Integrationsfähige, verlässlich einsetzbare Quantencomputer als Serienprodukt werden bis etwa Ende 2030 erwartet, und ein industrietauglicher Quantencomputer-Demonstrator ist bereits in Hamburg im Einsatz. Auch in München ist ein erstes Quantencomputer-Rechenzentrum in Betrieb bei dem es sich sogar um ein Cluster aus mehreren Systemen handelt. Unternehmen können Quanten-Rechenzeit bei der Firma IQM für zurzeit 1.800 Euro pro Stunde buchen. Der praktische Nutzen von Quantencomputern ist also bereits heute – via Zugang über die „Q-Cloud“ – in Reichweite. Die amerikanischen, im Cloudgeschäft führenden Konzerne Amazon, Google, IBM und Microsoft investieren zusammengerechnet zweistellige Milliardenbeträge und haben schon eine signifikante Anzahl von Systemen in der Erprobung. Sobald diese Technologie dann in der Breite verfügbar sein wird, wird sich ihre Nutzung rasant ausbreiten, allerdings auch bei Cyberkriminellen. Darauf sollten sich Unternehmen schon heute vorbereiten.
Es ist auch nicht zu erwarten, dass jedes Unternehmen einen eigenen Quantencomputer anschaffen muss. Wahrscheinlich wird es hier sehr ähnliche Nutzungsmodelle geben wie bei der Nutzung von KI. Matthias Reidans, Senior Project Manager bei Rosenberger OSI meint dazu: „Mittelständische Unternehmen können Ressourcen in der Cloud bei großen Hostern buchen und so komplexe Berechnungen auslagern, wie es bereits bei IQM in München der Fall sein kann, sofern die Programmierung der Aufgaben mittels einer Quantum-adaptierten Version vorbereitet wurde. Hinzu kommt, dass auch Quantencomputer in der Entwicklung sind, die teilweise sogar bei Raumtemperatur arbeiten, zum Beispiel mit der Technologie der „Diamond Vacancies“ (zum Beispiel bei Quantum Brillance, AQT). Damit wird der Einsatz noch einfacher, denn die Hürden für den Betrieb von Quantencomputern können niedriger sein als oft erwartet. Bei diesem Prinzip werden Fehlstellen in einem Diamant-Gitter benutzt, um dort Elemente zu implementieren, die dann zu Qubits „mutieren“. Aber auch Prozessorchips auf Siliziumbasis können mit Qubits ausgestattet werden, so dass mobile und einfach zu installierende Quantencomputer nicht undenkbar sind und Konzepte und sogar Beauftragungen dafür vorliegen.“
High Performance Computing und Quantencomputer
Während mittelständische Unternehmen also in Zukunft Ressourcen von Quantencomputern bei Hostern buchen können, werden größere Konzerne vermutlich eigene Geräte betreiben. Schon heute setzen Unternehmen wie BASF auf High-Performance-Computing-Instanzen, an die Quantencomputer angebunden werden sollen. Die BASF betreibt den größten HPC-Cluster der chemischen Industrie in Europa. Das zeigt, wie wichtig es ist, Quantencomputer in bestehende, moderne Rechenzentren integrieren zu können.
Dies ist natürlich nur möglich, wenn die Infrastruktur des Rechenzentrums dazu in der Lage ist. In Zukunft werden Unternehmen Quantentechnologie an verschiedenen Stellen einsetzen, nicht nur im Rechenzentrum. Für Industrieanlagen sind beispielsweise Quantensensoren relevant. Sie sind viel genauer und schneller als herkömmliche Sensoren. Damit lassen sich Echtzeitüberwachung und -steuerung sehr viel effektiver umsetzen als bisher. Die Quantentechnologie kann also die Technik in vielen Bereichen auf ein neues Niveau heben, nicht nur bei der Berechnung von Rechenaufgaben. Diese neue Sensorik misst und bewertet direkt oder indirekt sowohl Gravitations- als auch Kernkraft- und elektromagnetische Eigenschaften.
