Anlagenbau & Betrieb „Nachhaltigkeit ist erklärungsbedürftig“

11.10.2013

Jeder will nachhaltig sein. Energiegroßverbraucher reden besonders viel darüber - aber man sieht ihren Produkten nicht an, wie viel Wasser sie verbraucht oder Kohlendioxid sie verursacht haben. Das Ecotain-Programm von Clariant definiert daher Kriterien, um Nachhaltigkeit für den Produkt-Lebenszyklus messbar zu machen. Silvia Ziebold ist als Global Marketing Manager der Einheit Industrial & Consumer Specialities für das Programm verantwortlich und erklärt die Hintergründe.

P&A

Frau Ziebold, mit Ecotain garantieren Sie Kunden Nachhaltigkeit „mit jedem Schritt“. Bei der Bandbreite an Produkten scheint dieses Versprechen gewagt. Hat Clariant sich zu viel vorgenommen?

Silvia Ziebold

Nein, der Prozess geht schrittweise voran. Ecotain wurde schon im Mai 2008 ins Leben gerufen, zunächst in der Abteilung Personal Care, also für Kosmetikprodukte. 2010 kam die Entscheidung, das Nachhaltigkeitskonzept Business-Line-übergreifend umzusetzen. Im März haben die Kollegen des Segments Paints & Coatings sechs neue Produkte für Farben und Lacke mit Ecotain-Kennzeichnung vorgestellt. Letztliches Ziel ist ein Lebenszykluskonzept, das den heutigen Marktanforderungen gerecht wird und dem Kunden auch wirklich einen Mehrwert bietet.

Worin genau liegt der Mehrwert?

Produkte mit Ecotain-Label haben klare Vorzüge bezüglich aller vier Stufen ihres Lebenszyklus. Der geht los mit der Produktentwicklung, die so nachhaltig wie möglich sein soll. Im zweiten stellen wir eine ressourcenschonende Herstellung sicher. Der dritte Schritt besagt: Auch der Einsatz unseres Produkts beim Kunden soll natürlich sicher und effizient sein. In der letzten Phase sprechen wir von einem umweltverträglichen Abbau. Jede dieser vier Stufen haben wir durch ganz klare, messbare Kriterien definiert. Das erlaubt uns auch, für jedes unserer Produkte zu prüfen, ob es die Kriterien erfüllt.

Können Sie ein Beispiel für eine solche Produktoptimierung nennen?

Ein gutes Beispiel ist Hostacerin SFO. Der Emulgator wird in der Kosmetik eingesetzt, etwa für Lotionen. Bei diesem Produkt erreichen wir heute eine hundertprozentige Ausbeute - ohne Nebenprodukte und ohne Abfall. Bei der Produktion wird auch relativ wenig CO 2ausgestoßen, weil der Prozess aus nur einem Produktionsschritt besteht und bei einer relativ niedrigen Temperatur gefahren wird. Und schließlich basiert der Emulgator ausschließlich auf erneuerbaren, pflanzlichen und nicht genetisch modifizierten Quellen.

Interessieren sich Ihre Kunden denn wirklich für solche Nachhaltigkeitsaspekte - oder geht es um Gewissensberuhigung?

Zunächst einmal muss man klar sagen, dass der Bedarf nach nachhaltigen Produkten gestiegen ist. Ein Grund hierfür ist, dass unsere Kunden ihrerseits eigene Ziele zur Nachhaltigkeit definiert haben - nicht, um das Gewissen zu beruhigen, sondern weil der Markt danach verlangt oder regulatorische Anforderungen erfüllt werden müssen. Grundsätzlich ist es immer einfach, von Nachhaltigkeit zu sprechen. Aber Experten wollen es genau wissen: Stecken natürliche Rohstoffe im Produkt? Ist es biologisch abbaubar? Wie hilft mir das Produkt, meine Herstellung effizienter zu gestalten? Mit Ecotain liefern wir Antworten auf alle diese Fragen.

Wollen Sie damit auch Ungenauigkeiten im Umgang mit dem Begriff Nachhaltigkeit entgegentreten?

In der Tat ist der Begriff für sich allein verwendet erklärungsbedürftig. Ein Kosmetikprodukt, das auf natürlichen Rohstoffen basiert, aber zum Beispiel ein Allergen enthält, kann ich nicht nachhaltig nennen. Das gleiche gilt, wenn das Produkt umweltschonend hergestellt wurde, aber später nicht biologisch abbaubar ist. Deswegen ist der Lebenszyklusansatz ein Vorteil: Wir betrachten verschiedene Aspekte. Dabei wollen wir natürlich auch realistisch bleiben - nicht jedes Produkt kann hundertprozentig perfekt sein. Aber mit einem Kriterienkatalog sieht man sehr gut, wo Lücken sind, die noch geschlossen werden müssen.

In welchem Verhältnis steht Ecotain als Konzept für Produkte zu ähnlichen Konzepten, die die Konzernebene betreffen?

Clariant hat sich 2011 ehrgeizige Ziele für 2020 gesetzt, unter anderem einen bezogen auf 2005 um 25Prozent gesenkten Wasserverbrauch und 45Prozent geringere CO 2-Emissionen. Da sind wir übrigens auf einem guten Weg, wenn man sieht, dass unser Wasserverbrauch pro Tonne Produkt 2005 noch bei 42Kubikmeter lag und 2012 nur noch bei 18Kubikmeter (inklusive Süd-Chemie). Kunden wissen das zu schätzen, fragen aber auch: Wie könnt ihr uns helfen,unsereZiele zu erreichen? Hier greift Ecotain: Wenn der Kunde weiß, wie viel Energie, welche Rohstoffe, welcher Wasserverbrauch und so weiter in einem Produkt stecken, kann er das auch bei seinen eigenen Angaben verrechnen. Hierfür arbeiten wir mit dem CSCP zusammen, dem „Collaborating Centre on Sustainable Consumption and Production“. Gemeinsam möchten wir Ecotain noch weiter entwickeln, extern verifizieren lassen und so den Dialog mit Kunden in dieser Hinsicht noch vereinfachen.

Da Sie auf erneuerbare Rohstoffe eingegangen sind, erlauben Sie mir abschließend die Frage: Reicht das Ecotain-Konzept so weit in die Zukunft, dass letztlich eine Produktpalette ohne Rohöl als Basis denkbar ist?

Das Biotech & Renewables Center der Clariant beschäftigt sich ganz spezifisch mit dieser Thematik. Ein Ergebnis ist zum Beispiel das Sunliquid-Verfahren, das Zucker aus Pflanzenreststoffen wie Getreide und Maisstroh in Ethanol umwandelt. Das Ende der erdölbasierten Produktion haben wir also durchaus vor Augen.

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