Interview mit Thomas Cord, Lenze Wie der Programmierbaukasten für Industrie 4.0 entsteht

Bild: Lenze
29.03.2016

Ein Roboter-Spezialist, der keine Roboter baut? Warum die achsenbezogene Programmierung nicht mehr reicht und man als Antriebshersteller Know-how aus angrenzenden Bereichen gewinnt, erläutert Thomas Cord von Lenze Automation im Gespräch mit A&D.

A&D:

Als Sie 2015 die Fast-Bausteine vorgestellt haben lag der Fokus darauf, Komplexität beherrschbar zu machen. Wie setzt sich das Thema nun fort?

Cord:

Wir sind heute dabei, die Fast-Toolbox auszubauen, indem wir weitere Applikationen ergänzen und vorhandene Funktionalität stärker spezialisieren. Ziel ist nach wie vor, kleinen und mittleren Maschinenbauer einen vorgefertigten Baukasten zu liefern, der die wesentlichen Basisfunktionen einer Maschine abdeckt. So muss das Rad nicht ständig neu erfunden werden, sondern die Kunden können sich spezialisieren und auf die Dinge fokussieren, aus denen sie ihren Wettbewerbsvorteil ziehen. Ein großes Thema innerhalb des Baukastens ist für uns die Robotik und deren Anwendung in bestimmten Branchen, beispielsweise in der Holz-, der Glas-, der Metall- und in der Verpackungsindustrie. Im Sinne von Industrie 4.0 müssen die Maschinen flexibler werden, und die Roboter sind dafür das Mittel der Wahl. Deshalb werden sie immer häufiger eingesetzt.

Lenze produziert ja selbst keine Roboter. Sie liefern aber die Steuerungsfunktionalität mit, um das Portfolio der gebräuchlichen Roboterkinematiken vollständig abzudecken?

Der Maschinenbauer entwickelt die Mechanik abhängig von der Handling-Applikation, und wir helfen ihm dabei, diese zu automatisieren. Wir haben Kunden, die Portal­roboter einsetzen und bislang die Achsen einzeln programmieren. Bei dieser Methode können sie aber nicht wissen, an welchem Punkt im Arbeitsraum sich der Greifer zu einem bestimmten Zeitpunkt befindet. Sie können in der Steuerungssoftware nur den Stand der jeweiligen Achse abrufen. Das genügt jedoch nicht für Funktionen wie eine Kollisionsüberwachung. Wir betrachten dagegen den Roboter als Ganzes, als mechanisches Modul, und können daher auch seine Pick&Place-Bewegungen in Form von Bahnen im kartesischen Raum beschreiben. Damit ist eine Kollisionsvermeidung ganz einfach möglich. Ein anderes Beispiel ist das Conveyor-Tracking, hier bieten wir Schnittstellen zu Vision-Systemen, damit der Greifer das bewegte Objekt verfolgen kann. Dazu gehört beispielsweise auch, dass die Bewegungssteuerung die Fliehkräfte begrenzt, um zu verhindern, dass der Greifer das Werkstück verliert. Wir steuern die Bahn so, dass die Bewegung so schnell wie möglich unter Einhaltung der definierten Greiferkraft erfolgen kann. Das könnte der Kunde von Hand nicht programmieren, und das macht es möglich, dass heute Roboter an Stellen zum Einsatz kommen, wo dies vor wenigen Jahren noch nicht möglich schien.

Woher beziehen Sie das Know-how für solche Robotersteuerungen?

Die Basis dafür liefern unsere Applikation-Spezialisten, 150 Mitarbeiter in ganz Europa, die direkt beim Kunden sitzen und dort jeden Tag mit den praktischen Problemen konfrontiert sind. Sie arbeiten ganz eng mit den Kunden zusammen, von der ersten Konzeption der Maschine bis hin zur Inbetriebnahme oder sogar beim Service für den Endanwender. Deren Erfahrungen nutzen wir, und gießen sie in standardisierte Software-Module.

Nach welchen Kriterien wählen Sie Ihre Zielmärkte aus?

Wir fokussieren uns auf bestimmte Zielbranchen. Dazu gehören die Automobilbranche, die Intralogistik und der Bereich Consumer Goods, zu dem auch der Verpackungsmaschinenbau gehört, aber auch die Druck- und Textilindustrie. Gerade im letzten Bereich gibt es eine sehr große Zahl hochspezialisierter Maschinenbauer, die in ihrem jeweiligen Segment Marktführer sind, da sie mit außergewöhnlichen Applikationen ganz spezielle Prozesse bedienen. Dies sind oft kleine und mittlere Anbieter, die genau unsere Zielgruppe für die gemeinsame Applikationsentwicklung darstellen. Wobei unsere Ingenieure immer die gesamte Maschine im Blick haben: die Mechanik und die Software.

Wie ist sichergestellt, dass Erkenntnisse aus einem Projekt nicht Wettbewerbern zugutekommen?

Da muss man zwei Dinge unterscheiden. Auf der einen Seite respektieren wir natürlich die Geheimhaltungsinteressen und das geistige Eigentum unserer Kunden. Auf gar keinen Fall wird es vorkommen, dass wir Ideen vom Kunden A zum Kunden B transferieren. Da wäre unser Ruf am Markt sehr schnell ruiniert. Auf der anderen Seite fließt in diese Projekte sehr viel Know-how aus unserem Haus ein, das wir in Produkte gießen. Die Robotik ist dafür ein gutes Beispiel. Hier arbeiten wir aber auch intensiv mit Hochschulen zusammen und haben mit diesen gemeinsam umfangreiches Wissen aufgebaut, mit dem wir nun in den Markt gehen.

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