Quantencomputer und das maschinelle Lernen
Quantencomputer und Künstliche Intelligenz können durch ihre jeweiligen Stärken in vielfacher Beziehung voneinander profitieren. Maschinelles Lernen, das auf großen Datenmengen und komplexen Algorithmen basiert, kann durch Quantensystem-geeignete Algorithmen erheblich beschleunigt werden, insbesondere bei der Verbesserung und dem Training von Modellen. KI wiederum kann genutzt werden, um die Entwicklung und Implementierung von Quantenalgorithmen zu verbessern, indem sie Muster erkennt und optimierte Lösungen vorschlägt. So wird die Kombination von Quantencomputing und KI in Bereichen wie der Kryptographie, Materialwissenschaft oder der Industrie revolutionäre Fortschritte ermöglichen.
Erneuerbare Energien und Stromnetze profitieren von Quantencomputern
Erneuerbare Energien und Energieversorger können durch den Einsatz von Quantencomputern erheblich profitieren, insbesondere bei der Optimierung komplexer Systeme und der Verbesserung von Vorhersagemodellen. Quantencomputer sind in der Lage, große Mengen an Echtzeitdaten, wie Wetterbedingungen, Energiebedarf und Netzbelastung, parallel, in Gleichzeitigkeit zu verarbeiten und so präzisere Vorhersagen für die Energieproduktion aus Wind, Solar und anderen erneuerbaren Quellen zu treffen.
Dies ermöglicht eine effizientere Integration erneuerbarer Energien in bestehende Stromnetze und verringert Schwankungen, die durch die unvorhersehbare Natur dieser Energiequellen entstehen. Zudem können Quantenalgorithmen dabei helfen, die Verteilung und Speicherung von Energie zu verbessern, indem sie ideale Szenarien für den Einsatz von Batteriespeichern oder die Verteilung überschüssiger Energie ermitteln. Energieversorger profitieren somit von einer stabileren und effizienteren Energieversorgung bei gleichzeitiger Reduzierung von Kosten und CO2-Emissionen.
Blackouts verhindern: Netzoptimierung auch in Stromnetzen
Quantencomputer benötigen nicht unbedingt selbst Unmengen an Energie, sondern können sogar helfen, Energie zu sparen. Für KI-Berechnungen sind Quantencomputer herkömmlichen Computern mit heutigen Spitzenprozessoren in Teilbereichen deutlich überlegen. Es ist zu prüfen, ob mit Quantencomputern beispielsweise ganze Modulbänke in Rechenzentren eingespart werden können. Dafür müssen die Grundlagen, wie die erfolgreiche Konfiguration von Hybridclustern aus QC und HPC, jetzt geschaffen werden.
Neben der Verbesserung von Stromnetzen, um drohende Blackouts zu vermeiden, können Quantencomputer Echtzeitmodellierungen durchführen und so Lastschwankungen, Ausfälle oder Störungen vorhersagen und verhindern. In Verbindung mit KI ergeben sich hier zahlreiche Möglichkeiten, die mit heutigen Computern nicht realisierbar sind. Quantencomputer können Steuerungssysteme auf einem ganz anderen Leistungsniveau als bisher automatisieren und koordinieren. Durch verbesserte Stromflüsse, auch im Bereich der erneuerbaren Energien, können Quantencomputer in Zukunft Stromnetze folglich stabiler halten. Auch die großen Energieversorger warten daher dringend auf die dafür ausreichende Quantencompute-Power-Kapazität und haben dafür eigene Programme und Abteilungen geschaffen.
