Der Strombedarf der Informationstechnik steigt dank fortschreitender Digitalisierung, wachsender Datenberge und unzähliger Mobilsysteme ungehemmt weiter. Derzeit soll er bereits bei zehn Prozent der gesamten Stromerzeugung liegen. Fachleute fürchten gar, schon in zehn Jahren könne die IT praktisch den gesamten Strom verschlingen, wenn wir sie lassen – etwa Dr. Ian Bitterlin, europäischer Technologiechef bei Emerson Network Power.
Immer mehr Strom kommt zudem aus erneuerbaren Quellen, die nicht mehr so kontinuierlich Energie liefern wie der Kohle- oder Atommeiler, sondern von den Wetterbedingungen abhängig sind. Gleichzeitig sind virtualisierte, modulare Rechenzentren nicht mehr der stabile Verbraucher der Vergangenheit, sondern ihr Strombedarf steigt und fällt mit den Lasten, die auf die Rechner verlagert werden. Aus all diesen Faktoren eine Chance zu machen, ist das Ziel gleich mehrerer Projekte, die sich beispielsweise mit energieeffizientem Datentransport beschäftigen, effektiveren Algorithmen oder mit Datenzentren als Strom-Prosumer in städtischen Umgebungen.
So auch das internationale EU-Projekt „Greendatanet“. Es wird mit 2,9 Millionen Euro gefördert, dazu kommen die Eigenbeiträge der Projektbeteiligten. Zu ihnen gehören unter anderem die EPFL (École Polytechnique Fédérale de Lausanne), Nissan, die Universität Trento (Italien), Credit Suisse als Pilotanwender in seinen zwei Schweizer Rechenzentren und Eaton, außerdem der Rechenzentrumsbauer und -betreiber ICTroom aus den Niederlanden.
Stromerzeuger und -lieferant
Das Rechenzentrum soll zu einer integrierten Komponente der städtischen Infrastruktur werden, die sich zwar deren Ressourcen bedient, aber auch selbst Ressourcen bereitstellt. Dazu dienen drei Komponenten:
Erstens Rechenzentren, die Energie proportional zur aktuellen Leistung verbrauchen, weil alle Komponenten optimal gesteuert werden.
Zweitens eine partiell eigenständige Versorgung der Rechenzentren mit regenerativer Energie, zum Beispiel über Solarzellen auf dem Dach.
Und drittens die verbrauchernahe Stromspeicherung im Rechenzentrum durch die Sekundärnutzung aufgearbeiteter Batterien aus Automobilen, um Ungleichgewichte zwischen Verbrauch und aktueller Erzeugung auszugleichen.
Um ein mit Strom aus regenerativen Quellen betriebenes Rechenzentrum optimal zu steuern, gilt es, einerseits den Stromverbrauch der Komponenten des Rechenzentrums miteinander abzugleichen, andererseits seinen Verbrauch mit dem weiterer Rechenzentren zu harmonisieren, falls solche in der Umgebung verfügbar sind. Wetterprognosen liefern eine Abschätzung, wann mit wie viel erneuerbarer Energie zu rechnen ist beziehungsweise ob Speicher den Strombedarf stillen müssen. Die zur Steuerung der IT-Last und Auslastung nötigen Algorithmen entwickelt im Greendatanet-Projekt die Universität Trento.
Für die optimale Koordinierung der Komponenten ist Babak Falsafi zuständig, Direktor von Eco Cloud und Professor der Computerwissenschaften am EPFL. Falsafi arbeitet schon seit einiger Zeit an Benchmarks für Datenservices. Sie geben Anhaltspunkte dafür, wie man eine Infrastruktur für bestimmte Applikationen konfigurieren muss, um das Optimum herauszuholen. Dabei nutzen die Forscher drei Mechanismen:
Sie integrieren Daten über den Energieverbrauch in den Prozessablauf.
Sie bearbeiten Aufgaben optimiert mit spezifischen Komponenten, was zu weniger Energieverbrauch pro Arbeitseinheit führt.
