen im Hintergrund dafür, dass sowohl Kunden als auch Business-Partner schnell und in hoher Qualität mit den für sie relevanten Informationen versorgt werden. Damit passen sich die Informationssysteme den wirtschaftlichen Anforderungen an und sorgen für eine kosteneffiziente und effektive Vernetzung der Akteure. Für den Nutzer von Elektrofahrzeugen und Plug-in-Hybriden wird das Laden damit einfach, sicher und selbstverständlich.