Quantencomputer sind eine große Chance, aber auch eine Gefahr
Zu den Chancen von Quantencomputern kommen allerdings auch Gefahren, die in den nächsten Jahren entstehen und die bereits heute relevant sind: Der heutige Standard bei den Verschlüsselungstechnologien für Datenverkehr und -speicherung kann mit Quantencomputern in kurzer Zeit kompromittiert werden. Wenn Cyberkriminelle die Rechenleistung von Quantencomputern in Verbindung mit KI nutzen, entsteht ein enormes Risikopotenzial für Unternehmen und Behörden. Warum ist das so? Im Gegensatz zu klassischen Computern, die Informationen in Bits als 0 oder 1 speichern, arbeiten Quantencomputer mit sogenannten Qubits, die sich in einer Überlagerung mehrerer Zustände befinden können.
Diese Überlagerung ermöglicht es, viele Rechenoperationen gleichzeitig auszuführen, was die Effizienz bei bestimmten komplexen Problemen erheblich steigert. Dieses Prinzip kann für Brute-Force Attacken auf verschlüsselte Datenpakete ebenso verwendet werden. Darüber hinaus nutzen Quantencomputer dafür auch „Verschränkungen“, bei der Qubits in speziellen Verfahren unabhängig von ihrer räumlichen Position miteinander korrelieren. Diese Effekte ermöglichen es Quantencomputern also, exponentiell viele Zustände parallel zu verarbeiten und so in kurzer Zeit Ergebnisse zu erzeugen, die mit rein digital-binär aufgebauten Computern nicht realisierbar sind.
Unternehmen sind daher gut beraten, möglichst bald auf die sogenannte Post-Quantum-Verschlüsselung zu setzen. Diese nutzt spezielle Technologien, die auch von Quantencomputern nicht geknackt werden können. Das US-amerikanische National Institute of Standards and Technology (NIST) treibt die Standardisierung solcher Algorithmen voran und hat bereits mehrere Kandidaten ausgewählt, die den hohen Anforderungen an Sicherheit und Effizienz genügen sollen. Auch das BSI beschäftigt sich bereits seit Jahren mit dem Thema. Die Ruhr-Universität Bochum ist an der Forschung beteiligt und gehört zu den weltweit führenden Instituten auf diesem Gebiet.Es gibt also bereits Standards für die Post-Quantum-Verschlüsselung, die investitionssicher sind. Unternehmen sollten daher so schnell wie geboten handeln.
Viele fragen sich, warum schon jetzt so viel Aufhebens um Verschlüsselung gemacht wird, obwohl Quantencomputer noch gar nicht allgemein verfügbar sind. Nach dem Konzept „Harvest now, decrypt later“ oder „Store now, decrypt later“ können Angreifer ja bereits heute verschlüsselte Daten abfangen und speichern, in der Erwartung, dass in naher Zukunft leistungsfähige Quantencomputer entwickelt werden. Sensible Unternehmensdaten sind dann oft noch wertvoll. Angreifer setzen daher heute auf vielfältigen Datenklau, obwohl sie das Material noch nicht entschlüsseln können, weil sie nämlich davon ausgehen, dass sich dies bald ändern wird!
Aus diesem Grund sollten sich Unternehmen jeder Größe, die in kritischen Geschäftsfeldern unterwegs sind, so schnell wie möglich mit dem Thema Quantencomputer auseinandersetzen. Auch im militärischen Bereich wird mit einem anderen technologischen Schwerpunkt zum Thema Quantensichere Netzwerke geforscht. Dabei geht es um Redundanz, zum Beispiel zwischen verteilten Standorten, sowie um hochsichere Hard- und Software. Vielerorts wird bereits an Szenarien mit Quantencomputern und deren sicheren Einsatzmöglichkeiten im Verbund gearbeitet. Die Gründe sind zusammenfassend gesagt also nicht nur Gefahren, die von dieser neuen Generation von Computern ausgehen, sondern auch die enormen Möglichkeiten, die sie für Unternehmen und Behörden letztlich aller Größen und Branchen bietet.
