Die Forschenden haben Galliumoxid nicht grundlos zum Gegenstand ihrer Arbeit gemacht. Denn das Halbleitermaterial hat eine bemerkenswerte Eigenschaft: die Breite seiner Bandlücke. Sie beschreibt den energetischen Abstand zwischen dem Valenz- und dem Leitungsband eines Festkörpers. Bei Halbleitern ist bei sehr tiefen Temperaturen zunächst nur das Valenzband mit Ladungsträgern besetzt: Das Material ist nichtleitend.
Durch Energiezufuhr können sie jedoch in das Leitungsband wandern und so einen Stromfluss ermöglichen. „Die Bandlücke von Galliumoxid gilt unter Fachleuten als ultrabreit“, sagt Dr. Gregor Hlawacek, Leiter der Abteilung Ioneninduzierte Nanostrukturen am Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung des HZDR. Diese Bandlücke macht das Material besonders attraktiv für Anwendungen in der Energiespeichertechnik und Leistungselektronik, gerade in Bereichen hoher elektrischer Feldstärken, bei denen heute etablierte Halbleitermaterialien unweigerlich zerstört würden.
„Die Idee zu GoFIB kam mit einer Entdeckung unserer norwegischen Partner: Sie konnten die Kristallstruktur von Galliumoxid in seiner stabilsten Form erstmalig durch Ionenbeschuss in eine andere überführen. Das ursprünglich vorliegende beta-Galliumoxid haben sie dabei in kappa-Galliumoxid verwandelt. In dieser Erscheinungsform – wir sagen dazu auch Modifikation – zeigt die Substanz eine große elektrische Polarisation, die um eine Größenordnung höher ist als die von Galliumnitrid, einem Material, das bereits zum Beispiel in der Optoelektronik etabliert ist. In dieser Form ist Galliumoxid zudem sehr stabil gegen weitere Bestrahlung”, beschreibt Hlawacek den Ausgangspunkt des Projekts.
Das Problem: Die unterschiedlichen Kristallstrukturen von Galliumoxid weisen jeweils verschiedene Bandstrukturen auf. Schon die kontrollierte Herstellung nur einer davon mittels moderner Dünnschichttechnologie ist schwierig. Der Polymorphismus – das gleichzeitige Vorliegen verschiedener Modifikationen des Materials – erschwert aufgrund des jeweils unterschiedlichen Kristallisationsverhaltens auch eine sequentielle Abscheidung, da es zu unkontrolliertem Wachstum unerwünschter Kristallphasen kommen kann.
Das ließe sich jedoch in einen Vorteil ummünzen, wenn man die Kontrolle über die Schichtung dieser Modifikationen und das dann mögliche Nanostrukturdesign gewinnen könnte: Durch ihr gezieltes Neben- und Übereinanderstapeln lassen sich dann verschiedene Eigenschaften präzise beeinflussen.
Mit fokussiertem Ionenbeschuss gezielt Eigenschaften verändern
Das Team will nun an der norwegischen Entdeckung anknüpfen und eine Methode etablieren, mit der die kontrollierte polymorphe Umwandlung von Galliumoxid im festen Zustand mit Hilfe von Ionenstrahlen praktikabel wird, wie Hlawacek umreißt: „Der Ionenbeschuss verursacht einen sich allmählich ansammelnden Strahlenschaden, der zum Aufbau von Druckspannungen im Material führt und den Übergang in eine andere Modifikation zur Folge hat. Diese Methode lässt sich sowohl auf großen Wafer-Flächen als auch lokal begrenzt anwenden. Erste Erfahrungen aus Norwegen zeigen uns, dass auch die Dicke der umgewandelten Schicht gut kontrollierbar ist.“
Die Forschenden der Universität Helsinki unterstützen das im Mai 2022 gestartete und für drei Jahre konzipierte Projekt durch Simulationen der Bestrahlungs- und Diffusionsvorgänge, von deren Ergebnissen sie sich Hinweise auf optimale Prozessbedingungen erhoffen. Die Universität Oslo wird sich dabei der großflächigen Herstellung von kappa-Galliumoxid widmen sowie die angedachte Funktionalität der Schichten und Nanostrukturen überprüfen. Am HZDR sind die Strukturierung in der Ebene mit Hilfe von fokussierten Ionenstrahlen aus Helium, Neon, Lithium, Gallium und Zinn sowie die Suche nach geeigneten Charakterisierungs-Verfahren geplant.
Das Team will lokal begrenzte Nanostrukturen im sub-Mikrometer Bereich aus kappa-Galliumoxid in einer umgebenden Matrix aus beta-Galliumoxid herstellen. Der Clou solcher Strukturen: Sie ermöglichen anschließend die Erzeugung funktioneller Nanostrukturen mit optimierten elektrischen, optischen und thermoelektrischen Eigenschaften. Darüber hinaus können die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen an den dabei entstehenden Grenzflächen zudem die Metallatomdiffusion studieren, deren Verständnis essenziell für Anwendungen in der Energiespeichertechnik ist.