Smart Traffic & Mobility Schöne neue App-Welt

29.09.2014

Der Einsatz von Apps bietet gerade bei elektrischen Fahrzeugen ganz neue Möglichkeiten. Apps müssen aber besondere Anforderungen hinsichtlich Sicherheit und Fahrerablenkung erfüllen. Die klassischen App-Entwickler sind damit nicht unbedingt vertraut.

Sahas Katta kann durchaus als typischer Vertreter der Start-up-Generation im Silicon Valley gelten. Als Amerikaner mit indischen Wurzeln gründete der Programmierer bereits in der High School seine erste Firma. Er studierte an der University of California in Sacramento und arbeitete als Web-Designer. Sich selbst bezeichnet er als „aufstrebenden Technik-Jünger“ und kommuniziert in seiner eigenen Community – über Twitter, Blogs und soziale Netzwerke. Wahrscheinlich wären wir in Europa nie auf ihn aufmerksam geworden. Doch im Januar 2014 gründete er in San José (Kalifornien) die Firma Smartcar, die auch hier für Aufsehen sorgt. Das kleine Unternehmen entwickelt für das Tesla Modell S die „Glass Tesla App“, die die Bedienung des Fahrzeugs über Google Glass ermöglicht – einen Minicomputer mit Head-up-Display und Digitalkamera, alles auf einen Brillenrahmen montiert.

Fernsteuerung fürs Fahrzeug

Tesla, Google und ein kalifornischer Programmierer – es hat den Anschein, als tue sich eine Welt der unbegrenzten Möglichkeiten auf. Noch steckt das Projekt in den Kinderschuhen. Aber es verspricht viel. Mit der Glass Tesla App kann der Fahrer seine Klimaanlage steuern, die Türen verriegeln und entriegeln, den Reichweitenstatus kontrollieren, den Ladevorgang steuern, sein Fahrzeug orten und vieles mehr. Eine Frage wirft das Projekt aber dennoch auf: Können Firmen ohne automobiles Know-how die spezifischen Anforderungen an Apps im Fahrzeug wirklich adäquat berücksichtigen?

„Nur mit dem Wissen der automobilen Entwicklung kann dem Thema Sicherheit Rechnung getragen werden“, meint Heinrich Schwackhöfer, Produktmanager für BMW i. „Denn bei der externen Entwicklung sind spezifische Anforderungen zu berücksichtigen, mit denen klassische App-Entwickler nur wenig Erfahrung haben – dazu gehört nicht nur die Verbindung zum Fahrzeug über das Infotainmentsystem oder den CAN-Bus, sondern auch Faktoren wie die Fahrerablenkung und generelle Anforderungen an die Zuverlässigkeit.“ Für Apps, die den Stempel „BMW ready“ tragen dürfen, gilt deshalb – auch wenn Dritte diese entwickeln – immer die Grundvoraussetzung, dass die App den Anforderungen des Herstellers an ablenkungsfreie Bedienung entspricht.

Die Entwicklung von Apps betrachtet der Fahrzeughersteller zwar als Kernkompetenz, arbeitet aber durchaus auch mit externen Entwicklern zusammen. „BMW entwickelt Konzepte, Strukturen und auch Apps selbst und sichert sich damit wichtiges Know-how“, erläutert Schwackhöfer. Damit Dritt­anbieter ihre Applikationen optimal ins Fahrzeug einbinden können, stellt BMW ihnen ein spezielles Software Development Kit (SDK) zur Verfügung. Es unterstützt die externen Entwickler mit spezifischen Tools dabei, kompatible Versionen ihrer Apps zu entwickeln, die den Anforderungen für den Einsatz im Auto gerecht werden. Schwackhöfer betont dabei: „Letzten Endes bedarf es immer der finalen Freigabe durch BMW, bevor die App eines Drittanbieters im Fahrzeug genutzt werden kann.“

Ein Ergebnis dieser Arbeit ist im BMW i3 zu sehen: Über eine „Remote App“ hat der Fahrer auch außerhalb des Fahrzeugs Zugriff auf die Fahrzeugdaten und die für die Routenplanung relevanten Informationen. Er bekommt freie und belegte Lade­stationen angezeigt und kann erkennen, ob diese innerhalb der aktuellen Reichweite des Fahrzeugs liegen. Außerdem kann er den Ladevorgang aus der Ferne steuern und die Batterie vorheizen. Solche Funktionen sind durchaus nicht nur Spielerei: Das Vorwärmen des Speichers etwa hilft bei niedrigen Außentemperaturen, die Leistungsfähigkeit und die Reichweite des Fahrzeugs zu erhöhen. Außerdem wird damit die Lebensdauer der Batterie verlängert.

Pionierrolle für Elektromobile

Bei Elektroautos gehören Smartphone-­Apps ohnehin schon beinahe zur Grundausstattung. „Apps sind ein Grundstein für die Akzeptanz der elektrischen Mobilität“, sagt Benjamin Franke vom Bundesverband eMobilität. „Zum einen sind sie ein wirksames Instrument gegen die Reichweitenangst, da sie Entfernungen abhängig von der Reichweite des Fahrzeugs berechnen und dabei auch die Ladestationen anzeigen, die auf dem Weg liegen. Zum anderen unterstützen sie den Fahrer beim Ladevorgang und machen diesen grundsätzlich bequemer.“

Auch andere Hersteller haben die Bedeutung der Apps erkannt. „Connectivity und die Apps an sich sind eines der wichtigsten Unterscheidungsmerkmale für Fahrzeuge in den nächsten Jahren“, meint Alf Pollex, Leiter Connected Car und Infotainment bei Volkswagen. Speziell für die Elektrofahrzeuge e-Up und e-Golf haben die Wolfsburger eine sogenannte „e-Remote“-App entwickelt. Der Kunde kann damit das Laden der Fahrzeugbatterie aktiv steuern, den Parkplatz am Zielort in einer Karte vermerken oder den Innenraum vor Fahrtantritt bereits auf die gewünschte Temperatur klimatisieren.

Schnittstelle zwischen Auto und Smartphone

Neben den Apps, die die Fahrzeugfunktionen steuern oder darstellen, können aber grundsätzlich auch alle anderen Apps über das Infotainmentsystem dargestellt werden. Als Schnittstelle zwischen Smartphone und Fahrzeug hat sich neben Apple CarPlay und Android Auto die Plattform MirrorLink etabliert. Sie ist mittlerweile der Standard von Fahrzeugherstellern wie Volkswagen, Toyota und Peugeot und wird von den Geräteherstellern Samsung, HTC und Sony unterstützt.

„MirrorLink ermöglicht die nahtlose Integration eines An­dro­id-Smartphones in die Anzeige und Bedienung eines Fahrzeugs“, berichtet Pollex. „Der Kunde kann zertifizierte Apps dadurch sehr komfortabel während der Fahrt über das Bediensystem des Autos nutzen.“ Bei der Entwicklung fährt auch Volkswagen eine duale Strategie. So entwickeln die Wolfsburger mit eigenen Kapazitäten Apps für MirrorLink. „Es können aber auch extern entwickelte Apps genutzt werden“, sagt Pollex. Entscheidend sei dabei, dass die jeweiligen Apps als MirrorLink-kompatibel zertifiziert sind. „Dies ist dann natürlich keine Zulieferer­industrie im klassischen Sinne, aber in einer modernen Interpretation kann man das schon so betrachten.“ Im Silicon Valley wird man das mit Interesse hören.

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