Quantencomputer brauchen optimale Rahmenbedingungen
Unternehmen können ihre neuformulierten Aufgabenstellungen in Zukunft von Quantencomputern durchführen lassen und so neben der Kosteneinsparung ungeahnte Potenziale dieser Hochleistungsmaschinen entdecken. Ein entscheidendes Anwendungsfeld sind Wetter- und Klimaberechnungen in Verbindung mit KI. So können Unwetter zuverlässiger vorhergesagt werden. Die Endkunden profitieren aber nicht bloß von solchen Fällen. Eine deutsche Airline plant, die Gate-Zuordnungen an Flughäfen zu verbessern, um die Wartezeiten der Passagiere zu verkürzen und damit die Abfertigung zu beschleunigen. Vor allem an Drehkreuzen können dadurch erhebliche Optimierungen erreicht werden.
Die meisten Quantencomputer werden aufgrund ihrer Komplexität und Empfindlichkeit in großen Rechenzentren betrieben, wobei auch die Verkabelungsqualität und die physischen Raumeigenschaften, Schutz vor Erschütterung und elektromagnetischen Störeinflüssen eine große Rolle spielen. Schließlich sind Glasfasern ein wichtiger Faktor für die Anbindung und Verbindung von Quantencomputern. Der geeignete Aufbau einer passiven und aktiven Dateninfrastruktur, das Design von Rechenzentren mit spezieller Ausrichtung von geeigneten Compartments und der Systemverbund eines komplexen Quantencomputer-Systems sind dabei wichtige Eckpunkte einer gelungenen Integration. Auch hier sollten Unternehmen bereits jetzt planen, wie sie mit dem Thema umgehen wollen.
Matthias Reidans sagt dazu: „In Zukunft wird es eine Vielzahl von Quantencomputer-Installationen geben. Dabei sind die technischen und die wirtschaftlichen wie organisatorischen Rahmenbedingungen essenzielle, sorgfältig abzuwägende Faktoren für den Betrieb. Daher kann es bereits heute sinnvoll sein, diese Rahmenbedingungen im eigenen Rechenzentrum möglichst detailliert und vorausschauend zu berücksichtigen. Planen Unternehmen einen Ausbau, sollte dieser einem möglichen Einsatz von Quantencomputern möglichst nicht entgegenstehen.“ Dabei helfen Unternehmen, die sich auf Infrastrukturen in Rechenzentren spezialisiert haben und sich bereits parallel mit Quantencomputern beschäftigen. Der Betrieb von Quantencomputern lässt sich teilweise mit dem von Großrechnern vergleichen, die bereits seit den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts eine etablierte Technologie darstellen. Die Anforderungen sind ähnlich – allerdings mit manchen Unterschieden, speziell bei Tiefsttemperatur- und Hochvakuumsystemen.
Dennoch lässt sich sagen, die jahrzehntelange Erfahrung mit Großrechner-Anlagen bietet Vorteile – auch für den möglichst sorgenfreien, zukünftigen Betrieb von Quantencomputern. Dies sollten sich Unternehmen als knowledge-asset zunutze machen. Engpässe wird es bald weniger in der Verfügbarkeit der entsprechenden Hardware geben, als vielmehr beim ausgebildeten Personal, das diese bahnbrechende Technologie betreut, etabliert, monitort und in der erforderlichen Tiefe auch versteht. Am Anfang des Quantencomputer-Zeitalters in Europa und der ganzen Welt steht demzufolge zunächst auch die Investition in die menschlichen Ressourcen dafür und in die Bewusstseinsmachung dieser epochalen Veränderung. Der „paradigm-shift towards Quantum“ hat schon begonnen. Die folgenreichste Erfindung der Menschheit seit dem Rad und der Beherrschung des Feuers, wie es manche Insider prophetisch ausdrücken, hat seine ersten Meilensteine geschafft. Unsere gemeinsame Reise in die Quanten-Ära geht los.