Leittechnik für die Öl- und Gasindustrie Mit dem Koffer auf Lecksuche

16.02.2017

Bei komplexen Pipeline-Anlagen ist jedes Leck ein Kostenfaktor. Damit die Suche nach undichten Stellen den Betrieb nicht aufhält, übernimmt ein neues Leitsystem selbstständig die Dichtheitsprüfung – und hat sogar in einem Koffer Platz.

Wo ein Leck entsteht, sind Verluste vorprogrammiert – gerade bei Pipelines wie Mineralölrohrleitungen, wo der Teilverlust transportierter Medien unnötige Kosten verursacht und zu Umweltschäden führt. Deshalb müssen diese Leitungen regelmäßig auf Lecks geprüft werden. Die klassische Methode der Dichtheitsprüfung ist jedoch aufwändig: Die betroffenen Leitungen müssen zunächst unter Druck gesetzt und für bis zu 48 Stunden stillgelegt werden.

Analoge Messungen zu ungenau

Mehrmals pro Stunde – im Schnitt alle 15 Minuten – werden der Druck und die Temperatur gemessen und manuell protokolliert. Anhand der gemessenen Werte des Druckverlusts wird daraufhin die Leckrate errechnet. Da für diese Art der Messung in der Regel analoge Druck- und Temperaturmessgeräte zum Einsatz kommen, können leicht ungenaue Messwerte auftreten.

Kommt es während der Messung beispielsweise zu sehr geringen Temperaturveränderungen von einem Zehntel Kelvin, kann dies zu Druckveränderungen von bis zu achthundert Millibar führen. Das macht das klassische Verfahren nicht nur zeitaufwändig, sondern auch anfällig für Fehler. Da mit der langwierigen Messung eine lange Betriebsstilllegung der Leitungen verbunden ist, verursacht die klassische Dichtheitsprüfung zudem hohe Kosten.

Mit modularer Technik Abhilfe schaffen

Actemium bietet hierfür einen neuen Lösungsansatz. Dafür kombinierten Bernhard Münzenberg, Leiter der Actemium Refueling Frankfurt, und sein Team bereits vorhandene Mess- und Prüfverfahren auf Basis der Viewstar-Software. Da das plattformunabhängige Viewstar-Leitsystem bereits ein sehr breites, skalierbares Portfolio an Steuerungs- und Überwachungs-Funktionalitäten aufweist, extrahierten die Techniker die passenden Module und entwickelten diese weiter.

Das Ergebnis ist Viewstar Mobile: Das System ermöglicht es, Rohrleitungen ohne dauerhafte Überwachungseinrichtung einfach und flexibel im Ruhebetrieb auf Dichtheit zu prüfen – und zwar deutlich schneller und kostensparender als bislang. Das System basiert auf Hardwarestandardkomponenten, die so modifiziert und kompakt angeordnet wurden, dass sie in einen einzigen Koffer passen. So kann die Lösung auch in einem herkömmlichen Pkw transportiert werden.

Die Steuerung erfolgt etwa mittels handelsüblicher Komponenten wie Profibus DP Master, DP/PA-Segmentkoppler und eines Panel-PCs, der für die Visualisierung zuständig ist. Das vom Viewstar-Leitsystem übernommene Pipeline-Cockpit bietet durch die grafische Darstellung eine umfassende Übersicht auf Status und Ergebnisse.

Wirkungsvoll und nutzerfreundlich

Viewstar Mobile ist in der Lage, mit einer einzelnen Einheit Leitungslängen von vielen 100 Metern im explosionsgefährdeten Bereich zu prüfen. In anderen Bereichen bewegt sich die typische Leitungslänge bei Dichtheitsprüfungen mit dem System zwischen 500 und 2.000 Metern.

Sind größere Streckenabschnitte zu prüfen, lassen sich auch zwei oder mehr Einheiten per Modbus UDP über eine einfache W-LAN-Verbindung miteinander kombinieren, um die Reichweite noch einmal deutlich zu vergrößern. Die ​Erweiterung ist dabei ohne weitere Parametrierung möglich. Die Viewstar-Software erkennt das Vorhandensein einer Remote Einheit selbstständig und passt die Berechnungen entsprechend an.

Ist das System an die zu prüfende Leitung angeschlossen, gibt ein Techniker die benötigten Rohleitungsparameter über den Panel-PC ein. Anschließend startet die Dichtheitsprüfung, die selbstständig abläuft: Sowohl die Messung als auch die Protokollierung der Daten erfolgt dabei eigenständig, und die erhobenen Messwerte werden im Anschluss in einer CSV-Datei gespeichert. So lassen sich die Daten nachträglich über Excel auswerten.

Dichtheitsprüfung in kurzer Zeit durchführen

Für einen Überblick über die Testergebnisse erstellt das System für jeden Test ein Prüf-Protokoll, auf dem alle relevanten Daten aufgelistet werden. Da das Gerät die Messung ebenso wie die Protokollierung vollkommen selbstständig durchführt, kann der zuständige Techniker nach Start des Tests gleich den nächsten Prüfvorgang vorbereiten.

Aufgrund des computergestützten Verfahrens nimmt die Dichtheitsprüfung eines Segments nur noch wenige Stunden in Anspruch – abhängig von dem zu testenden Bereich mindestens vier Stunden. Durch diese Zeitersparnis können die Anlagen nach dem Check schneller wieder ihren Betrieb aufnehmen. Zudem sinken die Kosten aufgrund des verkürzten Betriebsausfalls im Vergleich zu den herkömmlichen Prüfverfahren.

Vorteile für Öl- und Gasindustrie

Das System ist innerhalb kürzester Zeit einsatzbereit; die Konfiguration für neue Anlagen benötigt nur leichte Anpassungen. Erst bei sehr komplexen Anlagen mit vielen Verzweigungen muss die Software bearbeitet werden. Getreu dem Plug&Play-Prinzip werden angeschlossene Instrumente automatisch erkannt und in die Berechnung mit eingebunden.

„Wir haben das System bereits für drei verschiedenen Anlagen erfolgreich verwendet und die Ergebnisse erfüllen unsere Erwartungen: Die digitalen Messgeräte liefern genauere Daten und die computergestützte Protokollierung und Berechnung läuft vollautomatisch ab, wodurch niemand mehr an das Gerät gebunden ist, während der Test läuft“, so Münzenbergs Fazit. „Und letztlich konnte der Zeitaufwand deutlich heruntergeschraubt werden, was die Kosten insgesamt erheblich senkt“, ergänzt er.

Bildergalerie

  • Leicht und kompakt: Das Viewstar-Mobile-System

    Leicht und kompakt: Das Viewstar-Mobile-System

    Bild: Actemium/Vinci Energies

  • Die grafische Oberfläche verschafft dem Techniker dank Panel-PC ausreichend Übersicht.

    Die grafische Oberfläche verschafft dem Techniker dank Panel-PC ausreichend Übersicht.

    Bild: Actemium/Vinci Energies

  • Das System ist so dimensioniert, dass es sich bequem per Auto zum Einsatzort transportieren lässt.

    Das System ist so dimensioniert, dass es sich bequem per Auto zum Einsatzort transportieren lässt.

    Bild: Actemium/Vinci Energies

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