Und sie verwenden schließlich Rundungsverfahren, deren Verluste an Genauigkeit für den jeweiligen Prozess akzeptabel sind, um dadurch Energie zu sparen.
Auf diesen Methoden basierende Profile für den Aufbau von Infrastruktur für spezifische Prozesse sind öffentlich zugänglich und werden bereits von Dienstleistern wie Google und Herstellern wie Dell, AMD, Intel oder HP verwendet.
Das EPFL entwickelt außerdem neuartige Stromsensoren, die sich über Induktion aus der gemessenen Leitung selbst mit Strom versorgen. Die Energie wird in einem Superkondensator gespeichert. Die Sensoren kommunizieren über Zigbee-Funkmodule und ein proprietäres Protokoll mit einer Kontrolleinheit, welche die von den Sensoren in regelmäßigen Intervallen gesendeten Daten auswertet. Für jeden Push braucht ein Sensor nur 100 mW. Neben DC-Sensoren sind zukünftig auch andere Sensortypen geplant, etwa für Temperatur oder Feuchtigkeit, die nach demselben Prinzip arbeiten.
Tausende von Sensoren
Die Messwerte fließen in einem oder mehreren Koordinatorknoten zusammen. In ein System lassen sich mehrere Koordinatoren und Tausende von Sensoren integrieren. Die Koordinatorknoten werten die Messdaten per Software aus und stellen sie grafisch dar, so dass man ein genaues Bild von den Vorgängen im Rechenzentrum gewinnt. Das System sei kompatibel zu bestehenden DCIM (Data Center Information Management)-Lösungen und Racks mit integrierter Sensorausrüstung, wie sie viele Hersteller anbieten, berichtet Martino Ruggiero. Er ist als Postdoktorand für die Sensorentwicklung zuständig. Später einmal sollen die Messergebnisse regelgesteuert Steuereingriffe in die Rechenzentrumsinfrastruktur auslösen können, etwa Lasten verlagern oder Server herunterfahren.
Die Credit Suisse nutzt als Pilotkunde bereits drei Kontrollknoten mit Hunderten angeschlossener Sensoren, um seine Rechenzentren zu überwachen. Das Unternehmen ist seit 2008 dabei, Green-IT-Konzepte umzusetzen. „Bis 2007 brauchten wir jedes Jahr 1000 physische Server mehr, seitdem haben wir keine neuen mehr implementiert“, sagt Marcel Ledergerber, Leiter Rechenzentrumsdesign und -planung bei Credit Suisse Schweiz. Die Gesamt-Stromkosten des Unternehmens machen ungefähr 1100 Schweizer Franken pro Mitarbeiter aus. Die IT-Kosten konnte Credit Suisse innerhalb der letzten Jahre von 600 Millionen Franken auf 200 Millionen Franken senken. Seit drei Jahren bleibe der Stromverbrauch der IT gleich, obwohl 2000 virtuelle Server mehr betrieben werden. „Das neue Messkonzept hilft uns, noch mehr auf engem Raum unterzubringen und trotzdem ruhig zu schlafen“, sagt Ledergerber.
Zweites Leben für Batterien
Wie das Elektroauto zur Stabilität des Netzes beitragen kann, zeigt Nissan mit aufgearbeiteten Batterien aus Elektrofahrzeugen. Im Elektroauto muss eine Batterie auch extreme Lastwechsel und hohe Lasten beim Anfahren mühelos wegstecken – im stationären Einsatz treten solche Belastungen kaum auf. Ein zweites Leben beispielsweise als Stromspeicher im Rechenzentrum könnte Batterien aus Elektro- und Hybridfahrzeugen also bevorstehen. Nissan nutzt seine Autobatterien schon selbst in einigen Gebäuden. „In großem Umfang funktioniert diese Idee natürlich erst, wenn die ersten E-Cars außer Dienst gehen“, sagt Redmer Van der Meer, Direktor Unternehmensplanung und Elektrofahrzeugprogramm bei dem Fahrzeughersteller. „Das dürfte noch mindestens zehn Jahre dauern.“